Wind & Wetter

Wenn Wetter, Wind und Tageslicht sich als Gedichtthemen aufdrängen ....

Stalinallee & das eintausendeinhunderteinundvierzigste Gedicht

In einem Häuserdurchgang der Karl Marx Allee / Otto Grotewohl Grundstein

Regen in der Simon-Dach

In Berlin ist der Regen am grausten
Und treibt durch die Straßen wie desint'ressiert
An all der temporär enthausten
Unwürdigkeit, die da frömmelnd spaziert
Und irrt
Und irrt.
Und irrt.
(Man will etwas Spirit ja trotzdem erleben.)
Und immer nasser,
Blasser
Wird.
(Hier wirkt aller Abschaum nur herrlich daneben!)

Es belächelt die Stadt die zerzausten
Schöpfe, die ohne Berechtigung sind.

In Berlin ist der Regen am grausten
Und aus dir nieselt immer noch Schönheit, mein Kind!

Mainzer Rheinufer & das eintausendeinhundertzwanzigste Gedicht

Mainzer Rheinufer

Zweiter Frühling

Leise rieselt's zu tötender Schicht, die verzäht.
Sie schluckt glatt eine Stadt, die darunter gerät.

Durch die Leisheit des Rieselns zur Andacht gelockt,
Stapft manch Lausbub hinaus und wird untergeflockt.

Doch vor
Zugefror'nen Ohren
Stoppt der Eltern Schelte.

Mancher
Meint sich neugeboren
Als ein Kind der Kälte.

Rhätische Bahn & das eintausendeinhundertachte Gedicht

Rhätische Bahn

Dieser Nebel Schuld

Der Nebel hier schuldet mir so viel an Gegend,
Das krieg' ich doch nie mehr ersetzt!
Im trägen Verdacht mischt sich alles, was lebend -
Das Grau ist hier bestens vernetzt.

Das Graugewölk schuldet mir so viel an Ausblick,
Hier wurd' ein ganzer Ort geklaut!
Keinen Dunst, wie ich mich aus der Ebene rausklick -
Hätt' ich mich vorher umgeschaut!

Die Nebel-App schuldet mir so viel Erfahrung!
Nur Layer folgt Layer auf Schicht ...
Dahinter - vermutenswert - liegt Offenbarung -
Verzettelt in diesem Gedicht.

Der Nebel hier schuldet mir so viel an Gegend,
Mich führt kein Comeback wieder her!
So pack' ich als Wissen, die Schwaden umschwebend,
Ein scheues Vielleicht, ungefähr.

Smaragdspint & das eintausendneunundneunzigste Gedicht

Smaragdspint (Bienenfresser) im Yalla Nationalpark

Wintersonne

Die Sonne bei uns kommt direkt aus der Kälte,
Sie scheint beinah so klar wie frisch gekauft.

Es brutzelt vor Segen das von ihr Erhellte,
Löst düstre Gerinnsel, wohin sie auch drauft.

Nur strohflämmrig kurz ist sie zu uns gedrungen.

Doch lässt's uns die Zähheit des Zags übersteh'n,
Dass wir in den Erinnerungen
Schon durch die schweren Wolken seh'n.

Luitpoldpark & das eintausendsiebenundvierzigste Gedicht

Luitpoldpark in Schwabing

Unherbst (Flammt ein Flämmchen)

Flammt ein Flämmchen alter Wärme
Um dein kaltes Haus
Sein Gemüt voll Wellnesstherme
Schrüht vor Saus und Braus

Dabei war bei uns Lethargie allseits beschlossen
Das Rücktrittsgedudel ward weidlich genossen

Was hadert das Gedärme?

Erst proklamiert sich neue Zeit
Nun schlampt sie mit der Gültigkeit
Und mogelt sich hinaus

Grenswerk & das eintausenddreiunddreißigste Gedicht

Venlo Grenswerk in der Peperstraat

Sonnenkrieger

Und wieder rinnt die Wirklichkeit
Durch meine tauben Finger
Als sei ihre Zeit nun endgültig vorbei
Als gäb' es längst heißere Dinger

Doch schwör' ich nicht der Frischluft ab
Für eigene vier Wände
Reich' unberechenbarer Kraft
Die frisch geleerten Hände

Wo Wurzelwerk mein Salz aussaugt
Und mich Sturzbäche Regen begießen
Werd' ich, wenn sich die Welt abschafft
Die Restspur des Sommers genießen

Hochjoch-Hospiz & das eintausendneunzehnte Gedicht

Auf dem Weg zur Hochjoch-Hospiz

Im Whiteout

Nachdem der Himmel beschloss, sich einzuweißen
Schien der Erdgeschosshorizont in ihn zu gleißen
Und die Unendlichkeit rückte näher

Im Unerreichtsein schlief die Welt wie verwunden
Nur Gesichtsloses ward miteinander verbunden
Und die Unendlichkeit drückte zäher

Bis zu dem Punkt, wo alles Weiß / nicht Zustand, sondern Schicksal ist
Und jedes Ziel zum Gegenschlag / mit ungestümen Willen frisst

Kein Weg, der sich zur Richtung zieht
Beregelt dieses Nicht-Gebiet

Ein eisiger Wind kristallt: "Lebensgefahr!"
Es entschwebt alle Regung
So haltlos
So bar

Ostküste & das eintausendelfte Gedicht

Küste bei Malcesine/Gardasse

Ende der Saison

Nun hat der See sich abgekühlt
Der mich fast ein Halbjahr verführt
Dass ich wie im Wahn seine Wasser durchwühlt

Ab heute wir nur noch gerührt

Davos revisited & das neunhunderteinundachtzigste Gedicht

Davos Parsenn

Das Hoch

Noch brennt uns der Sommer ins Narkosement
Doch wir können das Wetter nicht halten
Nur loses Gewölk bandagiert den Verstand
Der Blick in die Sonne wirft Falten

Es sei unsre Welt seit Äonen geheilt
Heißt feist uns der Trägheit Versprechen
Der Nachschub wird uns in den Mund abgeseilt
Wen scheren da künft'ge Gebrechen?

Noch dümpelt der Zweifel von nirgendwo her
Es zerdrückt ihn die Schwere der Hitze
Wir fläzen uns bäuchlings zum Durchgangsverkehr
Verarbeiten all das Geschwitze

Die Sonne brennt uns in narkotisches Glück
Als vergäße die Welt sich zu drehen
Die Temperatur findet immer zurück
Und bleibt gern an Nullpunkten stehen

Abstieg & das neunhundertfünfundsiebzigste Gedicht

Sulden

Am Gipfel

Es scheitert der Blick am Nebel des Grauens
Ausgehöhlt scheinen die Pfeiler des Schauens
Nur wattige Bedeutungsleere, die Konturen ausgesaugt
Abgestumpfte, dumpfe Schwere, alle Farben ausgelaugt

Voll ergraut dräut der Ausblick und mir is'
Als schaut vom Hirn ich nur zur Iris
Was noch folgt, ist weiße Wand

Trüb vom Dunst verschlucktes Land
Des' Goldpanorama mir heute verwehrt

Was sattsam das Moll dieses Dramas ernährt

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