Crossover-Ripostegedicht zu Rilkes „Wenns Frühling wird“ und „Karneval“ von W. Busch.
Im Frühling, zu Karneval
Wenn sich die Narren und Vernarrten
Im Faschingsrausch zusammenschließen
Und frühe Paarungsträume sprießen,
Die Säfte in die Schäfte fließen,
Konfettis aus Kanonen schießen,
Will ich mein Innerstes begießen
im Biergarten.
Nun schunkeln sich die Unbepaarten
In unmaskiert beschwipste Tänzchen,
Umwedelt von betrunk’nen Schwänzchen,
Bedrängt das Schnaps-statt-Kaffeekränzchen
Kamelien- und Kamellepflänzchen.
Was blüht hier wem beim zarten Lenzchen
im Biergarten?
Wenn heimwärts wir durch Trübsinn waten,
Gestützt von andren Kotztümierten
Und Luftgeschlängelei-Verzierten,
Zähl’n wir, die so nach Frühling gierten,
Zu vorschnell in den Herbst Verirrten
Samt Hausverbot bei vielen Wirten
von Biergärten.
Such ich im Onlineformular
Mein angetrautes Lebensjahr,
Scroll ich bis in den Keller.
Und auf dem Weg seh ich die Weiten
Frisch begonn’ner Lebenszeiten –
Die haben’s sehr viel schneller!
So ist die Jugend flott bereit
Fürs unschuldige Tollen.
Derweil muss ich (nicht ohne Neid)
Noch ungeduldig scrollen.
Ich drille wie ein Dirigent,
Der die hinter ihm spielende Welt gar nicht kennt,
Die meinem Blick ergeb’nen Werke
(und lob das Ausmaß meiner Stärke) –
Tu dies vielleicht verlor’n.
Ich schaue nie aufs Publikum,
Nenn es ungestüm vorschnell mal bräsig, mal dumm,
Doch leb davon, ihm zu gefallen
(als schwierigster Sollwert von allen) –
Von dem Punkt, ab dem man das Meer sehen kann,
Gilt für mich alles als Strand.
Und dass man auf sowas nie zählen kann, Mann –
Das hab ich auch schon erkannt!
Wo niemals Erfüllbares Horizont ist,
Mühst du’s vergebens zum Fakt.
Ich steh, derweil du noch Entfernungen misst,
Hier schwimmbereit, einsam und nackt.
„Mein werter Autor, haste nich
schon über mich genug geschrieben?!“
„Mag sein, doch scheint mir jedes Mal,
Du lässt erneut mir keine Wahl:
So klein, so groß, dass es entspricht,
Sind Autor und Gedanke nicht –
Und viel scheint unerwähnt geblieben!“