Pão de Açúcar & das zweitausenddreihundertvierundzwanzigste Gedicht

Blick vom Pão de Açúcar auf die Seilbahn und Copacabana

Rio d. J.

Stefan Zweig hat bezeugt, du seist "Alles-Zugleich",
Mal schamtrabend arm und dann urplötzlich reich.

Weil beiderlei Härtegrad nicht immerzu gilt,
Erschwindelt Idylle den Weg sich ins Bild.

Das Elend ist bunt und die Üppigkeit grün.
Die Bergketten retten dich ritterlich kühn.

Und alles bewegt sich zum Feiern.

Das bürstet die Sorgen aus keinem Kopf raus,
Und ständig tropft hier die Bedrohung ins Haus.

Da bin ich dann längst schon in Bayern.

Ipanema & das zweitausenddreihundertdreiundzwanzigste Gedicht

Am Ipanema Strand

Brasilianisch

Bisher kannte ich Brasilianisch als Sprache,
Die staccatohaft immerzu mündet in "gooooool!".
Schier endlos durchzieht mein Verständnis 'ne Brache,
Aus der ich gehetzt ein paar Wortfetzen hol,

Bis ich irgendwie restwertig glaub' zu verstehen,
Was jener Mann/jene Frau hilfsbereit singt -
Lad' selbst mein Latein ein, um Sinn zu erflehen,
Der bald darauf Mimik und Wortklang durchdringt,

Urplötzlich erschließt sich mir all das Gesagte,
Hab's schließlich beflissen als Wissen erdealt:
Man sagt hier stets - gleich, was vordem ich erfragte,
"Brasilien hat grade ein Tor ("gooooool!") erzielt."

Alle Rechte bei C. Redka für das Vereinsheim München, das das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 erstanden hat.

Einreise & das zweitausenddreihundertzweiundzwanzigste Gedicht

Am Flughafen Rio de Janeiro

Zum Geburtstag

Wenn sich ins frische Heute der Morgen erhebt
Zwischen "alles ist möglich" und "noch nichts erlebt",
Scheint das Licht wie in ewige Fadheit getunkt.

Doch in späterer Chronik
Von neuer Tektonik
Wird just jener Morgen zum "Das war der Punkt, ..."

Alle Rechte bei Kata Tolnay-Knefély, für die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 gekauft wurde.

Bodenschneidalm & das zweitausenddreihunderteinundzwanzigste Gedicht

Schaf auf der Bodenschneidalm bei Fischhausen-Neuhaus

Schneeflöckchen

Zwischen Besamung und Begattung
Behagt es aber meiner Gattung
Sich hastig fortzupflanzen,
Zu morden und zu tanzen,
Zu lernen oder erben
(dies gerne lang vorm Sterben!) -
Mal sehr erfolgreich und mal minder,
Mal mit Muße, mal mit Tinder.
Doch immer mit einigem Mitteilungsdrang
Und quasi per stets auf Publikumsfang.

Es brüstet meine Gattung sich
Mit potenziertem Wissen.
Verkürzt sich hier kein Wartestrich -
So muss er sich verpissen.

Schon eine ganze Ewigkeit
Hat meine Gattung keine Zeit.

Oide Wies'n & das zweitausenddreihundertundzwanzigste Gedicht

Im Museumszelt der „Historischen Gesellschaft Bayerischer Schausteller e.V.“

Zwischengeschlechtliches

Wie hab ich seibernd dreingeluchst,
Wo sie statt unter- ungebuxt
Ihr wabernd "so ist recht"-Geschlecht
Reich frei entfaltet ausgeflächt,
Als sei 'ne Reihe von Rekorden
Für neue Ären einzunorden.

Hab so stark drauf- wie dreingeäugt,
Dass jetzt voll Gram mein Blick sich beugt
Und nach solch warmen Halten sucht,
Die spaltenarme Zeit verflucht -
Als sei die Folge von Genüssen,
Dass Weitre weiters folgen müssen,
Um seinen Pegel auch zu halten
(und in der Regel geht's um Spalten).

Doch heut, vor dir zu sehr bebuxten
Schaff ich's nicht mal zur verdrucksten
"Magst du dich ma auszieh'n?"-Frage
Für die Mild'rung meiner Lage.
Ich witt're hier klar ein Gebiet,
Das unenthüllt mich runterzieht -
Anstatt du's mit dem Büxlein tust!

Worauf des Glücks Verzückt-Sein fußt.
Magst du gemäß solch' Sehnen
Die Hosenbünde dehnen?

Schlüsselblume & das zweitausenddreihundertundneunzehnte Gedicht

Im Garten der Schlüsselblume Eschwege - das letzte Jahr!

Entschieden resigniert

Dort schließt was. Und da schließt was ab.
Es neigt, was Fläche war, hinab -
Das zeigt sich nicht dem Sehen!

Man nennt Termine, löscht den Grund,
Zuckt seufzend mit den Schultern und
Ist schon dabei, zu gehen.

Fundbüro Wuppertal & das zweitausenddreihundertundachtzehnte Gedicht

DB-Fundbüro in Wuppertal, von neuen Bewohnern gefunden

Zu lang geschwiegen

Zu lange schweigen
Heißt: Rhythmus vergeigen,
Abseits zu landen vom einstigen Reigen

Zu lang zu schweigen
Bedingt abzusteigen,
Heißt: Weißheit verbeigen,
Zertretene Zehchen,
Heißt: irgendwie sich ohne Nirgends verlier'n,
Dringt letztlich gesetzlich als Leerstand ins Hirn
Und kommt zum Ende nicht zur Ruh.

Trotz Likes zeigt sich dann Blut im Schuh.

Aaltostrom & das zweitausenddreihundertundsiebzehnte Gedicht

Aalto-Theater in Essen mit Nachbarschaft

Unter Essen

Meine alte Hood untergrundbähnlich zu queren
Und ihr irgendwie schändlich den Rücken zu kehren,
Zeigt, wie sehrstens entleert meine Seele schon ist
Und wie wehrlos sich manch eine Ära vergisst.
Da all ihr Wert nährt ein gemeines Verrinnen
Im Zärteln der Mär, es tät Neues beginnen.

Schoch tauch ich hier ab mit der Zeit, die ich habe -
Auch leidlich bereit für den Ausblick im Grabe.

Domig & das zweitausenddreihundertundsechzehnte Gedicht

Fassade vom Kölner Dom Entree

Zum Vierteljahrhundert

Die Fliehkraft früh'rer Ewigkeiten
Zähmt längst 'ne Überschaubarkeit -
Und schon sind 25 Jahre
Ein handlebares Maß an Zeit.

Das scheint im Rückblick sich zu weiten
Zu 25mal ein Jahr -
Doch chillt die stillen Jubiliare,
Wie sehr erfüllend jedes war.

- - -

Mein persönlicher Ratschlag für Johnny und Ciesel:
Seid wie Bonnie und Clyde mit 'nem Tank voller Diesel!

Alle Rechte bei Melanie Rohrbeck, für die das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 gekauft wurde.

Neuer See Tiergarten & das zweitausenddreihundertundfünfzehnte Gedicht

Film auf dem Neuen See im Berliner Tiergarten

Im Widerstreben

Ich werde womöglich mich nie dran gewöhnen,
Dass man sich an alles gewöhnt.
Sollt' ich denn dem Pool der Gewohnheiten höhnen,
Wenn alles in mir klagend stöhnt?

Seiten

Frank Klötgen - Post Poetry Slam - immer frische Gedichte & Fotos RSS abonnieren