Alter, Tod & Abschied

Gedichte über das Älterwerden, den Lebensabend, Krankheiten. Und den Tod.

Gleitfliegerschlaf & das zweitausendvierhunderteinundachtzigste Gedicht

Fliegender Lemur (Galeopterus variegatus) im Bako Nationalpark Bako-Nationalpark bei Kuching / Sarawak

Heimrück(en)kehrersorgen (Reprise zum Gedicht "Sarawak")

So war ich denn - nach dreißig Jahr'n -
In Sabah und in Sarawak.
Sollt' ich noch mal so fleißig spar'n,
Kehr' ich zurück als Sabberwrack.
Oder ist's für mich als Menschgerät
Nicht sehr viel früher schon zu spät?

Ach, über den Plänen großer Reisen
Wähn ich längst die Geier kreisen!
Wie viele der säumig gebliebenen Fahrten
Darf ich bei okayer Gesundheit erwarten?

"Ausreichend genug", möchte ich mir entgegnen,
"Aber sei drauf gefasst, Kerl: Es könnte mal regnen ...!
Also, spar dir dein kack Hohes-Alter-Gelaber:
Du warst jetzt in Sarawak, warst auch in Sabah
Und die Hälfte der Welt würd 'nen Teil deiner Sorgen
Sich gern mal drei Stunden als Zuversicht borgen!"

Sarawak Parlament & das zweitausendvierhundertfünfundsechzigste Gedicht

Darul Hana Bridge and Sarawak parlament in Kuching

Vor der Kehrtwende

Es offenbart
Die Fahrstuhlfahrt:
So tief kannst du jetzt fallen!

Schon will der Lift
- wohl halb bekifft -
'ne Abschiedsrede lallen.

Von unten rät ein Komödiant,
Ich soll den Aufzug nehmen.

Doch wenn schon Absturz, dann rasant -
Kein Ausblenden in Schemen.

Gunung Kinabalu & das zweitausendvierhundertvierundvierzigste Gedicht

Blick auf den Gunung Kinabalu vom Strand

Wasserträge

Bin vom Wassertragen ganz durstig geworden,
Ich befürchte, ich mach‘s nicht mehr lang.
Und drohte jetzt jemand, mich bald zu ermorden,
Mir würde darob nicht mehr bang.

Das Gewicht meiner Last hat sich stetig verdoppelt,
Und mein Durst steigert sich mit der Hitze.
Ihr zu viel ist mit meinem zu wenig gekoppelt -
Das fühl ich, so wahr ich hier schwitze.

Bin vom Wassertragen so durstig geworden,
Ich befürchte, ich schaff‘s nicht mehr weit.
Indes führt der Weg zwar allmählich nach Norden -
Alleine, mir bleibt keine Zeit.

Ruhrpottglühen & das zweitausendvierhundertvierzigste Gedicht

Blick von Überruhr auf Essen-City

Marshallpläne

Mit Aus-der-Zeit-Gefallenheit
Respekte einzufordern,
Aus überfühltem Krallenneid
Gleich Bergketten zu ordern,
Den Einbahnstraßenschildern
Der Veränderung zu trotzen,
Nach maßverirrtem Wildern
Mit Trophäen rumzuprotzen
Und der geschenkten Gäule Zahngold
Unverzollt zu horten? -
Hast, Witzbold, lang genug gehowlt
Als Sprössling bess'rer Sorten!

Planst, alle Möbel dieser Stadt
Zurückzurecht zu rücken
Und jedes aufgeschlag'ne Blatt
Mit Post-Its zu bestücken?

Wirst colt-bereit am Einfahrtsgleis
Den Sheriffstern polieren -
Und jeder "You're too old!"-Beweis
Wird dich nicht interessieren.

Küstenlinie & das zweitausendvierhundertachtunddreißigste Gedicht

Varadero Beach

Theoretisch abstürzen

Wie viele juveniler Räusche
Hab ich nach Dammbruch ausgekotzt?
Achtzig (wenn ich mich nicht täusche) -
Wild aus Aug und Maul gerotzt.

Nicht brutal oft, auch nicht wenig,
Und höchst selten gilt: Ich sehn mich
Nach der Zeit zurück - der Non-Stops,
Jägermeisterrunden, Headshots,
Einspritzer im Trinkspielwahn,
Konterbier im Mittagstran ... -
Da ich mich der Sechzig näh're
und mir gruselt jetzt, ich wäre
Nochmals so vom Rausch gepfählt.

Hab drum vieles abgewählt.

Doch ich spür nun, auch ohne ins Tun zu versinken:
Heute ist so ein Tag, hey, zum richtig Betrinken!

Alle Rechte bei Ute Kratzer, die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2024 erstanden hat.

Sundowner & das zweitausendvierhundertneunzehnte Gedicht

Sonnenuntergang Varadero

Wie der Wind

Wie der Wind plötzlich auffrischt, wenn die Sonne versinkt -
So, als hätt' er sich erst nicht getraut.
Nun erkühnend, zu instruier'n, was uns die Nacht bringt
Wie ein altkluger Halbastronaut.

Der Sonne Versinken besiegelt stets Abschied
Und gewolltsam begrüßt man die Nacht.

Doch wenn man die Stunden der Dunkelheit abzieht,
Verbleibt uns ein Plus heller Macht.

Alle Rechte bei Tom Droste, der das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2024 erstanden hat.

Blütenspätlese & das zweitausendvierhundertdreizehnte Gedicht

Tulpen im Botanischen Garten München

Neue Begleitmusik

In einem Restaurant mit Punkmusik gediegen zu speisen -
Ich will nie wieder sagen, nichts hätt‘ sich bewegt!
Ja, mag sein: Auf uns nicht tief bewegende Weisen -
Dennoch wird Nicht-Erwartbares längstens gepflegt.

Und die Welt trägt Tattoos , färbt sich wild ihre Haare,
Tippelt Schritte, die ich Tolldreister niemals gewagt!
Ich seh‘s aus dem Sumpf altvergangener Jahre,
Verstreue mein „Ich hab‘s ja immer gesagt!“.

Aber nirgends heißt‘s: „Interessant, lass ma hören!“ -
Unsre früheren Kämpfe, sie bleiben perdu.
Wir wollten einst, können heute: nur stören.

Habe fertig gegessen. War sehr gut. Und nü?

Innsbruck-Ansicht & das zweitausendvierhundertsechste Gedicht

Blick auf Inn und Innsbruck

Dürers Ansicht auf

Die Ruinen ewiger Bauten, sie schwimmen
Im Strom der Zeit dahin.
Er stiehlt Silhouetten, lässt Highlights verdimmen,
Nimmt dem Festungswall einstigen Sinn.

Einst war hier eine Stadt mit gleichem Namen.
Ich mag nicht nach Kirchtürmen fragen -
Wann die alten verschwanden, wo die neuen herkamen
Und was die Historiker sagen.

Die Vergänglichkeit nagt an uns Kindern geschwinder
Und wir suchen Erlösung in Mauern.
Doch scheppert der Schlussgong nur etwas gelinder,
Denn nichts wird uns lang überdauern.

Rietpark & das zweitausendvierhundertzweite Gedicht

Villa im Rietpark

Dem letzten Teil

Dass ich dereinst mit dir hier war,
Gilt auch nach diesem plötzlichen Tod.
Es stimmt, dieses lebensglückraubende Jahr
Wiegt nichts zurück ins Lot.

Doch dass ich einst mit dir hier stand -
Das wird Gewissheit bleiben.
Bleib für mich mit im alten Land,
Eh sie zu mir dich treiben!

Balkonwiederkehrer & das zweitausendvierhundertste Gedicht

Moosacher Balkonstilleben

Kurzweil

Stetig stimmt, dass der Frühling an Tempo gewinnt,
Mit dem Düfte und Farben verblassen,
Dass die längeren Tage die kürzeren sind -
Schon bei Sonnenaufgang uns verlassen.

Verweile Moment, du bist so schön!
Was sich wünschen ließ, muss man nun flehen.
Einst fröhlicher Sang schlurft dahin zum Gestöhn ...

Und der Frühling ist nicht mehr zu sehen.

Seiten

RSS - Alter, Tod & Abschied abonnieren