Gebäude & Urbanes

Gedichte, in denen Gebäude und Bauwerke oder städtische Areale die Hauptrolle spielen.

U1 Westfriedhof & das eintausendfünfhundertsechsundsiebzigste Gedicht

Der U-Bahnhof Westfriedhof in München

U-Bahnhof Westfriedhof

Am U-Bahnhof Westfriedhof stehe ich
Ein Stockwerk unter den Toten.
Als Philosoph verschmäht man sich -
Ich verpass mir die schlechtesten Noten!
Hier loggt sich die Endstation doppelt ein,
Uns buntbeglast zu erhellen,
Stoppt dich in der Verlockung, dein
Wirken über die Toten zu stellen.

Kultiviertes Wohnen & das eintausendfünfhundertachtundsechzigste Gedicht

Seiteneingang zur Borstei München

Der Wohltäter (aus "Aufgestaut")

Ich ermittle, vermittle citynahe Objekte
Für ein altengerechtes Wohnen -
Sprich: Ich platziere Noch-nicht-von-der-Erde-Bedeckte
In unsere Fußgängerzonen.
Denn denen ist die Ebenerdigkeit
Wie ein Beet im Garten Eden!
Denen blüht die Zweite-Frühlingszeit
In unrentablen Läden,
Deren "Sorry, wir schließen!"-Schild wir gern verschmerzen
Für barrierefrei-glückliche Best-Ager-Herzen!

Doch noch stellt sich gegen den Einzug der Alten:
Die sinnlose Masse der Kleinkrämerläden!
Wo jeder sich fragt: "Wie könn'n die sich da halten!?" -
Die macht Tradition egoistisch und zäh, denn
Ej, was legitimiert hier bei strenger Betrachtung
Die Meisterhandwürste aus eigener Schlachtung?!
"Da werde ich immer mit Namen begrüßt!" -
Und mit Charme wird die arg kleine Auswahl versüßt.
Nur: Der Shop um die Ecke ersetzt dort kein Bett -
Und wozu gibt's eig’ntlich das Internet?!
So sperrt sich stur der Einzelhandel
Gegen der Gemeinschaft Wandel!

Doch nie sammeln sich Wartende vor einem Laden -
Nur vorm Postamt, die Online-Retouren-Nomaden,
Die reihen sich täglich, Paket an Paket,
Als sichtbarer Trend, der auch künftig besteht!
Mir als Kaufmann gebührt es nicht, das zu verdammen -
Ich zähle da nur eins und eins mir zusammen
Und gelange recht schnell an die erste Million!
(Wohl zum ersten Mal, dass diese Läden sich loh'n.)
Statt Buchhändler, Feinkost- und Weinmost-Anbieter
Verdien'n unsre Straßen solventere Mieter!

Noch räkeln sich dort Bussi-Bussi-Boutiquen,
Doch muss man nicht erst deren Kontostand leaken,
Um als Fazit zu ziehen: Das geht sich nicht aus!
Wenn ein Gläubiger anklopft, muss eh alles raus!
Denen hängt schon die Schuldenlast modrig im Nacken -
Von mir kommt das Angebot, schneller zu packen!

Ich mein’, es gibt Dinge, die ich für gemein halt' und schlecht -
Doch dies ist nur ungemein altengerecht!?

Fuggerei & das eintausendfünfhundertsechsunddreißigste Gedicht

Straßenzug in der Fuggerei von Augsburg

In der Fuggerei (67 Klingelzugvarianten)

Der Fuggerei'sche Klingelzug
Gibt dir im Dunklen Recht und Fug,
Dass dieser Eingang Deingang ist
Und kein Empfang zum Nachbarzwist,
Nachdem du eine Bar behisst.

Dass nie wer "Fuck, vertan!" nachts schreit
Ist wahrhaft Einzugartigkeit!

Wusterhausen & das eintausendfünfhundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Bahnhof von Wusterhausen (Dosse)

Abendspaziergang durch Wusterhausen

Der Dorfplatz erwartet sehr stumm noch Idylle,
Da des Springbrunnens Vorfreude hüpft, unbeirrt.
Ich schlend're fast lautstark durch Frühabendstille,
Süß umsummt von Gewissheit, dass nichts mehr passiert,
Was klug ausgemessene Schönheit berühre,
Die sich aus der kommoden Verlassenheit speist
Und manche auf Immer geschlossene Türe
Ob der Melancholie ihres Ausharrens preist.

Wie lang kann das abweisend Raue verstecken,
Eh ein zweiter Fontane den Zugang verrät?
Wie nötig ist seinem Bestand ein Entdecken,
Wie gewollt solcher Abstand zur Normalität?

Der Dorfplatz verschluckt mich all diesen Gassen,
Nur des Springbrunnens Unruhe löscht das Klischee.
Die Straße der Schifffahrt scheint doppelt verlassen -
Teil des Kleinods, umschlossen von Dosse und See.

Waldsee Zehlendorf & das eintausendvierhundertneunundsechzigste Gedicht

Spiegelungen im Waldsee in Berlin Zehlendorf

Die Grauen (wenn's jauchzt am See)

Im unverdienten Haus im Grünen
Grienen all die Erbschein-Hünen,
Reich beferkelt von den Bachen,
Die so herzergreifend lachen,
Wenn dem Herrn ein Witz gelingt

Und ein Borstenblitz durchdringt
Hehr schwerstgrau das Grüne

Um Blagen, Braut und Hüne.

Schleißheim & das eintausendvierhunderteinunddreißigste Gedicht

Neues Schloss Schleißheim

Schlossparksymmetrien

Mein Augenmerk ergeht sich in
Der Schlossparksymmetrie.
Bald schöpft sich Welt aus einem Sinn,
Im Heil der Dioptrie.

Die Barken der Sichtachsen nehmen mich auf,
Es kreuzen sie Ufer um Ufer.
Ein schnurrender Grundriss beschmust meinen Lauf,
Umsäuselt vom Planquadratrufer.

Ein akkurat' Simultankanon-Geblüh
Bewahrt eine ferne erlernte Idee,
Spielt streng die Verspieltheit, doch löst sich von Müh'

Und ist, wird und war Allerjemals' Allee.

Anse Coco & das eintausendvierhundertzwanzigste Gedicht

Anse Coco auf La Digue

Gestrandet in Corona

So menschenleer die Strände war'n,
Sind nun die Straßen auch.

Darf nirgends in den Urlaub fahr'n,
Bin des Radius' müde,
Hass' die Bordsteinumrandung.

Wenn der Rausch einer Brandung
Nun gen Meer einlüde ...

Doch in allen Wipfeln kein Hauch.

Lebendschachfeld & das eintausenddreihundertsechsundneunzigste Gedicht

Marostica Hauptplatz

Immernächte in Berlin

Für jede Minute der Nacht ist gesorgt,
Das Krakeelen im Schacht hört nie auf.
Berlin hat sich alldies höchst unfair geborgt
Und hält mit dem Selfiestick drauf.
Aber all dies ist da - in den Winkeln vom Echt
Hält es bis kurz vorm Tiefschlaf mich wach!
Hier muss Welt nicht schön sein und auch nicht gerecht -
Sie versorgt uns verlässlich mit Krach.

Marostica & das eintausenddreihundertfünfundneunzigste Gedicht

Alte Stadtmauer von Marostica

Du Idiot! (Die chinesische Mauer)

Dauernd
Mauernde Chinesen
Als im Bau tätige Wesen
Hab‘n der Welt
Dies hingestellt -
Heute sind‘se maosetot.

Schau‘s dir an, du Idiot!

Unterwasser & das eintausenddreihunderteinundneunzigste Gedicht

Venedig Blick gen San Marco

Holz

Ein Volk von Annodazumal
Rammte hier einst Pfahl um Pfahl
Tief ins sumpf‘ge Erdenreich,
Dass der Stämme harte Leich‘
Stütze eine ganze Stadt,
Im Abgetauchtsein konserviert,
Für Ewigkeiten einplaniert.

Selbst den Mittelpunkt der Welt
Hielt hier, wie es jetzt noch hält:
Holz, dem aller Stolz gebührt,
Nie von Sauerstoff berührt.
Was sich oben abgespielt,
Wer da was mit wem gedealt -
Alles fand und fand nicht statt.
Was oberflächlich int‘ressiert
Ist immer schon recht bald krepiert.
Doch ewig stählt das Meer den Thron
Aus eingepfähltem Immerschon.

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