Kulissen & das eintausendneunhundertsiebenunddreißigste Gedicht

Raum im Kunstlabor 2

Unter Zeitgenoss

Du drängst auf Bedeutung, so viel kann ich seh'n:
Fast flehentlich dräut der Befehl zu versteh'n
Ums Relevante, Importante.

Und das Nur-noch-nicht-Erkannte
Schiebt den Leichtsinn an den Rand.
Kerl, was bist du unentspannt!

Hier ist so viel Text!, Text!, Text! zwischen den Zeilen
Und fordert! Spaziergänger auf! zu verweilen.

Du nimmst statt der Dinge dich selber genau
Und salbaderst um alles Gewicht, gute Frau!

Doch der Dichtung Magie ist nicht berstender Wille,
Sondern hinter dem Zeilenschluss nistende Stille.

Notausgang & das eintausendneunhundertsechsunddreißigste Gedicht

Octavi Serra im Kunstlabor 2

Fingerübung - Sachbearbeiter A, F und S

Affenzahn und Wasserhahn,
Waffennarr und Asselschar,
Pfaffenpaar und Achselhaar,
Schaffn wa! und Wasn da?

Vatertag und Saatertrag,
Fantatrank und Satandank,
Angelfang und Walgesang,
Abfallfraß und Spartenspaß.

Hafenbahn und Rassenwahn,
Affenzahn und Wasserhahn.

Kunstlabor 2 & das eintausendneunhundertfünfunddreißigste Gedicht

Erster Raum vom Kunstlabor 2

Begrüßungsgedicht für eine Lesung im Humboldt-Lab im neuen Humboldt-Forum Berlin

Oh Gott, wo bin ich denn hier nun gelandet?

... wo bin ich, zur Hölle, denn hier nun gela-
Lalalalabor, Laboah!, Lapoah?, Laoahhh ...
Entschlossen forschend kommt‘s mir vor
Als fehlte jetzt nur noch ein My an Verständnis,
Als kratzten die Fingerchen schon die Erkenntnis,
Als hörten bereits wir den Widerhall
Vom „Mr. God, tear down this wall!“
Wir wollen das Dahinter seh‘n,
Es einzuordnen ins Versteh‘n,
Bejubeln unser Anschlusstor,
Das endlich frei gespülte Rohr!
Unser Weg aus dem Labyrinth führt durchs Labor ...
Verfolgt von einem Labrador!
Der schnappt nach Erste-Welt-Komfort
Und Nach der Natur
Auch nach unsrer Statur - Humm!
Drum: Machen wir uns ganz, ganz klein,
Woll‘n statt Labor nur Lab noch sein!
Lab, Lab, Lab, Lab, Lab - Humm!boldt
Lab top! Top Lab und Top-Labor,
La biere, la boom und Laber-Chor,
Labiles Schlappohr und Labskaus,
Schloss jetzt!
Schluss jetzt!
Ab und
Aus!

Teichanrainer 2 & das eintausendneunhundertvierunddreißigste Gedicht

Am Gänseteich vom Waldseiter Hof Bad Bentheim

Gänseklein zwei: Gans schön schlagfertig

Grad im Regen scheint die graue Gans
Ganz asphalten beim Guck in die Luft.
Dann quatscht das Grün watschend von Nicht-Relevanz
Und die Leiter des Himmels verpufft.

Teichanrainer 1 & das eintausendneunhundertdreiunddreißigste Gedicht

Am Gänseteich vom Waldseiter Hof Bad Bentheim

Gänseklein eins: Gans schön beliebt

Sobald Schnee fällt, wird die weiße Gans
Ganz stolz auf den Schnabel wie Füße.
Kürt dich erst des Gleichtons Dominanz,
Verliert das Erreichte an Süße!

Burg Bentheim & das eintausendneunhundertzweiunddreißigste Gedicht

Burg Bentheim und Bismarck-Statue

Auf Lösungen!

Ich habe heut eine sehr schöne Idee
Aufgelöst in Alkohol,
Dessen Drang nach Zerstörung ich schlecht widersteh,
Ruft irgendwo ein Vers: „Zum Wohl!“

Es blieb bloß ein Rest von Rosinenteilgröße,
Umsudelt von keimigen Seim.
Mich schämte so sehr ob der Farce seiner Blöße,
Dass ich mir erspart jeden weiteren Reim!

Rapsiges Herbstidyll & das eintausendneunhunderteinunddreißigste Gedicht

Rapsfeld bei Bad Bentheim

Landei

Es gibt Orte, da bleiben betrübende Leute
Ganz ernsthaft ihr Leben lang wohnen.
Die schütteln den Kopf, wenn die Lebenszeit meutert:
„Ich will mich mal irgendwann lohnen!“

Es gibt Orte, die saugen sich alle Bedeutung
Aus früh überlass‘nem Gebein.
Es gibt Orte, da wird man geboren als Beute -

Doch man ist, wenn man‘s fort schafft: allein.

Strandgänger & das eintausendneunhundertdreißigste Gedicht

Blick von der Festungsmauer von Essaouira

Drift

In Booten Flächen zu queren,

Die mal wild wüten,
Gischt erbrüten,
Von des Urknalls Erbe zehren,

Lehrt, den Wert des Boots zu schätzen -
Da Planes schwingt
Und zu sich winkt
Die wettergegerbten Entsetzen.

Mein Ruder taucht in stille Flut,
Der es nicht traut.

Dem Ausguck graut
Vor dem ewigen Willen der Erdplattenwut.

Islas Purpurinas & das eintausendneunhundertneunundzwanzigste Gedicht

Blick auf die Islas Purpurinas von der Festungsmauer von Essaouira

Erdal Rex

Ist die Richtung auch falsch, in die ich mich bewege -
Am Ende kommt immer das Meer.

Aber wirkt sich das aus auf die Wanderschuhpflege?
Nun ja, ich befürchte wohl: sehr.

Grablicht & das eintausendneunhundertachtundzwanzigste Gedicht

Grabstätte vom alten Nordfriedhof Maxvorstadt

Am Anfängerhügel

Ihr solltet das Hängen üben!
Denn was folgt nach erfolgreichem Schrei'n?
Lasst roll'n eurer Gegnerschafts Rüben!
Dass das Wort einer Tat rasch voraus prescht, mag sein -
Deshalb müsst ihr sie üben, die Aufhängerei -
Zieht den Strang nicht zurück, sondern fest!
Studiert unbeirrte Gefolgstyrannei
Zunächst an euch selbst mal - zum Test!

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Frank Klötgen - Post Poetry Slam - immer frische Gedichte & Fotos RSS abonnieren