Internet & Technik

Machinengedichte und New Media in neuen Metren und alten Formen.

Model & das zweitausendzweihundertdreiundfünfzigste Gedicht

Nicole Eisenman. What Happened im Museum Brandhorst

Crossover-Ripostegedicht zu Tucholskys "Das Ideal" und den Heidi-Klum-Rant von Roger Willemsen.

Der Ich-Handel (The I-deal/Dimunitiv von "selten")

Ja, das möchste:
Du willst bei der Challenge heut voll überzeugen,
Dass all jene andren dich neidisch beäugen
Und Heidi kreischt fleischig vor Scheineuphorie,
Du hätt'st krass Personality
Und die Fashionwelt wird sich schon bald darum reißen,
Dich auf ihren Kampagnen willkommen zu heißen.

Du schwebst vom Walk auf Wolke Sieben,
Bist dabei ganz du selbst geblieben,
Gibst dich dem Netz in Gänze hin
Als mega! Influencerin,
Bekommst von dort so viel zurück:
Ein tausendfach geteiltes Glück.
Ja, das möchste.
Aber,
in Wahrheit wirst du voll verheizt
Im Tollhaus, das mit Chancen geizt,
Verkackst im Kreis beknackter Grazien,
Verlacht als Wackelkandidatin,
Die beständig, unbändig und flehentlich flennt
Vor gemeinen Designern, die eh keiner kennt.

Letztlich fehlt dir das Foto zum Model-Champ,
Du hoffst noch auf das Dschungelcamp
Und hangelst fesch von „Au!“ zu „Au!“
Durchs Dickicht dich vom Trash-TV.

Doch wie sehr man sich auch engagiert,
Dass man sich dann noch etabliert
Vorm bösen Ansturm erster Fältchen
Das
Ist seltchen.

Mieswetterlaune & das zweitausendzweihundertzweiundvierzigste Gedicht

An der Fondamenta Zattere Al Ponte Lungo

Dann hinterlasst mir bitte ein Like

Die Masse der Coolen
Ist schlichtweg très uncool -
Wie sie um uns buhlen
Als Followerpoolpfuhl!

Und immer sollen wir was liken,
Für blässliche Belange streiken.

Den Scheinwerferlosen
Fehlt's längst schon an Masse,
Als panisch von Posen
Umworbene Klasse.

Und ständig sollen sie was liken,
Für blässliche Belange streiken.

Piazza Duomo & das zweitausendzweihundertachtunddreißigste Gedicht

Auf der Piazza Duomo in Trient

Scrold

Such ich im Onlineformular
Mein angetrautes Lebensjahr,
Scroll ich bis in den Keller.
Und auf dem Weg seh ich die Weiten
Frisch begonn'ner Lebenszeiten -
Die haben's sehr viel schneller!

So ist die Jugend flott bereit
Fürs unschuldige Tollen.
Derweil muss ich (nicht ohne Neid)
Noch ungeduldig scrollen.

Creativhotel & das zweitausendzweihundertsechsundzwanzigste Gedicht

Kunstwerk auf dem Weg zum Frühstücksraum vom Creativhotel Luise in Erlangen

Der Eindringling

Ich dring heut tief in dein System,
Die Firewalls soll'n ächzen,
Platzier in dir ein Hack-Ekzem,
Lass meinen Zugriff lechzen, -

Hui, aus deiner Verschlüsselung
Wirst du dich ganz entblättern! -,
Setz Gigabytes und Bits in Schwung,
Schlürf deiner Passwords Lettern.

Ich horte jedes Zugriffsrecht,
Besuhl mich mit Befugnis,
Und ich allein, als Allgemächt,
Bestimme, wann genug is ...!

Sudetenmuseum & das zweitausendzweihundertsechzehnte Gedicht

Die Fassade vom Sudetendeutschen Museum München

Weltweiten

Ein Vormittag vorm Monitor
Kommt mir erheblich kürzer vor

Als, sagen wir, am Strand
Von einem fernen Land.

Es gilt, man kann sich schadlos aalen
In Bildschirm- oder WLAN-Strahlen,
Derweil das treue Sonnenlicht
Zu tief in unsre Häute sticht.

Mein Körper widerspricht
So vehement wie schlicht.

Gewiss gereicht es ihm zum Test,
Was man an Spuren hinterlässt:
Dort von zig Cookies angezapft,
Dort barfuß in den Sand gestapft.
So lässt sich für ein Wohlbefinden
Kein besseres Symbol wohl finden

Als, sagen wir, der Strand
Von einem fernen Land.

Endlich Auswahl & das zweitausendeinhunderteinundneunzigste Gedicht

Buttons von Marilyn's Army

Dein Spotify Mix der Woche

Jed' Playlist liefert den Beweis:
Der ganze Algorithmen-Scheiß
Wird ewig stutenblöde bleiben!
Ein Zeitverschwendungszeitvertreiben
Wird uns als Zukunft aufgedrängt,
Weil ein Computer Inhalt denkt.

Solch Stumpfheit wird uns weiter lenken -
Drum seid bereit zum Anspruch-Senken!

Strandvägenwagen & das zweitausendeinhundertdreiundsechzigste Gedicht

Blick auf die Hafenpromenade Strandvägen von Östermalm

Fernverbindung

Zunächst dröhnt uns der Schwall einer Rettungssirene
In meinen empfindsamen Handyempfang -
Da ich doch allein deine Stimme ersehne
In alle Gerätschaft verleugnendem Klang!

Später donnert es in einer Bahnunterführung
Im Takt vom geschürten Verkehrsflussgebell.
Das desavouiert jeden Ton meiner Rührung -
Und alles, was ist, ist es nicht mehr reell.

Letztlich haken nur hässliche Netzartefakte -
Jede Funklocherrettung scheint gleich überbucht!

Tief in deinem Herzen bin ich der Benackte,
Der armselig dich zu erreichen versucht.

Östra Simskäla & das zweitausendeinhunderteinunddreißigste Gedicht

Blick von Östra Skäret nach Östra Simskäla

Auf Östra Skäret

Nach tagelangem Offline-Wind
Beginnt das Netz zu schwinden -
Bin rundum analog besinnt
Und nirgends mehr zu finden.

Königssee & das zweitausendeinhundertachtzehnte Gedicht

Blick von St. Bartholomä Richtung Schönau am Königssee

In den Echokammern

Oh, es dürsten solch guideklamme, teigige Zeiten
Nach zackigstramm likebaren Eindeutigkeiten!

Altes Haus & das zweitausendzweiundzwanzigste Gedicht

Im alten Dorfkern von Grimentz

Updates in progess

Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration, kann keine Zementsäcke tragen,

Ich weiß Schreibmaschinen
Nicht recht zu bedienen,
Wurd niemals von Lehrern geschlagen.
Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration, ich kann keine Falkpläne falten,

Wurd nie zu nem Amt
In Vereinen verdammt,
Weiß Rufnummern nicht zu behalten.
Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration - doch ich wurde als Kind nie getrackt,

Hab jahrelang ganz ohne WLAN gelebt
Und Alben beflissen mit Fotos beklebt,
Hab in Schaufenstern alles entdeckt.
Ich bin aus der Schlappschwanzgeneration - mit leicht atavistischem Schwanz.

Doch mein Unfähig-Sorgen
Erlöst Ihr im Morgen:
Denn Euch fehlt das Schlappe schon ganz.

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