Haus & Heimat

Gedichte, die dem Thema Heimat und dem Zuhause sowie der Wohnung nebst Interieur zuzuordnen sind.

Grimentz Dorf & das zweitausendeinunddreißigste Gedicht

Im alten Dorfkern von Grimentz

Transhumanz (Der Wächter)

Nach dem Lehrer folgt nun auch der Priester dem Tross
Hoch hinauf zu den satteren Wiesen.
Eine letzte Tür fällt mit Geknarr in ihr Schloss
Und der Herr wird noch einmal gepriesen.

Meine Wacht wird der Stachel der Einsamkeit quäl'n
Bis zur Rückkehr von kürzeren Tagen.
Derweil werd ich mir selbst was von Heimat erzähl'n
Beim Zertreten der Saat aller Fragen.

Tiergehege Wichteltal & das zweitausenddritte Gedicht

Bewohner vom Tiergehege Wichteltal

Im Überruhrer Wichteltal

Und wieder fällt des Dichters Wahl
Aufs Überruhrer Wichteltal.
Dort wird er von Erinnerungen
Wie wortwortwörtlich angesprungen,
Verbindlich beim Spazierengehen
Mit Findlingen aus Vers versehen,
Dort rührt ihn Ruh und sinnt Kontur -
Am Treidelpfad zu Überruhr!

Tegernseeufer & das eintausendneunhundertfünfundachtzigste Gedicht

Seepromenade Tegernsee

Jesses, jetzt ist Weihnachtszeit!

Wenn die Blagenmeute schreit:
"Wir woll'n mehr Behaglichkeit!" -
Jesses, dann ist Weihnachtszeit!

Fachet an der Kerzen Lichter!
Wärme strahlt als Erbstreitschlichter
Und das Wachs glänzt golden.

Ruhe liegt im sanften Flackern -
Uns soll nach dem trüben Ackern
Sinnlichkeit besolden!

Brennt das Haus dann lichterloh,
Ist das auch sehr sinnenfroh.

Wenn ob der Geborgenheit
Sorgen sich die Rettungsleit' -
Jesses, dann ist Weihnachtszeit!

Seinesgleichen & das eintausendneunhundertneunundsiebzigste Gedicht

Flamingos im Zoo Berlin

Das letzte Blatt (Herbst im Salon)

Die ausgeteilten Karten
Hat sie nicht mehr aufgenommen.
Daneben, längst verkommen:
Die mit Ehrfurcht aufbewahrten
Pralinés (und nicht Pralinen
Sagt - wer preisbewusst - zu ihnen)
Von der Firma mit dem Namen
Und dem Flair vergang'ner Zeit,
Da ein Bridgetisch steht bereit
Für Partien von großen Damen
(Die sich niemals Frauen nennen
Und an Pralinés erkennen)

Und stoisch wirbt dieses verdeckte Blatt,
Da die Fotos von ihr längst verblichen.
Nichts von einst gepflegtem Trott findet noch statt
Und der Glanz der Callets ist gewichen.

Selbstversorger & das eintausendneunhundertvierundsiebzigste Gedicht

Hasenfänger Statue vor der Zooschule im Berliner Zoo

Heimatkunst

Die High Art of h(e)art geknufft
Heißt hier Bratkartoffelduft.

Middle of E & das eintausendneunhundertsiebenundfünfzigste Gedicht

Essener Hauptbahnhof

Vor abermals verregneten Scheiben

Und mit jedem herbstnen Regenfall
Berichtigt sich mein Blick.

Verschwommen tropft sich auf ein Wall,
Ein unvernomm‘ner Klick
Linkt zurück ins Graueinst - nunmehr ein Idyll.
Behauptet als Raubein, steh stad ich und füll
Die Welt in den Mauern von zu kalten Scheiben
Wie ein verzwergtes Jenseits auf.
Jenes lässt vom Elan sich längst schlechter vertreiben -
Ich nehm‘s als Alter gern in Kauf,
Da das Jetzt wie zum Trotz sich mit Unverstand schmückt,
Eine kindliche Bootsfahrt mich stärker entzückt.

Bis ich dämmrig mich mit diesem Fazit versöhn:
Mein Leben war - nicht ist - noch schön.

Rapsiges Herbstidyll & das eintausendneunhunderteinunddreißigste Gedicht

Rapsfeld bei Bad Bentheim

Landei

Es gibt Orte, da bleiben betrübende Leute
Ganz ernsthaft ihr Leben lang wohnen.
Die schütteln den Kopf, wenn die Lebenszeit meutert:
„Ich will mich mal irgendwann lohnen!“

Es gibt Orte, die saugen sich alle Bedeutung
Aus früh überlass‘nem Gebein.
Es gibt Orte, da wird man geboren als Beute -

Doch man ist, wenn man‘s fort schafft: allein.

Basilika & das eintausendneunhundertsiebzehnte Gedicht

Basilika der Ausgrabungsstätte Volubilis

Der verspätete Frühjahrsputz

Es war so, dass
Wir beim großen Frühjahrsputz nur

Ein paar Spinnen die Netze zerstörten.
Wir inhalierten Hausstaub pur,
Wir kauten wohin wir gehörten
Und war'n schweißnass.
Es war ja so:

Da eine nahe Bess'rung glomm
Aus dem Fakt, dass wir uns so bemühten,
Erglaubten wir uns stur wie fromm:
"Noch nicht Sichtbares lässt sich erbrüten!".
Von irgendwo

Rief plötzlich vermeintliche Reinlichkeit "Schnapp!" -
Wir jubelten einig und klatschten uns ab.

Eine Armlänge & das eintausendachthundertdreißigste Gedicht

Statue "Eine Armlänge", Erwin Olaf "Unheimlich Schön" in der Kunsthalle München

Abwischabsichten

Wenn ich putze, bau ich auf gnädige Flecken. -
Denn die, die mir trutzen, um härter zu necken,
Verlachen mein Scheuern als krasses Versagen
Und zwing'n mich, die Sache erneut zu vertagen.

Keinfoto & das eintausendsiebenhundertachtundsechzigste Gedicht

Im Obstgarten von Schloss Schleisheim

Ausgemistet

Dass oft besuchte Plätze nun
Für andre Leute gelten,
Dass deine Daseins dun-
Kel sich vereinen auf ein Selten,
In dem sich Rückkehr unerfüllt
Als leer gestreckter Leib enthüllt -

Dies alles macht dir jäh bewusst:
Im Fazit überwiegt Verlust.

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