Von Außen wird alles wie Freizeit ausseh’n
Wenn wir vom Gedicht zum Kalkül übergeh’n
Auch wenn wir uns längst schon am Magnum-Cup kühlen
Soll es sich für andre wie Zufall anfühlen
Man muss uns als gleichgesinnt interpretieren
„Ja, wir geh’n – wie ihr – hier nur gerne spazieren …!“
… ich schlittere also unaufhaltsam zum Gedicht Nr. 250. In Demut.
Quastgedicht
Und wieder bin ich nur Plakat
Kein Vers, der gärt zum Attentat
Kein Reim, der keimt im Bällebad
Und steht den Wille-Stil-Spagat
Denn wieder bin ich nur Plakat
Und abermals bin ich Plakat
Bin Habermas und Dekanat
Bin strukturiertes Destillat
Im selbst verhängten Zölibat
Schlussendlich immer nur Plakat
Och!
Doch:
Wo halbgegart heißt noch zu scharf!
Besteht noch viel Plakatbedarf
Traut euch hinein in dieses Gedicht!
Könnt ihr euch benehmen, erschlägt es euch nicht
Sonst setzt es Haue wie einstmals bei Etzel
Ein beschauliches Gemetzel
Wie „Das woll’n wir doch mal seh’n!“?
Mancher wird’s wohl nie versteh’n:
Wer würd‘ in ein lyrisches Ich investieren
Könnt‘ dies nicht das lyrische Euch massakrieren?
Es schwamm mal ein verstörtes Reh
Des samstags durch den Wörthersee
Ach nee, ich seh:
War gar kein Reh
Vielmehr ein Stör, den ich verreht
Des‘ Redlichkeit nun jäh verdreht
Weil ich so Wörter, die ich seh‘ –
Von denen some ich nicht versteh‘ –
Mit Tags verseh‘, die immerhin
Ergeben – wenngleich schwammig – Sinn
Doch grade hör‘ ich – quel malheur!
In Wirklichkeit war’s auch kein Stör
Da ich nun her- und hingekramt
Verbleibt der Vers voll sinnverarmt
Und entspricht als Gedicht – so gedacht‘ ich im Stillen
Absolut nicht meinem Willen
Blick vom Zürichhorn. Und ein Plädoyer für das störungsfreie Bedichten:
Der See
Tausend Sonnen blitzen im Wellen-Geschwappe
Hundert Himmel bebläuen den Horizontboden …
Ein Entenpaar schnattert: „Ach, halt deine Klappe!
Wir hassen der Dichter Erpressermethoden
Ihr solltet euch schämen mit euern Bebildern
Den Eindruck von Schönheit so schändlich zu lenken!
Als sei die Empfindung nicht anders zu schildern
Als wär’n die Herrn Dichter nur fähig zu denken!“
Ich nicke sanft, schenk‘ ihnen Brot
Das Gift drin wirkt vor Abendrot
Und schwer wie Blei senkt sich die Ruhe
Auf das abendplane Rund
Das Gequake und Gebuhe
Schweben durch den See gen Grund
Vom Balkon der erhöhten Maxvorstadt ins Netz gesetzt.
Zeugen der Dichtung
Ich habe mein Heim nicht über den Dächern
Sondern siedle bescheiden im Dache
Wo Vogelvisiten betäuben und krächern
Beobachtungszögerlich, was ich da mache …
„Na, Gedichte, du Piepe! Und zwar über dich!“
Das Angesicht zu Angedicht
Behagt den frag’nden Vögeln nicht
Und solch Fokusse fürchtend, verpissen sie sich
Vollmai’sige Prachtidyllen allenthalben. Insbesondere ein paar Regionalbahnhalte vor München.
Dichtung und Wahrheit
Ersinn‘ dir den ruhigsten Garten der Welt
Wohin sich kein Ton der Verrohung gesellt
Wo das sprießende Grünen im Überfluss quellt
Und sich blütenschwer Zweige in Windstille wiegen
Wo idyllisch ein Schweigen die Farben erhellt
Alle Pflichten im Schoß dieses Rückzugs versiegen
Wo die Aura der Stille die Quengler verprellt
Bis das drängelnde Draußen sich selber erschießt
Nur noch Vogelgezwitscher jed‘ Kampftöle bellt
Sich die Schönheit der Schöpfung dem Auge ergießt
Dort, wo sich ein Vers für den Eindruck verstellt
Es gäb‘ diesen ruhigsten Garten der Welt
Schlecht drauf, oder was? Erste Abrechnungen – und das zum Nicht-Mal-Zenit der Tour?
Über Fragen
Fragst mich, warum ich Menschen hasse?
Weil sie diesen Moloch der geltenden Masse
Bilden
Ungebildet bleiben
Eingebildet übertreiben
Frag mich, wieso sollt‘ ich wohl weiterhin schreiben!
Weil das Doofe der Welt sich fragen soll:
„Was hört der Kerl nicht einfach auf?“
Die Blasierten der anderen Seite sich voll
Echauffier’n soll’n: „De Aff‘ schafft’s net wekklisch hier nauf?!“
Und so gedopt, verheiz‘ ich mich
Dass nichts je meinem Eifer glich
Erst, wenn alles schreit: „Hey, wir könn’n nichts erkennen!
Da muss doch was sein?! Sag, was müssen wir wissen?“
Werd‘ ich mich von dem Schreiben trennen
Schweigen. Vor – letztlich versandenden – Rissen