Fotos aus München, seit 2014 Stammsitz der Reimerei Klötgen. Unzählige Auftritte während der Tour 2016. Und danach quasi alleinige Dienststelle in Sachen meiner Poesie.
Lieber Liegefahrradfahrer,
Ich als Kommentar-mir-Sparer
Staune doch, wie unverdrossen
Du dein Liegefahrrad fährst
(völlig ratschlagsresistent)
Und dich klingelnd (permanent)
Gegen deine Restwelt wehrst.
Aus gern überseh‘nem Tal
Zetert deine Unterzahl
„Hallo, Vorfahrt?!“ unverzagt,
Jäh umrahmt wie überragt
Von jenen Verkehrsgenossen,
Die sich auf dich eingeschossen,
Um vereint sich zu empören.
Dich allein scheint‘s nicht zu stören –
Du drehst weiter flach die Runden,
Forderst deine Rechte ein,
Rohrspatzmäßig, unumwunden –
Vorsatz: Mich kriegt keiner klein!
Wer sich legt mit Liegern an,
Kriegt‘s zu tun mit Kriegern, Mann!
Mancher Zwist bremst viel zu schlicht sich –
Diesbezüglich liegst du richtig!
Ich biete heut die Bettelschale
Umgedreht dir dar –
Dies nimm fortan zum Warnsignale,
Dass ich nicht mit Gna-
De deinen Grund der Schuld abzahle,
Tat’s vordem ich zwar –
Jetzt bleibt der Almosendienst dir verwehrt,
Ich bleibe mittellos, du bist entehrt.
Oh Kraftwerk, oh Schalttafel, oh Apparat!
In euch dampft der Mythos vom Neuaufbruch,
Der Schneisen von frischer Erkenntnis und Tat.
Gebräuchlicher Fortschritt schien nicht nur ein Spruch,
Sondern ein vernehmbarer Einspruch zu sein –
Doch hielt man dies bald durch Vernehmungen klein.
Der Euphor ob berauschender Dienstbarkeit
Von Kraftwerk, von Schalttafel und Apparat
Las sich als Vertrag einer harmfreien Zeit.
Doch unter dem Hoffnungsflor gärte die Saat
Von Gartenerträgen der Mähdrescherei,
Der Umbruch versiegte in mehr Tyrannei.
In das Jahrhundern der Hoffnungsmaschinen
Entfaltet sich wieder der Glaube daran,
Möglichkeit könne der Möglichkeit dienen
Für das mähliche Nähern vom Irgendwann.
Doch Tastflächendruckkraft verschließt nicht die Naht
Zum Kraftwerk, zur Schalttafel, zum Apparat.
So viel Leute, wenig Plätze …
Mitten in der Meute ätze
Ich: „Is‘ klar – die Deutsche Bahn!“
Geistentleert im Größenwahn.
„Boah, ich krieg‘ hier noch die Krätze!“,
Deklamiere ich und hetze:
„Könn’n wir jetzt mal weiterfahr’n –
Oder was is‘ hier der Plan?“
Doch:
Nicht ein Ton beseelt die Sätze,
Einzig Mimik taugt als Petze.
Das mag ich der Welt erspar’n –
Zu erfahr’n, dass ich’s nicht schätze:
Viele Leute, wenig Plätze.
Ganz unverwandt steht da ein altes Gedicht,
Das in mir fremder Sprache spricht,
In dem unwiderlegbare Vaterschaft ruht –
Und doch in all der Outputflut
Mir völlig unerfindlich bleibt.
Sei es, dass man jetzt verbindlicher schreibt,
Sei es, dass mich dieser Abstand verstört,
Weil noch nicht daran gewöhnt,
Dass ein Text sich so entwöhnt
Und allein sich selbst gehört.
Sicht auf die Berge mit den Augen der Unfallchirurgie
Die Stadt mit die Berge am Nahrand, da wohn‘ ick –
Entstellt von die Narben der Plattentektonik.
Da ist man einst voll aneinander gerasselt,
Hat dem Schöpfer den Plan einer Planheit vermasselt.
Die Wunden vom Crash außen wulstig verteilt,
Abgetupft mit Wolkenschaum –
Die Stadt ist selbst sehr gut verheilt
Und die Berge davor, hey – die sieht man doch kaum!
Aus der milchgesichtigfahlen Masse
Ragen sie wie Alhambren empor.
Es strahlt ihr Charakter im stillen Geprasse,
Es ist ihre Gegenwart reiner Komfort.
Sie umschillert die lässigste Würde
Und versagt ihrem Einfluss den Tusch.
Kein Geltungsbedürfnis befällt sie als Bürde,
Weil ihr Selbst so verständlich ist, ganz ohne Pfusch.
Im Überhast nannt ich uns Geistesverwandte,
Doch bin nur ein Mensch, der das Original kannte.