Miakro

Lesebegleitendes Dichten! Jedem der 45 Kapitel des Romans "Miakro" von Georg Klein entspringt ein Gedicht, zu dem ich durch irgendeine Wendung, irgendeinen Ausdruck oder sonstige Abschweifung angestoßen wurde. Keine Nacherzählung - nur stimmungsbegleitende Vershülle.

45 Sporenverheißung & das achthundertneunzigste Gedicht

In Neu-Ulm

Coda

Mit Tau und Taubheit scheint der Tag zu beginnen
Doch manches hat gar nicht geschlafen
Es bildet sich um und entäußert sein Innen
Nach Plänen, die wir nicht entwarfen
Wir sind nur die Wachen
Wir könn'n da nix machen
Was da wird, wird es an uns vorbei

Um zu seh'n, was passiert, müsste man sich jetzt wenden
Unter Druck springt die Form aller Allmacht entzwei
Aber irgendwie muss es ja enden

44 Suchwurmspitze & das achthundertneunundachtzigste Gedicht

Chorgestühl im Ulmer Dom

Den kommenden Veteranen

Das Siegreiche darf sich schon wieder verpissen
Zur Notiz noch die Anzahl der Leichen
Im Gilb ihrer Kopfhäute glitzern die Nissen
Bevor sie dann gleichsam erbleichen

Von einem Twen wird der bereits welke Triumph
Zu den alten Geschichten geschrieben
Der Jugend ist hierfür kein Griffel zu stumpf
Und sie drängt uns, sie dafür zu lieben

43 Schädelknirschen & das achthundertachtundachtzigste Gedicht

Auf dem Ulmer Dom

Stufe 1

Move on, Heinz!
Stufe eins
Hast du fast geschafft!
Ja, jetzt können deine Zehen
Schon die Treppenkante sehen!
Mann, hast du 'ne Kraft!

Kopf hoch, Heinz!
Stufe eins
Hätt'ste fast gepackt!
Wirklich nur um Haaresbreite
Ist dein Bein nach hartem Fighte
Plötzlich abgesackt

Heinz, egal!
Nächstes Mal
Gibt's another try!
Ist ja alles gar nicht eilig
Sag, wenn du bereit bist, weil ich
Helf dir gern dabei!

42 Zeitspeckschwinden & das achthundertsiebenundachtzigste Gedicht

Bozen Altstadt

Industria

Alles war Räder und Tonnen an Eingriff
Im Walzen und Dampfen giganter
Ein gliedmaßenschluckend maschinender Siff
Ein ölverschmiert glänzender Panther
Verrußter Kessel Getösestaub
Bespuckte jede Ritze der Stadt
Den Schall durchröhrte Ressourcenraub
Doch der heutige Grundbesitz zuckt nur noch matt
Selbst die Ziegelsteinbrüstung aus wulstigem Dick
Wurde substituiert von 'nem zittrigen Klick

41 Trichterbestimmung & das achthundertsechsundachtzigste Gedicht

Bozen Altstadt

Wer war's? (Der Zauberlehrling)

Wer war's, der mir das Displayglas so körperwarm gestrichen?
Wer spornte jenes Windchen an, das meinem Darm entwichen?
Wer hat denn all den Fastfoodkram ins Bäckchen mir gestopft?
Den ganzen Tag mit geistesarmen Serien zugepfropft?

Der Protokollant giftet, ich selbst sei's gewesen!

Für mich trägt das alles die Handschrift vom Besen ...

40 Rübenheldgepurzel & das achthundertfünfundachtzigste Gedicht

Weinberge Kaltern am See

Die Rübler

Wir melken jetzt Süße aus eigenem Grund! Herr Rübezahl pfeift auf Importe!
(Man könnte auch meinen, er schiss darauf - doch man braucht allen Dung nun vor Orte)

Und so kam's, dass das Zuckerrohr
Mit einem Ruck an Macht verlor ...

39 Schilfwurzelkittel & das achthundertvierundachtzigste Gedicht

Wein in Kaltern am See

Mein Lächeln

Nur weil dein Mund die volle Berechnung behaust
Werd' ich nicht mit den Lächelnden brechen
Nur weil du mit dem Zahngold die Süchtigen laust
Löse ich nicht die alten Versprechen

Ich werd' das Mimetische kritisch studieren
Und ich weiß ja durch dich, was nicht echt ist
Werd' andere Falschheiten falsch eruieren
Beteuern, dass mir es so recht ist

Ich werde unsre Parkkulissen
Nicht irr wie ein Jagdhund durchhecheln
Ich werde manch Trug im Grün einsehen müssen
Kopfschüttelnd seufzen - und lächeln

38 Nebelzeitdichte & das achthundertdreiundachtzigste Gedicht

Bozen

Am Leck

Der Nebel verwehrt nun den kundigen Griff
Mit dem sich einst Setzkästen füllten
Die Winkel verlassen das sinkende Schiff
Nachdem sie sich selber zerknüllten

37 Idiotengedenken & das achthundertzweiundachtzigste Gedicht

Friedhof Kaltern am See

Serientod

Woher rührt diese nie gekannte, rohe Unerbittlichkeit?
Aus Ungeduld mit jenem Schlussstrich, der nun nach einem Zepter schreit?

Man schonte doch das Anverwandte trotz nichtigster Verwendbarkeit!
Wann kam der Drift zum "Kann, doch muss nich!"? Wann befand man "Es wird Zeit!"?

Gott scheint bisweilen doch sehr unkonzentriert bei zu vielen Nebenfiguren
Überfluss wird dann herausliquidiert - ganz ohne erkennbare Spuren

36 Binnenbalkon & das achthunderteinundachtzigste Gedicht

Kaltern am See

Der Absturz

Kaum hatt' ich Balkon sowie Treppen entdeckt
Wurd' ich von 'nem Erdgeschoss niedergestreckt

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