Fotos aus München, seit 2014 Stammsitz der Reimerei Klötgen. Unzählige Auftritte während der Tour 2016. Und danach quasi alleinige Dienststelle in Sachen meiner Poesie.
Zurück in München. Zurück im Substanz. Mein zwanzigster Auftritt dort. Damit mein am zweithäufigsten besuchter Slam. Und ein Auftritt steht dieses Jahr gar noch an.
Slam und Substanz
Schau, die Macher schöner Worte
Locken wieder an zum Orte,
Wo in langen Warteschlangen
Hintenan harrt hart am bangen:
Wer da zum Durchquer’n der Pforte
Eine Bahn zu spät gewählt –
Wird wohl nicht nicht mehr ‚reingelangen,
Weil beim Slam das Timing zählt.
Dort drinnen durchdringt das Gedränge im Raum
Ein Ohrenmuschelkuschelflaum,
Dass bald im Strahl der Wortkaskaden
Nackige Gedanken baden.
Schön berauscht von Show und Schaum
Krönt man einen Slam-Nomaden.
Mal gewinnt was haltlos Grelles,
Manchmal auch was Substanz-ielles –
Slam-Ruhm ehrt den Star nie lange
Und verweht auch allzu schnell. Es
… ist um eins nur keinem bange:
Ewig währt die Warteschlange.
Und schon wieder auf Achse. Beim Aufbruch schon Heimweh. Na, Gottseidank geht’s in die immer vergnüglich stimmende Schweiz – das mag uns Gedichte folgender Strickart ersparen (die nach der Strickart Zwei zufällig ausgewählte Anfangszeilen weiterschreiben im Dienstagsslammer Workshop aus mir purzelten):
Die Dahlien 2.0
Immer, wenn die Dahlien blüh’n
So spät im Jahr noch frisches Grün
Blick‘ ich verdutzt
Aufs schlecht genutz-
te, nun schon fast vergang’ne Jahr
Und frag‘ mich, ob es nicht vielleicht
Nicht jetzt erst, da die Zeit mir weicht
Die zweite zweitägige Tourpause, die zweite Erkältung. Warum muss man sich gerade dann, wenn man sich erholen sollte, am dreckigsten fühlen? Zumindest das Isarufer hat sich von einer freundlichen Seite gezeigt, den folgenden Text aber nicht verhindern können.
WeltLebenArschloch
Hallo, altes Arschloch Leben!
Magst du mir wieder Saures geben?
Das schier mich in die Knie zwingt
Und scheue Euphorie durchdringt
Bis von dem Takt der Niederschläge
Ich zermartert, lull und träge
Kraftlos und berapplungsmüde
Letztlich optimismusprüde
Niederstrecke meine Waffen?!
Denkst du echt, das könnt’st du schaffen?
Anstatt mich hier ständig zu terrorisieren
Solltest du endlich die Welt korrigieren!
Die auch vom Trog des Daseins frisst
Und so wie du ein Arschloch ist
Keine 24 Stunden Zwischenstopp in München, um das Gepäck zu wechseln. Skischuhe sind auch dabei. Es geht in die Schweiz. Aber eine Frage stellt sich auf der Türschwelle: Kann das nicht auch langsamer gehen?
Wiedersehen und wieder gehen
Ah jöö, Adieu – muss wieder geh’n
Und irgendwo am Mikro steh’n!
Nun, derart kurze Stippvisiten
Sollten sich von selbst verbieten
Reduzieren sie doch ein geliebtes Zuhause
Zur Backstage einer Auftrittspause
This is the day. Vor genau zwei Jahren parkten zwei riesige Zapf-Umzugslaster mit Berliner Kennzeichen vor unserer Münchner Wohnung. Wir hoffen lange Zeit nicht darüber nachdenken zu müssen, wie viele Laster für einen erneuten Umzug nötig wären. Trotzdem ist es schön zu wissen, dass unsere Clouds frei von Daten sind. Schleppen lohnt.
Meine Wohnorte
Jede Stadt, wo ich wohnte, kriegt’s auch ohne mich hin
Essen, Hamburg, selbst Berlin
Trotzdem glaub‘ ich, es flüsterte München zu mir
„Schön, dass du da bist – wir brauchen dich hier!“
Auch wenn sich in diesem Jahr der Luxus zweier auftrittsfreier Tage zu etwas Lebensnotwendigen entwickeln wird, liebäugele ich mit einem Spontanauftritt heute Abend bei Blickpunkt Spot. Im stets beliebäugelungswerten Vereinsheim Schwabing. Wie das wohl ausgeht?
Zumündest
Du, München, wärst so gern wie Mün
Weil der so groß und mächtig ist?
Vergiss nicht, dass du ümmerhün
Zumindest schon mal mündig bist!
Nach einem Stelldichein beim „Wo ist Hola?“-Slam in der Landebahnstadt Frankfurt und der freundlicherweise für zwei Nächte gebuchten Unterkunft zur Jetlag-Verarbeitung sind wir nach München zurück gelangt. Und bereits etwas melancholisch.
Fragestellungen und andere Positionen
Fragtest du mich, woran ich hänge, ich hinge
An dem Kalkül der vergänglichen Dinge
Doch so bewahr‘ ich, ungefragt
Nur alten Kram, schon hoch betagt
Ohne Frage ist Chicago eine Hutbeschaffungsoase. Trotzdem bleibt die Frage: Zweithut ins Gepäck? Dafür aufs Handgepäck verzichten? Aber wenn ja, welcher von diesen soll es sein? Neben Chicagos Eiseskälte will auch Hawaiis Sonne abgewehrt werden. Schwierig. Aber das Grübeln schafft Raum und Zeit für das erste Gedicht dieser Reise:
Das Gut Hut
Gott behüt‘ mein bloßes Haupt,
Meine groß gewahnte Stirne!
Es weht bitt’rer denn man glaubt,
Dort, im Jenseits meiner Birne.