Neue Serie: Riposte-Gedichte. Heute zum Rilke-Gedicht Herbsttag
Herbst#
Zerr‘ her ein „-heit“! Unsre Zeit schreibt sich groß.
Weil ja jede Befindlichkeit Thema sein muss,
Und lass den Schreibfluss der Blogger drauf los.
Jedem Laut erlaub‘ laut Endung ein Vollwort zu sein;
Gib allen den Glauben an eigne Geschichten
Lass die Spuren zum öligen Ich sich verdichten
Und füll mit Geheule die Fässer für Wein.
Wer jetzt noch nicht drin ist, der kommt nicht mehr rein.
Muss allein mit den Eltern im Facebook-Chat bleiben,
Kann eh ma‘ zum Thema nur lamen Kram schreiben
Und wird App-umrauscht alleene sein
Nicht checkend, was die andern treiben.
Man hört im Sud des Rochens Röcheln
Den Ruth und ich in Kochel köcheln (blogfreie Version: im Kochtopf köcheln)
Und auf dem aufgeklappten Beitisch
Zappelt sichtbar noch ein Haifisch
Wie ich aus der Delphinen-Schule
All die Innereien pule!
Weiter hinten macht es Zisch:
Ruth frittiert den Tintenfisch
Da gab es ja doch schon sehr viele Gerüchte
Wir äßen niemals Meeresfrüchte
Dass unser beider Kost allein
Bestünd‘ aus totem Ochs und Schwein
Uns vielleicht noch Getier mit Gefieder errege …
Ich mag Franz Marc und das Mark der Tomate
Trag oftmals Schwarz und ertrag manche Schwarte
Ich nag nich grad am Hungertuch
Und bade nackt – doch nu genug!
Guck dir noch meinen Penis an –
Sag, willst du mich zum Ehemann?
Idylle am Grazer Hauptbahnhof. Später wurde es ungemütlicher.
Der Zuggereiste
Die von Platznot befohlene Sitzposition
Lähmt mir alle Glieder von Anbeginn schon
Verfinstert mir seither das Dasein per Dauer
Und blinzelt gerissen zum dräuenden Aua!
Die despotische Herrschaft des Unausgestreckten!
Der aus Muskelfleisch tränende Drang nach Bewegung …
Diese fiese Gewalt am in Ketten gesteckten
Körper in regungslos tauber Erregung
Der in die Polster rückenschwitzt
Als Plattgedrückter grollt. Und sitzt.
Werd‘ mit Schwung beim Treppensteigen
Es den jungen Deppen zeigen
Mustanggleich die lahmen Fohlen
Schon zur Halbzeit überholen
„Kuxtumann, wie krass der flitzt!“
Dann entschwind‘ ich, nass geschwitzt
Grad, da aus dem Grazer Ratssaal
Graf Zahl alles, was aus Stahl
Stahl
Sprachen barsch die Stadtbarone
Und die Grazer Grazien: Ohne
Gnade gelt’s derart missratene Grafen
Mit Zahlung gar all ihres Bargelds zu strafen
Und gewahr der Gefahr vor noch smarteren Taten
Darf nach Grazer Art die Straf‘
Garstig hart und arg geraten
Stippvisite zum Geburtstagsslam in Dresden. Leder ging die Sightseeing-Zeit diesmal für Leipzig drauf, deshalb muss der Neustädter Bahnhof als einziges Motiv herhalten
Odysseus
Bindet mich an den Mast der Stadt!
Ich mag den Sirenen lauschen …
Will seh’n, welche Farbe mein Sargboden hat
Mich an südlichen Rogen und Drogen berauschen!
Sichert mich sorgsam vorm Sog der Gefahr!
Und sei’s mit der Schlinge vom Strang …
Denn, wer in das Auge der Inbrunst nie sah
Der lebt seit Geburt schon zu lang!
Bahnhof Leipzig Mitte. Tief gesunken, groß geraten.
Genug
Heikle Schnitte durch die Kehle
Vorlaufdritte, Ukulele
Angepisste Islamisten
Schleimhautzyste, Popos fisten
Kopftuchnot der Rechtsmuslima
Pokemon und Konfi-Beamer
Infernal und Staatsgewalten
Alle mal die Fresse halten!