Winter

Wintergedichte! Verse, die der kalten Jahreszeit huldigen.

Restschnee & das zweitausendsechshundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Das Kranzbach - Mary Portman House

Spürst du, wie der Frühling drängelt?

Spürst du, wie der Frühling drängelt?

Ein verletzter Frosthauch schlängelt
Sich noch morgens bis zur Tür,
Dankt fast höflich fürs Erdulden
Seiner letzten Daseinsschulden -
Dann geht's ab zur Kür!

Und aus keiner nächsten Nacht
Springt's komplett zurück.
Alles ist bereits erdacht,
Nährt sich Stück um Stück.

Spürst du, wie der Frühling drängelt?
Winter hat sich ausgeschlängelt!

Hafenausfahrt & das zweitausendsechshunderterste Gedicht

Am Hamburger Hafen

Ach woher

Der Abend grüßt sich in mich ein
Und ist Abend und Abend am Spätnachmittag.
Mein Hab und Gut bootet, doch bleibt weiter klein -
Es gibt Städte, die wittern, dass ich sie nicht mag.

Und das große "Wohin?" fängt an, üblich zu sein -
Ist Wohin und Wohin im Woher.
Minenbuben eint Gruben von Spitzfinderei'n,
Die ich so und so nicht so begehr.

Der Abend ist Abend und Abend und Nacht -
Nicht der Winter verkürzt jetzt die Tage,
Es ist eine Jahreszeit, in der es lacht:
"Ach, i wo, ach, woher!" - nur als Frage.

Botanischer Garten & das zweitausendfünfhunderteinundachtzigste Gedicht

Im winterlichen Botanischen Garten München

14 Grad

Es dampft vor Unentschlossenheit
Der aufgetaute Firnis.
Er weiß, es ist noch nicht die Zeit,
Doch Temp'raturen-Wirrnis
Lockt Samenkapseln aufzuspringen,
Aus der Deckung vorzudringen,

Bis

Nach den frühen Wärmeschüben
Es letztlich wieder schneit.

Der Lenz kam nur vorbei zum Üben -
Noch ist es nicht soweit.

Homebaum & das zweitausendfünfhundertvierundsiebzigste Gedicht

2024er Weihnachtsbaum

Weihnachten, Reprise

Die güldnen Lichter gehen aus,
Das Wintergrau wird dunkler,
Der Frost vervielfacht seinen Graus,
Die Frühlingsaussicht: unklar.

Der Licht an Ketten ist entwischt -
Vermocht' es nicht zu halten!

Ich trotze einer finstren Gischt
Und drohe mich zu spalten.

Piazza dei Signori & das zweitausendzweihundertsechsunddreißigste Gedicht

Auf der Piazza dei Signori in Padua

Kurzvorstellung im Winter

Ein Platz aalt sich im Sonnenstrahl
Und lichtert mich ins Freie.
Da hüpft's mich aus dem Hintertal,
Als käm ich an die Reihe.

Solch Vorstellung im Winter weilt
Zur Füllung schmalster Tanke.
Weil aller Strahl geschwind enteilt -
Verfolgt vom Seufzer: "Danke!"

Interimsschönheit & das zweitausendzweihundertsiebte Gedicht

Winterlicher Englischer Garten

Traurige Plurals

Das Verfallsdatum von Schönheit
Ist von außen nicht zu seh'n -
Und uns bleibt nur die Schlittellust
Auf längst geschmolz'nen Schneen.

Schlittelpremiere & das zweitausendeinhundertsechsundneunzigste Gedicht

Schlittelhang am Luitpoldpark

Verschmelzungen

Für irgendwen ist jeder Schnee der erste Schnee im Leben
Und den wird es naturgemäß für ihn nie wieder geben.

Und doch birgt jeder Folgeschnee die selbe Sensation
Und weckt beinahe deckungsgleich 'ne Schnee-Re-Reaktion.

Solch Technik möchte ich erlern'n (ich denke schon, ich muss)
Für's neu entfachte "Hab dich gern, du achtmillionster Kuss!"

Spätblüher & das zweitausendeinhundertsiebenundachtzigste Gedicht

Späte Blütenpracht im Berliner Tiergarten

Vorbereitung auf den Winter

Wo nichts mehr fährt, kann niemand heizen
Und muss dann auch beim Gas-Geb’n geizen.
Wir werden alle bald erkalten -
So woll’ns halt die Naturgewalten!

Schilfblüte & das zweitausendeinhundertzweiundachtzigste Gedicht

Schilf am Murnauer Moos-Weg

Ripostegedicht auf "Herbsttag" (1902) von R. M. Rilke

Wintertag (2022)

Gott: ist dat kalt! Und der Frost macht bald groß.
Wir lesen schnatternd Gasstandsuhren
Und kurz hernach geht’s Winseln los.

Deck dich mit Konserven und Trockenobst ein;
Begib dich ins Loch ungemütlicher Tage,
Bedrängt von Entwertung und Weltfinanzlage -
Diese Welt voller Büsser fängt schwer an zu wein'n.

Wer jetzt sein Haus heizt, hat bald keines mehr,
Wird schrei'n: „Ej, verleiht hier wer Thermoglasscheiben!?“,
Wird Wasser schleppen, preppen, um letzlich auch 'nen Campinggaskocher aufzutreiben.
Und wird nach allem Hin und Her
Sich wundern, wo die Blackouts bleiben.

Where the World is Melting & das zweitausendfünfundvierzigste Gedicht

Eingang zur Ausstellung "Ragnar Axelsson. Where the world is melting." im Kunstfoyer der Versicherungskammer München

Piteraq (am Eismeerbeach)

Auf der Masse im Jenseits acht arktischer Staaten
Lastet achtzig Prozent aller Nacht.
Dort, wo achtsame Spalten auf Wanderer warten,
Zahlt das Unbarmherz bargeldlos Pacht.

Doch auf schmelzenden Schilden voll gleißendem Licht
Braut ein Lab, wenn's durchtränkt wird vom Eise.
Es knarzt die auf Hoffnung beharrende Schicht
Und ein Gletscherkalb geht auf die Reise.

Jeder Eisluftsturz tobt in die Beiläufigkeit,
Entgrimmt sich gewiss bis zur Tagesschauzeit,
Unerbittlich durchfährt uns belebender Frost
Und alles wird sichtbar. Und alles ist lost.

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