Ethnographie

Kunstlabor 2 & das eintausendneunhundertfünfunddreißigste Gedicht

Erster Raum vom Kunstlabor 2

Begrüßungsgedicht für eine Lesung im Humboldt-Lab im neuen Humboldt-Forum Berlin

Oh Gott, wo bin ich denn hier nun gelandet?

... wo bin ich, zur Hölle, denn hier nun gela-
Lalalalabor, Laboah!, Lapoah?, Laoahhh ...
Entschlossen forschend kommt‘s mir vor
Als fehlte jetzt nur noch ein My an Verständnis,
Als kratzten die Fingerchen schon die Erkenntnis,
Als hörten bereits wir den Widerhall
Vom „Mr. God, tear down this wall!“
Wir wollen das Dahinter seh‘n,
Es einzuordnen ins Versteh‘n,
Bejubeln unser Anschlusstor,
Das endlich frei gespülte Rohr!
Unser Weg aus dem Labyrinth führt durchs Labor ...
Verfolgt von einem Labrador!
Der schnappt nach Erste-Welt-Komfort
Und Nach der Natur
Auch nach unsrer Statur - Humm!
Drum: Machen wir uns ganz, ganz klein,
Woll‘n statt Labor nur Lab noch sein!
Lab, Lab, Lab, Lab, Lab - Humm!boldt
Lab top! Top Lab und Top-Labor,
La biere, la boom und Laber-Chor,
Labiles Schlappohr und Labskaus,
Schloss jetzt!
Schluss jetzt!
Ab und
Aus!

Fés & das eintausendneunhundertsechste Gedicht

Blick auf die Médina von Fez

Weg der Erkenntnis

Und immer wanken Topographen
Den Wirrwarr‘n hoffnungshinterher.
Entwürfe, die sie schon verwarfen,
Zerknüllen ihr Erkenntnismeer.
„Aber Wasser ist nicht faltbar!“,
Tönt es trotzigneunmalklug -
Um Schlag Acht ist nicht haltbar
Der Versuche Neuversuch.

Westpark & das eintausendsiebenhundertfünfundfünfzigste Gedicht

Pagode im Westpark München

Die Geschichte der Ethnographie in a Nutshell

Ich komme im Auftrag des Deutungsregimes
Und stelle hier mal meinen Fuß in die Tür,
Mim' gerne den Boss eines folgsamen Teams,
Das ich durch die Rätsel der Abstimmung führ.
Ich bin topobjektivwissenschaftlichneutral -
Dies auch anzuerkennen, besteht keine Wahl.

Und doch verzeichne ich seit Tagen
Ein reziprokes Korrektiv -
Dass mich solch Feedbacks hinterfragen,
Zwingt prompt zum "Vielleicht liegst du schief?".
Hindert Fremdes in Etabliertes zu lenken,
Zwingt Nicht-Eingeordnetes anders zu denken.

Diese Demut des Schülers schult jetzt mein Gehör,
Bis der fremde Blick mir plötzlich zeigt, wo ich stör',
Weil nichts unberührt blieb vom eigenen Schatten,
Seitdem wir dem Globus Besuche abstatten.
Unsre Spuren sind nicht unverwoben geblieben
Und längstens wird zurückgeschrieben..

Was man mir jetzt entgegnet,
Wie man mich tituliert,
Und nicht alles absegnet,
Wenn man kollaboriert -
Lässt auch für mich sich als Erkenntnis verbuchen:
Dem Alleingang folgt nun Dialoguntersuchen.

Unterschiede & das eintausendsiebenhundertvierundfünfzigste Gedicht

U-Bahnhof Fröttmaning bei Sonnenuntergang

Die Mombasa Likoni Ferry Straßenfotographie

Der Ethno- wie der Fotograph
Wollen fremdes Selbstbild portraitieren -
Der eine bedient einen Forschungsbedarf,
Der Zweite beginnt zu verzieren:
Plastikblumen wie Girlanden,
Sofas voll von Stofftierbanden,
Schrillidyllmärchenschlossparkhintergründe,
Auf dass all dies nahenden Reichtum verkünde,
Wenn wir überbelichtet im Wunschbild ertrinken,
Zum Golfstaatenluxus der Bollywoodschinken.

In dir regt sich ein Widerspruch?
Das liegt an deinem Stallgeruch:
Für dich muss die Kunst mit Erwartungen brechen -
Hier strahlt sie als nie sich erfülln'des Versprechen!

Parkdecks & das eintausendsiebenhundertdreiundfünfzigste Gedicht

An der Allianz-Arena in Frötmanning

Ungläubige Zuschauer

Will die Kirche im Dorf sich erneuern
Nach dem dreckigen Kolonialismus,
Muss sie den Wert unsres Kreuzzugs beteuern
Gegen Hexen-Kannibalismus.

Wer in Glaubensfragen Abstand wahrt
Gitscht im Bodensatz unserer Werte!
Die Kluft wird schnell ein schmaler Grat
Und die Gastfreundschaft schwindet in Härte.

Denn jeder, der nicht bei uns mitglaubt, der zahle
Mit dem schwär'nden Verdacht, er sei selbst Kannibale.

Beuerberg & das eintausendsiebenhundertzweiundfünfzigste Gedicht

Eingang zur Klosterkirche von Beuerberg

Von wegen Kannibalismus

Nun ist der Kannibalismus ja nicht per se schlecht -
Man nehme zum Beispiel die Eucharistie!

Wie "Blut und Leib Christi sind da ja nicht echt!"?
Solch Zweifelbereitschaft ist fast Blasphemie ...

Servicepunkt & das eintausendsiebenhunderteinundfünfzigste Gedicht

An der Allianz-Arena in Frötmanning

Die Gilde der Ugandischen Märtyrer

All das Sterben ist ne Strafe Gottes
Und Aids die Klinge des Schafottes,
Aber wir als belesene Messe-Kadetten
Werd'n eure besessenen Seelen erretten!
Ab ins Virengeseuch diabolischer Mächte
Führt uns unser Kreuzzug und Gott, der Gerechte!

Ferne Dörfer soll'n nun in Kaskaden
Von Weihwasser und Gospel baden!
Es ist Aids das Werk kannibalistischer Hexen -
Die müssen den Trog der Verantwortung exen,
Bis aus höhnenden Körpern die Stigmata schäumen,
Wenn gottlose Bestien das Feld dröhnend räumen!

Unser Kruzifix sagt: Die führ'n Gutes im Schilde.

Ihre ugandische Märtyrergilde

Ornithologie & das eintausendsiebenhundertsiebenundvierzigste Gedicht

Amsel am Frühsommertagsabend auf dem Frötmanninger Haldenberg

Mit Verdächtigen beschäftigen

Was hat denn das früh're Modell eines Affen
Nun plötzlich mit all den Rebellen zu schaffen?!

Da dein Selbstbild spricht hehr von Kulturtranskription,
Geht das Fremdbild doch eher in Richtung Spion.

Iffeldorf & das eintausendsiebenhundertfünfundvierzigste Gedicht

Blick auf Iffeldorf vom Fohnsee

Holy Spirit Mobile Forces

Oh, durch diesen Krieg müssen die Geister uns lenken!
Denn die Siegchance der irdischen Leben
Offeriert doch zu viele plausible Bedenken
Gegen's Stöcke und Steine Erheben.

Wenn die Unsittlichkeit dieses Staats dich zerfrisst,
Komm zur Holy Spirit Mobile Armee,
Wo der Oberbefehlshaber ein Medium ist,
Stets auf Empfang gottgewollter Idee!

Ein Kommandoschrei reicht in die Sphären der Predigt:
Unser Glaube kann Berge versetzen!
Schon gewähren wir - montaner Deckung entledigt -
Den Regierungstrupps uns zu zerfetzen.

Fohnsee & das eintausendsiebenhundertvierundvierzigste Gedicht

Am Ufer des Fohnsees FKK-Strand / Osterseen

Uganda

Staatsstreich, Terror, Bürgerkrieg,
Korruption und Militär -
Auf Parade folgt Replik
Und macht alles hin. Und her.

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