Das von Bergkettenbändern gebändigte Land
Hechelt am Knebel der glänzenden Seen
Und ständig fließt irgendwas über den Rand
Und Ängstlichkeit reift längst zum bangen Versteh’n:
„Vorm Deifi sind wir hier im Tal niemals sicher!“
Und höhnisch erklingt auf den Höh’n ein Gekicher
Rauscht eisekalt brausend als Windstoß hinab!
Vom See schweigt Kühle wie ein Grab
Es fröstelt tief in allen Seelen
Die hier fromm ihr Leben fristen
Und oft sich mit der Frage quälen:
„Weshalb kommen die Touristen?“
Ein Gedicht zu einem der vom Aussterben bedrohten Worte.
Die Grisette
Der Hausmeister grüßt dich oft offensiv freundlich
Die Zugehfrau mustert dich weniger nett
Die komplette Studentenschaft würde nicht scheu’n, dich
Zum Tanz zu geleiten – doch leider, Grisette
Bleibst du heute Nacht wohl allein auf dem Zimmer
Dessen Miete du selbst begleichst, monatlich, immer!
Wer könnte von all den dich scheltenden Damen
Behaupten, für ihr Leben selbst zu bezahlen?
Es nährt sich ihr Stolz an des Ehemanns Samen!
So soll’n sie mit schäumenden Leumunde prahlen
Und sich drei Moralstufen höher einrichten –
Über keine von den’n würd‘ ich je ein Wort dichten!
Doch man lädt mich jetzt oft zu Gesellschaften ein
Die sind sich für deine Gesellschaft zu fein …
Dass niemand mehr bleibt, um mit dir heut zu tanzen
Erfüllt dich mit Wehmut im Großen und Ganzen
Doch kennst ja die Maschen von jederMann:
Sie schell’n gleich morgen wieder an!
Drum gräm dich nicht weiter und leg dich ins Bett –
Denn das gehört dir ganz alleine, Grisette!
Für die Unterkategorien dieses Blogs braucht es ein paar Blogunterkategorieerklärungsgedichte. Hier das erste – zur Erläuterung des Begriffs Zweizeiler.
Zweikampf
Zwei Pfeile feil‘ ich, voller Gift
Und coach‘ sie mit ’ner Überschrift
Es runzeln die bewölkten Tage
Mit altersschwachem Esprit in die Welt …
Erfreu uns am Tran dieser gräulichen Lage
Inszenier dich in Dunstschwaden, strahlender Held!
Denn wie fahl und apathisch, wie schleierumgarnt
Die Himmelslast nieder wälzt – jeder hier ahnt:
Auch größere Düsternis ist schon verflogen!
Ripostegedicht auf Der römische Brunnen von Conrad Ferdinand Meyer.
Der römischere Brunnen
Es prasselt, es pläddert und plätschert und spritzt
Und sammelt sich erst auf der untersten Stufe
Sind Stile der Wasser kreativ bis gewitzt
Sprudelt es über und drüber! Ich rufe:
Ey, kennt keiner den Herrn Meyer mehr?!
Den Becken-Eins-bis-Drei-Verkehr?
Was soll sich hier an Sinn entfalten
Wenn keine Wasser innehalten
Und nicht ihr Fluss zur kurzen Rast
Von Marmorschalen wird gefasst?
Wenn alles nur strömt und gar nichts mehr ruht
Ist das für das Image des Brunnens nicht gut!
Dies hat sich seit Jahr’n als Metapher bewährt …
Wie schon der Herr Meyer höchst trefflich erklärt
Was hab’n wir nicht alles schon tot hier begraben?
Und nichts hallt noch nach, bist du, Freund, nicht Museum
Doch du bist nicht Museum – Museum? Du nicht
Wir zwäng’n uns in engste Erinnerungswaben
Und all unsre Bilder und Schilder, die Wildheit
Fall’n eine Welt später nicht mehr ins Gewicht
Das Dutzend ist voll: zwölfte Berlin-Reise in diesem Jahr.
Berlin ist das
Berlin ist Spatz
Blaue Baugrubenröhren (oder in rosa)
Ist „Gab mal viel Platz …“
Und gluckst: „Nachtruhe stören!“ (als Allzweckbühne für die Poser)
Ist seit Jahr’n auf der Kippe
Und immer noch Punk
Historiengerippe
Seziert für das Hippe
Riskiert als Xanthippe die ganz dicke Lippe
Mit stets einer Brise Kloakengestank
Wenn du willst, stillst du hier noch den irrigsten Durst
Wenn du still bist, ist vieles ein Irrtum und Wurst