Frank Klötgen – Post Poetry Slam – immer frische Gedichte & Fotos

Seit 2016. Auf Globetrotter-Slam-Tour durch bislang 36 Länder auf 5 Kontinenten

Einakter

Alles, was zwölf Zeilen überschreitet.


  • Weißbüschelaffen & das zweitausenddreihundertfünfunddreißigste Gedicht

    Sagui- oder Weißbüschelaffen auf der Ilha Grande

    Spätes Nachsitzen

    Nun bin ich schon älter als einst meine Lehrer
    Und frag‘ mich, was brächt‘ ich mir bei?
    Wo fänd‘ ich den Zugang als Wissensvermehrer
    Fürs üb-liche „Give it a try!“?

    Schlurfende Gedankengänge,
    Ohne Drall nach vorn –
    Ob der Morgens-Aufsteh-Zwänge
    Allen Flow verlor’n.

    Konnten all die Pflichtlektüren
    Mich zu den Gedichten führen?

    Zumindest: Es wurden die Pfade gelegt
    Zu Beeten, die seither man selbstbewusst pflegt.

    Behaupt‘ ja gern und stur, ich hätt’s
    Mir selber beigebracht –
    Liest das jetzt der Herr X, ich schätz‘,
    Dass er nur herzlich lacht.

    Nun bin ich schon älter als einst meine Lehrer
    Und wie ihnen ist mir heute klar:
    Es log meine Show als Aus-Trotz-Aufbehrer,
    Wie formbar ich doch damals war.

    Alle Rechte bei Hans-Peter Franz, der das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 erstanden hat.


  • Bodenschneidalm & das zweitausenddreihunderteinundzwanzigste Gedicht

    Schaf auf der Bodenschneidalm bei Fischhausen-Neuhaus

    Schneeflöckchen

    Zwischen Besamung und Begattung
    Behagt es aber meiner Gattung
    Sich hastig fortzupflanzen,
    Zu morden und zu tanzen,
    Zu lernen oder erben
    (dies gerne lang vorm Sterben!) –
    Mal sehr erfolgreich und mal minder,
    Mal mit Muße, mal mit Tinder.
    Doch immer mit einigem Mitteilungsdrang
    Und quasi per stets auf Publikumsfang.

    Es brüstet meine Gattung sich
    Mit potenziertem Wissen.
    Verkürzt sich hier kein Wartestrich –
    So muss er sich verpissen.

    Schon eine ganze Ewigkeit
    Hat meine Gattung keine Zeit.


  • Oide Wies’n & das zweitausenddreihundertundzwanzigste Gedicht

    Im Museumszelt der „Historischen Gesellschaft Bayerischer Schausteller e.V.“

    Zwischengeschlechtliches

    Wie hab ich seibernd dreingeluchst,
    Wo sie statt unter- ungebuxt
    Ihr wabernd „so ist recht“-Geschlecht
    Reich frei entfaltet ausgeflächt,
    Als sei ’ne Reihe von Rekorden
    Für neue Ären einzunorden.

    Hab so stark drauf- wie dreingeäugt,
    Dass jetzt voll Gram mein Blick sich beugt
    Und nach solch warmen Halten sucht,
    Die spaltenarme Zeit verflucht –
    Als sei die Folge von Genüssen,
    Dass Weitre weiters folgen müssen,
    Um seinen Pegel auch zu halten
    (und in der Regel geht’s um Spalten).

    Doch heut, vor dir zu sehr bebuxten
    Schaff ich’s nicht mal zur verdrucksten
    „Magst du dich ma auszieh’n?“-Frage
    Für die Mild’rung meiner Lage.
    Ich witt’re hier klar ein Gebiet,
    Das unenthüllt mich runterzieht –
    Anstatt du’s mit dem Büxlein tust!

    Worauf des Glücks Verzückt-Sein fußt.
    Magst du gemäß solch‘ Sehnen
    Die Hosenbünde dehnen?


  • Abflugbereitschaft & das zweitausenddreihundertundzwölfte Gedicht

    Unsere an die Gentrifizierung verlorene Wohnung in der Tengstraße 4.

    Die Nachmieter

    Schon sitzt die Waffenindustrie
    Bei mir auf dem Balkon
    Ich war so sehr „Mich trifft es nie!“ –
    Das hat man nun davon!

    Die wringt jetzt bald ihr Pimmilein
    In den verwaisten Bottich
    Und etabliert das Unverzeih’n,
    Malt alle Zukunft grottig.

    Schon sitzt die Rüstungsindustrie
    In meiner schnieken Wanne –
    Zwar abgetaucht, doch sicher nie-
    Mals eingeschäumt vom Funne,
    Denn wir einst lieblich ausgekost‘.

    Jetzt bürstet sich der Rüstungsrost
    An Herrn von Zu’stens Pimmilein.

    Ich wärm mich an mein‘ ärmlich‘ „Nein!“.

    Wenn brünftig Euch auch Segen narrt,
    Ihr Günstlinge der Gegenwart:
    Das, was ihr mir genommen,
    Berangt ihr nicht,
    Verzwangt ihr nicht –
    Ihr werdet’s nie bekommen!


  • Paketposthalle & das zweitausendzweihundertfünfundneunzigste Gedicht

    Die ehemalige Paketposthalle nordöstlich der Friedenheimer Brücke

    Die Ansprache (Etappe 2: Unausgesprochenes)
    Teil des Großgedichts „Hier ruht unsre viel zu früh von uns geschiedene Dorothee-Cosima“)

    Ein Balsam von Wörtern ergießt sich in Worte
    Und hinter uns schließt sich Elysiums Pforte.
    Oh, könnte ich sie bloß versteh’n –
    Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
    Jedoch die Wucht der Sehnsucht raubt
    Mir alle Sprache aus dem Haupt –
    Und den Versuch, sich auszutauschen
    Umwuchert rasch ein Sinnesrauschen.

    Jener warme Wind Ihrer Wortproduktion
    Ist All wie -gegenwärtig –
    Er strahlt auf mich Vasallenlohn -,
    Dies Adressat-Sein ehrt mich!

    Doch nun, da Ihr mich angesprochen,
    Hab‘ ich doch nicht grundlos hier Lunte gerochen?!
    Schon kann mein Begehr’n alten Träumen nicht gleichen –
    Vordem Unerreichbares will nicht mehr reichen!
    Der Traum muss Exzess sein – er koste, was wolle!

    Im steten Erheben beim Streben nach mehr
    Entreißt’s alle Rösslein vom Zaum der Kontrolle –
    Was stillt ihren Willen und wo nehm‘ ich’s her?!
    Ermächtigt sich Unflat des weit’ren Betragens? –
    Das ist im Behagen die Frage des Fragens!

    Die Räudigkeit solcher Gedanken bereuend,
    Doch weitere Hürden und Schranken nicht scheuend,
    Kann ich nach Geneigtheit verheißenden Zeichen
    Nicht unversuchend von Euch weichen!

    Will nicht ein schaurig-schwüler Duft
    Grad Eurem Kleid entsteigen?!
    Ist’s nicht, dass süß das Schößlein ruft,
    In Blöße sich zu zeigen?!

    Vielleicht lenkt mich ein Missversteh’n –
    Ganz sicher ist’s mir anzuseh’n,
    Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
    Der Bindestrich entwindet sich
    Und nennt sich fortan Trennungsstrich.
    Er bricht unser Gesprächlein ab,
    Stößt jäh mich Elenden ins Grab!

    Zwei edlen Namen galt mein Sehnen –
    Und jeder wähnt mich abzulehnen!
    So endet alles offenbar,
    Oh, Dorothee! Oh, Cosima!
    Ein Mehr an Verkehr werdet Ihr mir nicht schenken –
    So bleibt nur, dies selbst mir zusammenzudenken!


  • Neubeginn & das zweitausendzweihundertvierundneunzigste Gedicht

    Wasserhühnchennachwuchs am Schliersee

    Der Anblick (Etappe 1: Vorherzusehendes)
    Teil des Großgedichts „Hier ruht unsre viel zu früh von uns geschiedene Dorothee-Cosima“

    Ein duftiger Anblick ist ihre Haut,
    So sondergleich und eben,
    So bis zum Anschlag aufgefraut –
    Mein Herzschlag naht dem Beben!

    Es tuscht die Wangen rosigrot,
    Wenn unsre Blicke kreuzen –
    Welch Abgrund und welch tosend‘ Not,
    Wie’s ruft aus feuchten Käuzen,
    Die aus dem Tagschlaf wachgerupft
    Schreckgroßäugig urplötzen!
    Karnickelig mein Herz durchhupft
    Der Drang, sich zu ergötzen.

    Oh, Dorothee! Oh, Cosima!
    So fröstelndmollig unnahbar
    Nehm‘ ich Euch ungebeten wahr
    Und Ihr mich in Gewahrsam,
    Wo ich gefährlich wehrlos bin –
    So hin und weg, so weg und hin,
    So reich beschenkt wie sparsam.

    Wie wird mir nur? Wie an der Schnur
    Verrinnt mein Sein zu Körper pur –
    Absonderlich wie sonderbar,
    Oh, Dorothee – oh, Cosima!
    Ihr Doppelnamenbindestrich
    Macht folgsam zum Gesinde mich …

    Mit Euch verbindlich anzubandeln?
    Trotz der Ehrfurcht vorm sperrigen Namensgeflecht?
    Welch Anmaßungsgrad würd‘ solch‘ Plane gerecht –
    Müsst nicht die Welt sich wandeln?

    Doch dies‘ Spürchen an Hoffnung zieht mich in den Bann –
    Dann schürzt sie die Lippen und, Gott!, spricht mich an!


  • Hasengraben & das zweitausendzweihundertfünfundachtzigste Gedicht

    Der Hasengraben zum Heiligen See im Neuen Garten Potsdam

    Retro

    Die Sitzecke hat ausgedient,
    Die Polster fast zerschlissen,
    Die Schrankwand hält den Raum vermint,
    Im Sofa schlummern Kissen.

    Der Mensch, der für ihr Muster sich
    Einst generös entschieden,
    Sieht nun mit Stolz, dass nichts verblich,
    Nur nicht mehr von hienieden.

    Es schlummern hinterm Einbauschrank
    Der Ersttapete Reste.
    Auch hier schwor man auf sich’re Bank
    Zum Einzug nur das Beste!

    „Modern trotz Minimaletat“
    Ätzt’s jetzt aus Hausverwaltern.

    Der letzte Klecks von „wie’s mal war“
    Darf hier in Ruhe altern.


  • Stuttgart 21 in 23 & das zweitausendzweihundertdreiundachtzigste Gedicht

    Restfassade vom Stuttgarter Bahnhof

    Gedanken beim Hotelfrühstück

    Ist ein dreckiger Tisch nur ein Muster der Dinge,
    Die ich früher verachtete, maßlos, als hinge
    Ich einzig daran, dass hier Maßstäbe gelten
    Als ewig in stetig sich wandelnden Welten?
    Denn randlos gespannt überwachen die Weiten
    Des spannungsarm Wahren die Unmöglichkeiten.

    Schon erspäh ich ein von mir Behasstes,
    Nie vorbehaltlos Angefasstes,
    Im Schoße recht geschätzter Leute –
    Was, auch wenn ich mir’s schadlos deute,
    Mir meines Urteils Schärfe nimmt,
    Wie aufgelöst im Unbestimmt.

    Ein Kosmos fremder Sympathien
    Bewegt sich ins Entfalten.

    Oft straft die Zeit als unverzieh’n,
    Am Alten festzuhalten.


  • Coronation & das zweitausendzweihundertneunundsiebzigste Gedicht

    The Mall vorm Coronation Day

    Coronation of Charles III

    Coronation nach Corona,
    Buckinghampalastbewohner,
    Schickercharles heut chic in Schale,
    Rant am Rand tauft man Randale.

    Fahnenfans erahn’n Fanfaren,
    Chartern schon die Charts der Scharen –
    Alles will Begeisterung!
    Alles sagt sich: „Na, so jung
    Krönen wir nicht mehr zusammen!“

    Gewöhnt man sich erst an die Schrammen,
    Versiegen Insignien, einst geliebt,
    Ins Resignieren: „Tja, dann gibt
    Der Vater seinem erstbesten Sohne
    Das Erbe bald halt ohne Krone!“

    Und fast ohne Stolz in der Betonung, i say:
    „The latest coronation-day
    War vielleicht schon the last –
    Und myself war dabei –
    And i bought souvenirs of King Charles, Nummer Drei!“


  • Vedado & das zweitausendzweihundertachtundsechzigste Gedicht

    Am Malecon in Verdado

    Lost in Havanna

    Aus dem Dunkel der Winkel lockt’s hektisch:
    „An Anhaltspunkt: Alter, versteck disch!“
    Plötzlich löscht alle Richtung sich aus meinem Weg,
    Orientierung verrinnt, schon ist Licht Privileg.
    Wie rasend schabt sich Resignieren
    In mein früh’res Souverän,
    Ich muss Verirrtheit konstatieren,
    Fahrigflach lass ich mich geh’n.

    Vor Demut ob der Gassen Massen Macht
    Geh ich zurück zu sich’rem Ursprung.
    Rasselnd japst es in mir sacht:
    „Warst grad ganz schön aus der Spur, Jung!“

    Doch ein Blick auf den Stadtplan am Morgen beweist:
    Ich habe mein Ziel einfach sehr gut umkreist.


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