Haus & Heimat

Gedichte, die dem Thema Heimat und dem Zuhause sowie der Wohnung nebst Interieur zuzuordnen sind.

Tenghimmel & das eintausendvierhundertdreiundachtzigste Gedicht

Ausblick aus meinem Bürofenster auf die Tengstraße

Partykeller

Wie verödet sind nun unsre heitersten Säle,
Als wär'n alle Feste entflogen -
Sodass mein Erinnern, aus dem ich erzähle,
Klingt sehr dubios bis verlogen.

Räume sind nicht die gleichen mehr ohne Personen.

Dieser Satz ist so einfach addiert.
Sie behagen den Leben, die sie rasch durchwohnen -
Und danach sind sie mumifiziert.

Feldmochinger See & das eintausendvierhundertneunundfünfzigste Gedicht

Entennachwuchs am See Feldmoching

Der Bruderkuss

Nenn mir ein Merkmal, bevor wir uns trennen,
An dem wir uns zukünftig wiedererkennen,
Wenn windiger Glanz unser Strahlen verwischt,
Bis faltig und fahl sein Gedächtnis erlischt.

Präg du dir den Fingerabdruck von mir ein
Und zieh in Erwägung, ich könnte bald ein
Gänzlich verdorbenes Wesen bewohnen -
Es wird mich die Welt nicht auf Dauer verschonen.

Dann kann selbst die finsterste Zeit nicht die Schemen
Der in uns erinnerten Einigkeit nehmen.

Museumsdorf & das eintausendzweihundertdreiundneunzigste Gedicht

Hof im Wasmeier-Dorf

Im Bukolischen

Keiner könnte so fremd sein,
Dass ihn hier niemand grüßt.
Der Ort flößt ungehemmt ein,
Dass die Welt dafür büsst,
Nicht überall derart bukolisch zu sein.

Du machst dich - ironisch - mit alldem gemein.

Doch da glimmt eine Sehnsucht,
Die sich schürt zum Magnet,
Die dir bis ins Versteh'n flucht:
"Hier schnurrt ein Planet -
Und du stammst aus ihm außerirdischer Welt!"

Oft hoffst du auf Fragen, die niemand dir stellt.

Chinesischer Pavillon & das eintausendzweihundertdreiundsechzigste Gedicht

Chinesischer Pavillon im Park Sanssouci

Neocollognia (da simmer dabei, dat is prima)

Du Fritte im Gourmet-Verdauen
Du "Gib die Handy, sonst verhauen!"
Du G-Rap-Deppen-Resterampe
Du Speckgurt einer Dönerwampe
Von Billigshops durchsetzte Pampe
Mit alles Mütter, außer Schlampe
Da simmer dabei, dat is Prima-tenniveau
Doch alles nur Tarnung, hey, alles nur Show!
Wir lümmeln uns im Off so gerne
Mit offensivster Bildungsferne
Dass keine Zitty-Tip(p)sen schreiben
"Trendkiez Neukölln – die komm'n um zu bleiben."
Fürs Parabolier-Paradies
Schein'n selbst Studenten sich zu fies
So'n Sonn'nallee-Flat – na, das will doch keiner?
Mein So'n, Allah schuf auch den Mediendesigner!

Keine Grenzallee stoppt Galeristen
Trotz Allahgien sich einzunisten
Und wer vermiest den Werbe-Miezen
Ihr Siedeln in den Sudelkiezen?
Die fallen via Kreuzberg ein
Als besserzahl'nde Mietpartei'n
Spür wie der Mond ins Ghetto kracht
Wenn John uns hier Ristretto macht!

Zwischen Volcan und Volkern, zwischen Alis und Marlies
Un' selbs' die Tourischte han letztens ers' da gwis
"Na, sag ma', von wo kommscht denn du her, mein Schatz?"
"Was fragst du komm' ich her, Mann?! Platz
Ej, ich bin noch alte Assi-Garde!"

Die werd'n jetzt selten.
Jammerschade.

Rückstände & das eintausendzweihundertneunundvierzigste Gedicht

Das letzte Fass, das wir tranken

Das letzte Fass

Das letzte Fass Bier, das wir leerten,
Steht gedanklich auf meinem Balkon.
Wir war'n nicht die tiefsten Gefährten -
Doch der Durst ward nicht mürbe davon.

Das letzte Fass Bier, das wir leerten
So, als stürbe schon morgen die Chance,
Wenn wir sie uns heute nicht währten
In dem blinden Eck meines Balkons.

Der Durst ist mir seither geblieben.
Als Erinnerung, die wir gestillt.
Als Rat, dieses Dasein zu lieben,

Weil's drinnen schon bald nicht mehr gilt.

Adalbert & das eintausendzweihundertfünfunddreißigste Gedicht

Auf der Adalbertstraße in der Maxvorstadt

Der Alp

Ein Alptraum hat sich in das Sofa gesetzt
(und er wird sich nicht weiter erklären),
Hat sich schon zu Mittag mit Zweifeln vernetzt,
Die entzündlich in Platzdeckchen schwären.

Er spricht nicht mit mir, sondern brüllt nur herum,
Kritzelt Skizzen bedrückendster Klarheit.
Doch jedwede Frage belächelt er stumm
Und behechelt den Zugang zur Wahrheit.

Ein Alptraum streckt anmaßend sich in den Raum,
Fläzt sich in die gemütlichsten Kissen.
Noch hält sich die Szenerie halbwegs im Zaum
Und es wurde noch niemand gebissen.

Nordstraße & das eintausendeinhundertsechsundneunzigste Gedicht

Nordstraße in Arnstadt (unser Quartier)

Rastlos

Immer muss ich mein Heimatdorf hinter mir lassen.
Niemand stürmt auf das Gleis um zu winken.
Immer muss ich mich mit nächstem Nestbau befassen
Und mich einsam wie sinnlos betrinken.

Ich zähle tagtäglich die schwereren Fehler
(hab mich und mein Elend da niemals geschont),
Verkauf meinen Hausstand an erstbeste Hehler
Und jeder Ort sagt: Du hast nirgends gewohnt!

Schlossgarten & das eintausendeinhundertsiebenundachtzigste Gedicht

Im Botanischen Garten am Münsteraner Schloss

Verloren

Ich würd' fortan lieber in Schönheit mich ausruh'n,
Mich fläzen im reibungslosedlen Daheim!
Und was ich noch täte - ich könnt's im Zuhaus' tun
Und freut' mich gemütlich am formschönen Reim.
Ich ging' nie alleine und zeitig zu Bett,
Entnabelt auch vom Internet.

Ich hab' einen Platz für ein besseres Leben,

Doch platzier' meine Herzschläge immer daneben.

Bahnhof Ü-Holthausen & das eintausendeinhunderteinundachtzigste Gedicht

Bahnhof Überruhr-Holthausen

Alte Heimat

Verlasse Essen immer
Bei allerschönstem Wetter.
Von nun an wird's nur schlimmer
(from now on it gets better).

Ich bin in Essen ständig
Von Traurigkeit umweht.
Denn alles wird lebendig
('cause everything seems dead).

Bleib Essen stets verbunden
Und kehr zurück, ich schwör's!
Ich lecke meine Wunden
(my sepsis became worse).

Überruhr Heights & das eintausendeinhundertachtzigste Gedicht

Feld am Überruhr Holthausener Friedhof

Mit vertrautem Gesang

Wir werden zurück wie Verwundete geh'n
Und hangeln uns durch das Erinnern.
Wir werden verwundert die Uhren umdreh'n
Beim Ausschauversuch nach Gewinnern.

Es zieht eine Schwermut die Ufer entlang,
Die werden wir nicht mehr verdauen.
Wir säuseln uns ein mit vertrautem Gesang
Und wir schauen und schauen und schauen.

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