Erde

Verse für die Melancholiker, denen man Erde, Herbst, Abend, Erwachsenenalter zuordnet.
Die besinnlichen und leisen Gedichte.
Von Aphorismen bis zur Vanitasdichtung.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Zweiseitig & das zweitausendzweihunderteinundachtzigste Gedicht

Blick von Greenwich auf Canary Wharf

Bist du schon zweigeschlafen?

Es steigt der Bedarf, seit zusammen wir wohnen,
An Partnerschaft salbenden Schlafpositionen.

Der Zweisamkeit Bekräftigung
Schafft selbst im Schlaf Beschäftigung.

Towerbridge & das zweitausendzweihundertachtundsiebzigste Gedicht

Relondoned

Und London ist nach all den Jahr'n hier stetig Stadt geblieben,
Nur wir hab'n unsre Zeit nach Dort dann andernorts vertrieben -
Und die will in Gesichtern sich nun sichtbarstens entfalten.

Die Städte sind noch immer ganz und wir jetzt auch: die Alten.

Verfall in Gebrauch & das zweitausendzweihundertzweiundsiebzigste Gedicht

Verfall und Weiternutzung in der Altstadt Havannas

Absch(l)ussprüfung

... und von jedem Punkt drift' ich in Abschüssigkeit:
Gesundheit, Beruf wie Genuss schlürft die Zeit
In ungute Bewegung.

Als Ziel ihrer Betätigung
Gilt viel meiner Entledigung -
Bei minimalster Regung.

Mein Mitdabeisein scheint der Welt
Wohl längst nicht mehr als Muss.

Bevor man wirklich fehlte, fällt
Im Ab der Schuss zum Schluss.

Frangipani & das zweitausendzweihundertfünfundsechzigste Gedicht

Frangipani oder Tempelbaum im Melia Buenavista in Cayo Santa Maria

Form Follows Drunken

So ein Whirlpool im Frangipani-Wald
Wär doch mal sehr cool, hab ich grad gelallt.

Eh, dass dies sehr betrunk'ne Bild
Ward von der Wirklichkeit gestillt.

Kubaspecht & das zweitausendzweihundertsechzigste Gedicht

Kubaspecht - Endemit der Großen Antilleninsel Kuba

Des Anspruchs Los

Ich bin wahrscheinlich
Allzu kleinlich -
Das tut mir selbst am meisten leid!

Manchmal wein ich,
Scheint's auch peinlich
Um die Welt verschmähter Zeit.

Alle Rechte bei Annika Blanke, die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 von mir gekauft hat.

Carolina & das zweitausendzweihundertachtundfünfzigste Gedicht

Blühender Pseudobombax ellipticum und Antillengrackel

Strg + V, analog

Nach monitorbeschienener Zuhausebleiberei
Bin ich jetzt vom Empfang erlöst und sowas von dabei.
Und jeder Tropfen Blut in mir
Verneunfacht seine Stärke,
Es strömt sich eine Flut ins Hier
Voll neu erdachter Werke.

Weshalb hab ich mich je entwöhnt
Vom längst gewussten How-to-do?
Warum bloß hab ich mir verpönt
Das "Heute schau ich nur mal zu!"?

Je weiter ich nach draußen drift',
Je mehr erfasst mich Sinn,
Ich tippe nur noch via Stift
Ins echte Mittendrin.

Alle Rechte bei Katja Reichert-Bloch, für die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 von mir gekauft wurde.

Westendstraße & das zweitausendzweihundertfünfzigste Gedicht

Gebäude der alten Augustinerbrauerei in der Westendstraße

Ermüdungsbrüche

Ich suhle und besudel mich in Ungewöhnlichkeit,
Stöhn immer etwas langgeweilt und falle aus der Zeit.

Ach, könnte ich für irgendwas
Mich zweimal interessieren!
Ach, fänd ich mal an etwas Spaß
Nach lebenslangem Gieren!

Kenn keinen Unterscheidungsgrad
Von Lebensqualitäten.
Mir ist egal, worauf ich wart -
Es kann sich nur verspäten.

In mir verschwendet, ohne Not, sich unaufhörlich Leben.
Doch wird's mich bis zu meinem Tod, sehr unbeeindruckt, geben.

Adenauer-Brücke & das zweitausendzweihundertneunundvierzigste Gedicht

Die Konrad-Adenauer-Brücke nach Essen-Überruhr

Besuch im Daheim

Essen-Überruhr, hört man, verbiete es mir,
Es meinen Geburtsort zu nennen.
Man lädt mich zwar jedes Mal ein auf ein Bier,
Doch nur, um sich von mir zu trennen.

Mich dürstet es so nach dem Wiegengefühl,
In alter Gewissheit zu baden -
Schon schließt tumbes Modernisierungsgemühl
Den letzten verbliebenen Laden.

Man schläfert hier jeglichen Anhaltspunkt ein.
Nur ich kann doch nicht alles erinnern!

Dann bittet man rüde, mich rechts einzureih'n,
Im Rudel von echten Beginnern.

"Ich bin hier geboren!", rumort es in mir
(die S-Kurve immer im Blick),
Geb weder verloren den Ort und das Hier
Und schlurf durch den Ruhrwiesenschlick.

Wiedererwachen & das zweitausendzweihundertsechsundvierzigste Gedicht

Frühlingserwachen am Alten Nordfriedhof München

Glam der Flucht

Nach einer Saison unterm Mullbindenhimmel
Schrei'n meine Augen nach Strand -
Verödetes Licht kriecht durch Grauen und Schimmel,
Die Lichtung heißt: anderes Land.

Oh, seliges Dösen mit Sand an den Füßen
(die eben noch Socken verpackten)!
Ich streich aus erröteten Postkartengrüßen
Die allzu genüsslichen Fakten.

Ja, vertaut die Vertrautheit verdunkelter Welten
Gern felsenfest in meinen Häfen -
Es dämmert der Glam von dem emsigen Selten
Mir fernschönstes Licht in die Schläfen!

Venedig-Idyll & das zweitausendzweihundertvierundvierzigste Gedicht

In den Gassen Venedigs

Ahn/Recht

Die Nichtahnbarkeit mancher Wunder
Ficht Alltäglichkeit gar nicht recht an.
Mich zieht als ein Knospen-Erkunder
PofAhnbarstes in seinen Bann.

Ich weiß, es steht Vorsatz-Entzücken
Als Rauscheinheit niemandem zu,
Doch anbeetungsfreudiges Bücken
Behauptet sich tolldreist als Clou.

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