Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Amsterdam & das hundertundzweite Gedicht

Gassen Amsterdam

Mit gewogenen Grüßen aus Amsterdam.

Mähliche Engelnähe

Ich kann nun mal nicht ändern, dass
Ich ständig ans Gemächt mir fass'
Erst dann füll' deine Kaffeetass'
Ich mach' das alles nicht zum Spaß!

Die Welt ist halt kein Wunschkonzert
Und manches läuft hier grundverkehrt

Es sind Massen betroffen von Hunger und Kriegen
Wie soll ein Poet all dies Elend besiegen?

Doch, Baby, lass dir deinen Glauben
An eine bessre Welt nicht rauben!
Ich finde es bewundernswert
Wie dich dein Optimismus ehrt

Und klebt auch jetzt noch dann und wann
Am Tassenrand ein Sackhaar dran
Ich stopp das - eines Tages, maybe
Wir können Dinge ändern, Baby!

Substanz & das neunzigste Gedicht

Substanz Poetry Slam

Zurück in München. Zurück im Substanz. Mein zwanzigster Auftritt dort. Damit mein am zweithäufigsten besuchter Slam. Und ein Auftritt steht dieses Jahr gar noch an.

Slam und Substanz

Schau, die Macher schöner Worte
Locken wieder an zum Orte,
Wo in langen Warteschlangen
Hintenan harrt hart am bangen:
Wer da zum Durchquer'n der Pforte
Eine Bahn zu spät gewählt -
Wird wohl nicht nicht mehr 'reingelangen,
Weil beim Slam das Timing zählt.

Dort drinnen durchdringt das Gedränge im Raum
Ein Ohrenmuschelkuschelflaum,
Dass bald im Strahl der Wortkaskaden
Nackige Gedanken baden.
Schön berauscht von Show und Schaum
Krönt man einen Slam-Nomaden.

Mal gewinnt was haltlos Grelles,
Manchmal auch was Substanz-ielles -
Slam-Ruhm ehrt den Star nie lange
Und verweht auch allzu schnell. Es

... ist um eins nur keinem bange:
Ewig währt die Warteschlange.

Easy Isar & das zweiundachtzigste Gedicht

München Isarauen

Die zweite zweitägige Tourpause, die zweite Erkältung. Warum muss man sich gerade dann, wenn man sich erholen sollte, am dreckigsten fühlen? Zumindest das Isarufer hat sich von einer freundlichen Seite gezeigt, den folgenden Text aber nicht verhindern können.

WeltLebenArschloch

Hallo, altes Arschloch Leben!
Magst du mir wieder Saures geben?
Das schier mich in die Knie zwingt
Und scheue Euphorie durchdringt
Bis von dem Takt der Niederschläge
Ich zermartert, lull und träge
Kraftlos und berapplungsmüde
Letztlich optimismusprüde
Niederstrecke meine Waffen?!

Denkst du echt, das könnt'st du schaffen?

Anstatt mich hier ständig zu terrorisieren
Solltest du endlich die Welt korrigieren!
Die auch vom Trog des Daseins frisst
Und so wie du ein Arschloch ist

Niederhone & das siebenundsechzigste Gedicht

Eschwege Niederhone

Schlüsselblume Niederhone. Hier war ich schon zu Gast beim ersten Poetry Slam, als die alte Metzgerei samt Gasthaus gerade frisch bezogen und alle Räume noch mit Retro-Trends setzenden Altlasten gefüllt waren. Zeugnis einer vergangenen Ära, die auch ihre Träume hatte.

Das Zicklein

Komm schnell aus dem Kasten der Standuhr hervor!
Das Schicksal wird sich noch nicht heute entscheiden
Zum Nachtisch entspannt sich der Konquistador
Leichte Brisen berieseln die Knospen der Weiden

Diese Stille ist trüglich
Drum Kindchen vergnüg dich
So lang noch der Schatten dem Tageslicht weicht
Denn Später ist später
Und das Glück ein Verräter
Dessen seltsame Sippe den Dachsbau umschleicht

Was heute selbstverständlich ist
Verleugnet, dass es endlich ist

Ein Stier hat die Tür unsrer Standuhr verriegelt
Im Korridor steh'n lehmverkrustete Schuhe
Ein Glockenschlag später ist alles besiegelt
Und über den Wipfeln der Bäume herrscht Ruhe

Berlin & das sechsundsechzigste Gedicht

Berlin RAW-Gelände

Soloabend in Berlin. Leider zum letzten Mal im Corbo, das Ende April die Pforten schließen muss. Ein Anker weniger in der alten Heimat.

So ist mir Berlin

So ist mir Berlin doch ein andres geworden
Vertrauliches staut sich vorm Abfluss der Nähe
Will mich meine Stadt heut per Dresscode ermorden?
Es bleibt mir verborgen, was ich hier gern sähe

Man muss nicht erblinden
Weil Dinge verschwinden
Wärst du wieder hier
Würdst du anderes finden

Die Stadt heißt dich, brandneue Schätze zu heben
Du stolperst, als müsst es die alten noch geben
Die Gehwegplatten sträuben sich
Schon gerät das Flanieren dir gegen den Strich

So ist mir Berlin doch ein andres geworden
Ob der Blick vom Balkon plötzlich unvertraut ist?
Jede Nacht unterquert von der goldenen Horden
Erneuertem Sog, hängt er da und vergisst

Vancouver & das neunzehnte Gedicht

Mein Vergehen: ein Aufenthalt in Kanada für nur einen Tag. Die Strafe: drei Stunden Warten im Special Customs Bereich. Die Folge: ein halber Tag Aufenthalt in Kanada (postcustoms Bereich). In der Hauptrolle: eine uniformierte, begriffsstutzige, klassenfeindliche Latino-Pagenkopf-Bitch. Falls ihr ihr durch Zufall mal beim Passportcheck in Vancouver begegnen solltet, beschimpft sie heftigst von mir. Es war mir vor Ort bei dem Preis von 100.000 $ einfach zu teuer.

Vancouver

Du entspannteste, chilligste Queen aller Städte
Wär etwas mehr Zeit mir geblieben, ich hätte...
Hätte...
Hätte...
Zwischendurch etwas Sushi gegessen
Hätte...
Hätte auch mit Sicherheit
Hab dann aber nicht - die Zeit!
Mein Aufenthalt war kurz bemessen

Im Endeffekt blieben ja nicht mal zwölf Stunden
Grad genug, um die Uhr, doch nicht dich zu umrunden
Und fünfeinhalb davon hab ich auch noch verpennt
Mal aufs Smartphone geschaut, ob mich noch jemand kennt...

Wie man es auch dreht
Ich war fern vorm Genug
Nun ist es zu spät...
Bis zum nächsten Besuch!

Strand & das siebzehnte Gedicht

Waimea Beach

So langsam heißt es Abschied nehmen von der Winterauszeit und Tourpause auf Hawaii. Vancouver wartet. Aber 18 Zeilen widme ich noch schnell dem Meer, das mich in den letzten Tagen so nett geschaukelt hat.

Tropfen und Salz (Gott erhalt's!)

Willst du Weite erschnüffeln, so riech dich ins Meer
Wo die prickelnde Gischt schlürft am Pendelverkehr
Und ein mistiger Nebel den Strand überstreift
Dass nasales Erahnen gen Horizont schweift

In der Luft hängt das Atmen der Walfischbäuche
Und unerforschte Tiefseebräuche
Hakeln Krakententakel im Gesträuch der Korallen
Wenn Galapagosechsen in Weiden sich krallen
Aus Algen, Algen, kalter Lava

An Riffen geschliffene Schiffskadaver
Und Fische, bunte Fische, Hai
Inselkitsch frisch aus Hawaii
Umsäumt von traumerwärmten Palmen
Und satt umschwärmten Planktonalmen
Vom Nasentrakt tropft's in den Hals:
Das aller Suppen Ursprungssalz

Spreiz aus deine Flügel und atme das Meer ein
Du wirst dieser Weite wohl nie wieder näh'r sein

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