Frank Klötgen – Post Poetry Slam – immer frische Gedichte & Fotos

Seit 2016. Auf Globetrotter-Slam-Tour durch bislang 36 Länder auf 5 Kontinenten

Slamgedicht


  • Oscar & das fünfundsiebzigste Gedicht

    Elbsandsteingebirge

    Gedichtstau! Wer hätte das gedacht? Von der Ost-Tour am Wochenende schweben noch fast zehn Gedichte in der Warteschleife, aber die Nummer 75 soll doch ein Langtext sein – aus der neu entwickelten Reihe der Oscar-Balladen, die davon ausgeht, dass neue Balladenstoffe den optisch übermittelten Mythen entspringen könnten. Hier, mit optischem Rückblick auf den Mittagsspaziergang in der Sächsischen Schweiz am Freitag, Teil 1 der Ladies-Edition der Oscar-Balladen:

    Nina Sayers (Black Swan, Natalie Portman)

    Du bist der perfekteste Schwan, Nina!
    Stiebt auch ins Idyllne des Lebens Intrige,
    Bleibt Deine Verwandlung im Plan, Nina!
    So stirbst du denn schließlich im höchsten der Siege.

    Reut oder freut Dich das jähe Vergehen
    Einer, die von der Spitze ins Eis eingebrochen?
    Kannst Du Dich schon in ihren Fußstapfen drehen?
    Du bist ihnen emsig entgegen gekrochen.

    Kapp Dir knapp Deine Nägel in Mamas Nest,
    Denn das Rosa der Haut – es muss unzerkratzt scheinen.
    Eine Hand wird zur Kralle, sobald man sie lässt.
    Hör wie plüschentwachsene Stofftiere greinen:

    Da ist Blut in Deinem Schuh, Nina –
    Du bist nicht die Richtige für diese Rolle!
    Man sucht das Prinzesschen, doch Du, Nina,
    Bewahrst Deine bestens bewährte Kontrolle!

    Schaffst Du es, vom Ufer Dich abzustoßen?
    Gibst Du Dich hin dem schwarzen Kleid?
    Deine Lippen sie tragen die Farbe der Großen –
    Auf Kosten Deiner Ehrlichkeit.

    Sieh dort im Spiegel die Undankbarkeiten!
    Wo ist nur Mamas Mädchen hin?
    Möchtest Du Deinen Weg via Kränkung erstreiten,
    Entnabelt für den Neubeginn?

    Stetig verrät Dich der Schorf auf dem Rücken –
    Es nährt ihn die Zerrissenheit.
    Lässt der garstige Zwang sich durch nichts unterdrücken –
    Bist du wohl zu alldem zu wenig bereit!

    Königin könntest Du sein, Nina –
    Also öffne die Flügel fürs dunklere Ich!
    Im Nest war’s behaglich und rein, Nina –
    Nun entzieh Dich der Welt, die gewacht über Dich!

    Wart nicht auf ein Morgen im alten Leben!
    Alles, was jetzt geschieht, das entlockte Dein Ehrgeiz.
    Der hat Dir seit jeher Kontrolle gegeben,
    Doch nun liegt im Schwindel der Hingabe mehr Reiz.

    Spür das fedrig Leichte der Abgründigkeit,
    Neue Lust im Urinduft der Nachtclubtoilette,
    Treib ins Leben und zeig Dich zu allem bereit,
    Zerreiß Dir die Zeh’n für die Prachtpirouette,

    Die Deinen Durchbruch markiert, Nina –
    Und endlich entschwebst Du dem neidenden Reigen!
    Noch scheinst Du uns etwas blockiert, Nina?
    Du spürst die Verwandlung – kannst Du sie auch zeigen?

    Macht das Licht wieder an – hier wird noch geprobt!
    Denn die zweite Besetzung, sie steht immer bereit
    Und Ersetzbarkeit wird nicht vom Erdball gelobt.
    So gebär Deinen Zwilling und stell dich dem Fight!

    Gib niemals zu, dass der Druck Dich vernichtet,
    Sondern zwing dich, die Augen in Blut einzutauchen!
    Du hast Deine rosige Heimstatt vernichtet,
    Um als schwärzeste Schwänin zum Angriff zu fauchen.

    Da tropft Blut von Deinem Kleid, Nina!
    Dreh Dich wie im Trance zu des Publikums Tosen,
    Genieß es als Lohn für Dein Leid, Nina,
    Lass Dich von dem Beifallssturm zärtlich umkosen!

    Der Spiegelsplitter steckt in Dir.
    Doch du hast es gefühlt: Es war alles perfekt.
    Die ganze Welt steht Dir Spalier,
    Hat den flatternden Traum eines Lebens geschmeckt.

    Du warst der perfekteste Schwan, Nina –
    Doch wird Dein Triumph hier im Siege versiegen.
    Du hast Deine Chance nicht vertan, Nina –
    Das Sprungtuch, es fing Dich. Und nun bleibst du liegen.


  • Hoch hinaus & das fünfzigste Gedicht

    Davos Walhalla-Bar

    Und schon ist das Jahr 50 Gedichte alt. Wie zu jedem Zehnerschritt gibt es einen langen, bislang unveröffentlichten Slam-Text.

    Der spätbarorokokoschokrokoladile wolkenumwobene speckige Putto

    Oh, Du spätbarorokokoschokrokoladil-
    er wolkenumwobener speckiger Putto,
    Dort im Harfen- und Engelstrompetenfanfar’nspiel,
    Hör: Ich darbe am irdischen Daseinsdreckbrutto!

    Ist denn netto für mich noch ein Plätzchen dort oben
    Im Seraphim-Cherubim-Engel-Gedränge?
    So nutz‘ ich die Restzeit, frohlocken zu proben,
    Das „Luja!“ zu schrein, Hosianna-Gesänge.

    Du und ich, Du, wir werden uns prächtig versteh’n
    (sofern dies nicht jetzt bereits unlängst gescheh’n),
    Denn scheint meine Schulzeit auch recht weit entfernt –
    Ich hab da mal neun Jahre Englisch gelernt.
    Diese bis zur Entrückung beglückende Sprache!
    Wie verirrt wirkt ihr schier irisierender Rhythmus
    Inmitten der klanglos belanglosen Brache
    Des fitnessverbissenen Frühklassizismus,
    Der auf Inbrunst verweigernder Grätendiät
    Alle himmlische Pracht und Ornate verschmäht!

    Welch Balsam ist da die Gesamtsinnlichkeit
    Deiner lausbubkeck-rosigen Pausbäckigkeit!
    Du, als leibhaft-beseelende Lichtgestalt,
    Erspar mir dies Diesseits! Wenn möglich, alsbald.

    Ich will Rokoko statt Rohkost-Flow!
    Will Goldbrokat statt Brokertratsch,
    Statt Mailterror Rocaille-Dekor!
    Gib meiner barocken Barhocker-Sehnsucht ein Nahziel,
    Du spätbarorokokoschokrokoladil-
    er wolkenumwobener speckiger Putto!

    Egal, wie man’s rechnet – ob netto, ob brutto,
    Es zeigt sich: Ich komme hier unten nicht weiter.
    Und da mein bisschen Legende schon rinnet dahin,
    Gilt mein Paternoster der Jakobsleiter –
    Die gäb‘ meinem Leben erhebenden Sinn!

    Oben robbt‘ ich dann durch Wolkenflausch,
    Durch cumulust’gen Dunst mich empor,
    Beschwingt vom ersten Manna-Rausch,
    Zur Eckfahne vom Himmelstor,
    Wo in schwungvollen Posen am Bildausschnittrande
    Tummeln sich die Puttogrüppchen
    Wie ’ne quirlige, handzahme Meerschweinchenbande,
    Ein kindlich ergebenes, fröhliches Clübchen,
    Welches mondköpfig lächelnd und entzückend verzückt,
    Lockig gescheitelt, insignienbestückt
    Mimt den Babyface-Fanclub der Erzengel-Helden
    Die da mahnen und warnen und Großes vermelden.

    Na, es ist die Cloud ein artenreicher
    Engel- und Zierratespeicher!
    Doch mir schwebt nur ein Dasein als Putto im Sinn –
    Ich denk‘, von der Größe kommt’s auch besser hin.

    Ihr schwebt so spielerisch leicht, so erlöst wie pomadig,
    So spätbarorokokoschokrokoladig,
    In nackiger Unschuld und arglosem Spiel,
    So bürschchenhaft pummlig, geschlechtslos-subtil,
    Ganz barbrüstig und unbehost,
    Nur sittsam von ’nem Tuch umkost.

    Gerne winde auch ich mich in vergoldeten Fleece.
    Doch was ich diesbezüglich bewund’re, ist dies:
    Dass, so tänzerisch auch Eure Posen,
    Ihr zeigt Euch stets auch ohne Hosen
    In alles bedeckender Züchtigkeit –
    Ein Punkt, wo Ihr echt tüchtig seid!

    Denn, sorry, dass ich das jetzt so direkt sage,
    Bei mir ist es so, dass in jedweder Lage
    Mein Togatuch zur Seite rutscht
    Und das Gemächt ins Freie flutscht,
    So dass sich mein Anblick verkürzt, gar verroht zum:
    Entglittenem Glied über pendelndem Skrotum.
    Schaut’s Publikum dann himmelwärts,
    Sieht’s immer nur ’nen Pimmelscherz.

    Ja, das ist das Los des Slam-Poeten:
    Er mag zwar große Sprüche beten
    Und in huldvoller Ehrfurcht nach Höherem streben –
    Sein Körper weiß, in diesem Leben
    Kürt die Jury Spleeniges
    Und Unter-Gürtel-Linieges
    Also leiert er von sich das alte Geschwengel
    Und feiert den Sieg als gefallener Engel.

    So entgrenzt unser Streben nach irdischer Gunst
    Sogar noch des Rokokos Ausstattungskunst.
    Doch jedes Stück, das überschmückt,
    Zum End‘ Dich wieder niederdrückt.
    Denn wer mit Entblößung sein Textfeld bestellt,
    Der erntet kein Wort zur Erlösung der Welt.
    So muss man weiter unten bleiben
    Und muntermüde Schundzeug schreiben.

    Dass ich dessen bewusst, trotzdem unverdrossen
    Und herzhaft entschlossen
    Nach all Deiner Gnad ziel‘,
    Du spätbarorokokoschokrokoladil-
    e, himmelhochjauchzende Luftgestalt,
    Ist, weil ich gelob‘ mich zu bessern, ja wirklich, schon bald –
    Ganz sicher in den näxten Täxten!
    Da halt‘ ich bedeckt, was man besser versteckt,
    Schreib‘ ’ne Spur eleganter, im Worte gewandter,
    Dass ich ohne Mätzchen und Weh mich dann kleid‘
    Für’s Plätzchen in der Ewigkeit.
    Denn Slammer sein ist nicht so schwer – but to be a putto sehr!


  • Saitenwechsel & das vierzigste Gedicht

    Regenbogen Kauai

    Wie ausgemacht, ein längeres Gedicht zu jedem Zehnerschritt in Sachen Gedichtmengensteigerung. Und ein Foto von Kauais Morgenhimmel, das leider auch schon wieder drei Wochen alt ist, aber wunderbar beweist, dass es Orte gibt, bei dem das Bildverarbeitungsprogramm mäkelt: „Und was soll ich hier jetzt noch groß anstellen?“

    Die Symphonie von der Guten Saite

    Pizzicato, summ, summ, summ –
    Das war schon das Präludium.
    Da tanzt und resonanzt es im Holz
    Zum ersten Satz: Des Streichers Stolz

    Wenn ich mein streichzartes Bögelchen führ‘
    Und mehr wie behauchend die Saiten berühr‘,
    So lausche ich flauschig in Rausch mich und spür‘:
    Dies ist wohl des Daseins vortrefflichste Kür.
    Fast kommt der aus Klängen gewobene Flor
    Mir nicht wie von Menschen Geschaffenes vor –
    Eh’r wie hehrste Sphären verehrender Äther,
    Der and’ren verwehrt bleibt – doch mehr dazu später.
    Noch soll keine Unbill mein Hinschwelgen trüben,
    Noch zeichnen wir Streicher alleine die Welt
    Auf Saiten, der’n Schwingung’n vom Üben und Üben
    Gesotten sind, dass es den Kosmos erhellt,
    Wenn wir unisono die Korpora melken –
    Von Genius, Mühen und Sorgfalt genährt –
    Und ein Wohlklang erblüht aus dem ewigen Welken,
    Der uns Audienz bei den Göttern gewährt,
    Dass man sich blass verneigen will
    Vor Kontrabass- und Geigenspill.
    So vieler Bögen Harmonie –
    Sie streichen – weich, als flögen sie!
    Gar hingebungsvoll laden der Klänge Kaskaden
    Des Labsales selig in ihnen zu baden …
    Diese Eintracht im vielstimmig gleitenden Singen
    Wenn zarghaft auf Viersaitern Streichbögen schwingen
    Wie im Spätsommerabendwind wiegende Gräser
    Und dann ertönt Satz 2: Der Einsatz der Bläser

    Wie ein Wettereinbruch, der da stürmt ohne Charme!
    Plötzlich herrscht Benjamin-Blümchen-Alarm:
    Torööö! Oh, nö – ihr ignoranten,
    Groben Bierzeltmusikanten
    Von Militär und Ufftata
    Mit Froschgesang und Jagd-Trara!
    Ihr aufgeblas’nen Backenspacken
    Versabbert Eure Lautattacken
    Mit rohrblätterröhrenden Dröhnen und Tröten
    Wie das quäkende Stöhnen verendender Kröten!
    Monströses Getöse und sudelnd Gedudel,
    Verhunzendes Grunzen sich schnäuzender Pudel!
    Ach, mundstückzerdrückt quält sich Luft zum Gelärme,
    Das auch noch den wohligsten Wohlklang durchdringt
    Und unnuanciert wie vom Blähen der Därme
    Schier kakophonisch Idyllen bestinkt.
    Mann, ihr versifftet bereits Mahlers Symphonien,
    Tschaikowski und den Lohengrin!
    Mann, haltet die Klappen – und auch die Ventile!
    Ihr Bläser mögt laut sein – wir Streicher sind viele.
    Und hat nicht der Lyra-verliebte Apoll
    Marsyas ob seines Geflötes gehäutet?
    Erschein’n auch der Griechen Geschichten leicht oll –
    Ihr ahnt vielleicht, was das für Euch gleich bedeutet?
    Es folgt wohl nicht von ungefähr
    Satz 3: Des Geigers Gegenwehr

    Ihr Hinterbänkler habt gedacht,
    Dass Ihr hier ein’n auf Lauten macht?
    Wohl, Schergen vom Orchestergraben –
    Wollta Ärger? Könnta haben!
    Ich zürne Eurem tumben Tross,
    Ihr Satyrn des Dionysos!
    So ward – im Namen des Apollo –
    Trötentöter ich, jawollo,
    Und pirscht‘ mich an – des Wohlklangs wegen –
    Die röhr’nden Hirschen zu erlegen!
    Vor meines Klappstuhls Schnappschafott
    Verstummten Tuba und Fagott,
    Oboen flog’n im hohen Bogen
    (weil sie halt nicht so viel wogen),
    Um ihre Trompeten beteten
    Die dies Getöse säteten –
    Doch alle Erben der Schalmei
    Wurd’n Blechschrott oder Kleinholzbrei!
    Und klar, auch von den Klarinetten
    War da nicht mehr viel zu retten.
    Zerbrochen die Flöten, peu-a-peu’chen,
    Bestenfalls noch Piccolöchen!
    Und den Bogen empor, deklamier‘ ich den Sieg
    Vom Widerstand – und der Musik!
    Doch nun macht das Ensemble, zu dem ich gehört‘,
    So voll theatralisch auf Wir sind empört!
    Gar strafend starrt mein Dirrigent,
    Weil irgend’ne Flötistin flennt.
    Ach, Undank ist der Welten Lohn –
    Und unsanft greift zu mir auch schon
    Ein Sicherheitsmann, der mir kundtut, ich würd‘
    Vollzugsbeamtlich abgeführt,
    Bekäm‘ zudäm, Schockschwerenot,
    Noch lebenslanges Hausverbot.
    Nun, schafft dies Stück hier noch die Wende?
    So hört die Coda: Happy Ende

    Denn nach einer Nacht, versenkt in Sorgen,
    Lese ich am nächsten Morgen
    Im Schlagzeilentau des Lokaljournalismus:
    „Schwerer Fall von Vandalismus“
    Im Konzerthaus, da wütete, so sagt der Bericht,
    Ein irr geword’ner Bösewicht.
    Doch am Ende des Artikels steht – oh, Triumph ungeahnt –
    Was mir zeigt, dass ich doch zurecht nicht gewichen –
    Dass all die Konzerte, die im Hause geplant –
    Sie würden auf unbestimmt komplett
    Gestrichen.


  • Elbstrand & das dreißigste Gedicht

    Övelgönne Strand

    Notorischer Elbstrandspaziergang von Övelgönne zum Jenischpark. Damit habe ich vier Jahre in Hamburg verbracht. Manchmal bin ich bis zur Schiffsbegrüßungsanlage durchspaziert. Etwas autistisch, aber gut fürs Texteschreiben. Apropos: Es war geplant, jeden zehnten Eintrag mit einem neuen Langgedicht zu bestücken – und direkt beim zwanzigsten Gedicht habe ich diese Vorgabe schändlich missachtet. Soll nicht wieder vorkommen, auch wenn das Schreiben von 36 langen Gedichte innerhalb eines Jahres mit Sicherheit ein zu ambitioniertes Ziel ist. Zumal in dieser Zeit auch 330 kurze Gedichte und ein Reiseroman geschrieben werden und 188 Auftritte absolviert werden müssen. Gottseidank gibt es noch ein paar unveröffentlichte Gedichte aus dem letzten Jahr, mit denen ich ein bisschen Boden gut machen kann – und die wie das folgende auch bisweilen während der Tour vorgetragen werden:

    Der Paukist

    Ja, und dann bin ich eben Paukist geworden …
    Vergiss es, Freund, dafür kriss‘ hier keene Orden!
    Weil du nur der Anderen Schlagschatten bist,
    Den man leicht auf Konzerttour am Rastplatz vergisst.
    Nun, die anderen form’n Rudel
    Mit ihrem Gedudel:
    Den Bläser belässt man ihr blasiertes Clübchen –
    Die Geiger hingegen ein eigenes Grüppchen.
    Und dort gut integriert ist ein jeder Solist –
    Da Du meist einfach solo bist!
    Und wo andere fesch sich ihr Star-Sein ergeigen,
    Sollst Du nur für’s Dasein Dich demütig zeigen!

    Ich red‘ das nicht schlecht – man ist halt der Paukist.
    Und der weiß, dass das Leben oft ungerecht ist.

    Ich steh‘, von Trommeln eingekesselt,
    Vorm Publikum, das, feist hingesesselt,
    Schon schwelgt in den Sümpfen symphonischer Welt.
    Nur ich verbleib‘ statisch, bereitgestellt.
    So wart‘ ich hier artig und introvertiert,
    Derweil ja in mir purer Rhythmus pulsiert.
    Allzu oft drang vom Rang schon der Spruch in den Graben:
    „Guck Dir den an! Den Job möcht‘ ich auch mal gern haben!“

    Mitnichten ist’s so, dass mir, ehrlich gesagt,
    Die Spärlichkeit meines Dazutuns behagt.
    Denn so stoisch ich harre, so rauschlos der Schauer
    Einer klanglich belanglosen Kurzeinsatzdauer.
    Wenn filzkopfgeklöppelt, mit gedämpftesten Ton,
    Ich treulich traktiere mein Membranophon,
    Um die Wunder, die andere munter servieren,
    Mit mumpfdumpfen Wummern zu unterminieren.
    Und kaum, dass der Wind meiner Wirbel verraucht –
    Kolportiert wer: „Na, dös hätt’s nu aa net gebraucht!“

    Ich red‘ hier nichts schlecht, ich bin halt der Paukist.
    Und der weiß, dass das Leben oft ungerecht ist.
    Aber auch, dass der Ratschlag nicht allzu viel taugt:
    „Na, hätt’st vielleicht besser Klavierspiel’n gepaukt!“
    Denn nur Perkussion ist mir Lust und Passion,
    Ganz ohne Verdruss bin ich Rhythmusstation
    Denn betracht‘ ich den Rest des Ensembles verstohlen,
    So erscheint mir ihr Treiben oft wie Kapriolen
    Von genügsamen Welpen im verspielten Gewühle –
    Das weckt in mir steckende Muttergefühle.
    Dieses Rackern der Kleinen – so gelöst wie possierlich –
    Da bin doch ein viel, viel, viel größeres Tier ich,
    Das drachengleich mit einem Schlag
    Mag richten über Nacht und Tag.

    Denn versenk‘ ich die schlägelbeschlagenen Hauer,
    So macht dieser Hit nicht nur einmal kurz Aua!
    Wenn Schlag auf Schlager die Felle erdröhnen,
    Wird dies Euch Versager komplett übertönen!
    Ganz ohne Schrei’n ist Oskar dann
    Gehörig stör’nder Ballermann!

    Schon immer lag’s in meinen Händen
    Die ganze Euphonie zu schänden!
    ’s scheint selbst die Macht des Dirrigenten
    In Schlagkraft deutlich different, denn
    Klar, hat der Herr dort ein Stöckchen dabei –
    Doch ich habe derer dann immer noch zwei!

    Bedarf es Euch Kletten noch weit’rer Betonung?
    Es rettet den Abend nur meine Verschonung!
    Denn vergäß‘ ich zu zähm’n die Zerstörungswut,
    Bekäm‘ dies dem Gehör nicht gut!

    Nun gut, nur zur Beruhigung:
    Glaubt mir, zu derart Übersprung
    Verschlägt mich nichts, oh nein, ich glänz‘
    Mit ausgeprägter Resistenz!

    Im Kesselgulag steh‘ und wart‘ ich –
    Geduldig, duldsam und schlag-artig,
    Verkaufe weiter unter Wert mich,
    Bleib‘ im Einklang und konzärtlich.

    Nein, ich spiel mich nicht auf hier – ich sag nur, wie es is‘, denn
    ’s wäre fairer sie achten auch auf den Paukisten.
    Dessen Klasse sich am Unterlassen bemisst
    Obschon da die Welt doch sehr ungerecht ist.


  • Verandern & das zehnte Gedicht

    Veranda auf Kauai

    Das Verb verandern sollte unbedingt Eingang in den Wortschatz finden. Für die Tätigkeit massiven Dichtens in einer dieses Tun unterstützenden Balkonumgebung. Muss in diesem Jahr für 366 Gedichte sorgen. Und in jedem zehnten Ei(ntrag) soll ein Langgedicht stecken. Hier also das erste:

    Das Lahmen

    Herr: Es ist Zeit
    Den Ausdruck zu stoppen
    Den Toner zu sparen
    Und schnell zu zerknüllen
    Was mir die Top Twenty der Slam-Poems waren
    Und den Pfuhl jener Suhlgrube mit zu verfüllen
    Wo glücklich wie duldsam ein Nulpenschwarm gammelt
    Und sich drückend der Schulkinderschweißgeruch sammelt
    Wo türsteherlos die Beliebigkeit sintert
    Und ein Sommerversprechen seit Jahr’n überwintert

    Längst gelähmt in Gebärden mit Mundgeruch
    Deren zärtliches Werden scheint doch Grund genug
    Für den Traum von Durchlüftung des ruhenden Geistes
    Du als stets in Entschlossenheit Flüchtender weißt es:
    Da sind viel zu viel Tiere im selben Gehege
    Ist Wille, ist Wille und doch keine Wege
    Ist man ständig auf Flucht vor den prüfenden Blicken
    Weil es weiters misslingt, Dinge weiter zu stricken

    Eh nun Nachgiebigkeit zu Verlorenheit führt
    Dich die Kraftlosigkeit junger Muskeln berührt
    Die mit Till-Schweiger-Kampfgeist Folklore betreiben
    Oder Mainstreamsud-seiernde Heilssprüche schreiben
    Und du duldungsstarr einwirfst, das bessere sich
    Solltest du besser fragen: Was zählt das für mich?

    Freundchen, öffne die Tür – denn im Haus riecht’s nach Abschied
    Und man kommt nicht umhin, hier pathetisch zu werden
    Befindlichkeitsnähe, von der ich stets abriet
    Doch hier kann nur noch Demut den Höhenflug erden
    Erst in Paradiesnähe, dann raubtierumschlichen
    Scheint weitere Aussicht Applauspflicht gewichen

    Von der Zukunft, die wir einstmals hatten
    Wurde viel zu viel schon ohne Wirkung verbraucht
    Wer soll dir denn je deinen Eifer erstatten
    Der all deine Werke wie Schimmel behaucht?
    Kein Platz besser als hier, nur: Du musst hier jetzt weg!
    Auch ein Aufbruch ins Nirgends erfüllt seinen Zweck

    Stimm jetzt nicht deine schwülstigen Kampflieder an
    Mit dem magenleidigen Rülpssopran
    Von Inbrunst und Wortkunst und Prostatafrust
    Von zu dünner Kost, Glutamat und Verlust

    Dein krähenfußgerahmter Blick
    Lässt das Rascheln naher Funktionskleidung ahnen
    Dich prägt jetzt das Schicksal und nicht mehr der Chic
    Zu altbacken klingst du beim zähen Ermahnen
    Der Onlinebestellungsretourennomaden
    Auf Konsensgewissheit verheißenden Pfaden
    Die strategisch naiv das Verwirrende meistern
    Und einander sich halbgar fürs „voll klar!“ begeistern

    Du preist den Genuss, mit dem du dich geprügelt
    Den prickelnden Schmerz wundgeschlagener Knöchel
    Doch auch deine Kampfwut ward unlängst gezügelt
    Erspar deiner Nachwelt das Vorspielgeröchel

    Was immer jetzt klemmt, wird sich auch wieder regen
    Die Welt wird wie immer von selbst sich bewegen
    Nur altgedient hat ausgedient
    Und was du da hegst, wird nie wieder begrient
    Im Haus riecht’s nach Abschied, also öffne die Tür
    Kein Platz besser als hier, doch du kannst hier nicht bleiben
    Wer sich hier verrammelt, muss wissen, wofür
    Den Mietvertrag jedes Jahr neu unterschreiben

    Wen immer du suchst – er wohnt längst nicht mehr hier
    Und das liegt ausschließlich, mein Lieber, an dir!


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