Frank Klötgen – Post Poetry Slam – immer frische Gedichte & Fotos

Seit 2016. Auf Globetrotter-Slam-Tour durch bislang 36 Länder auf 5 Kontinenten

Wasser

Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!


  • Sommerfrischen & das dreihundertundelfte Gedicht

    Tegernsee

    Aufziehende Gewitter.

    Talkessel

    Das von Bergkettenbändern gebändigte Land
    Hechelt am Knebel der glänzenden Seen
    Und ständig fließt irgendwas über den Rand
    Und Ängstlichkeit reift längst zum bangen Versteh’n:
    „Vorm Deifi sind wir hier im Tal niemals sicher!“
    Und höhnisch erklingt auf den Höh’n ein Gekicher
    Rauscht eisekalt brausend als Windstoß hinab!

    Vom See schweigt Kühle wie ein Grab

    Es fröstelt tief in allen Seelen
    Die hier fromm ihr Leben fristen
    Und oft sich mit der Frage quälen:
    „Weshalb kommen die Touristen?“


  • Isarschilf & das dreihundertundsiebte Gedicht

    Isarschilf

    Ein Gedicht zu einem der vom Aussterben bedrohten Worte.

    Die Grisette

    Der Hausmeister grüßt dich oft offensiv freundlich
    Die Zugehfrau mustert dich weniger nett
    Die komplette Studentenschaft würde nicht scheu’n, dich
    Zum Tanz zu geleiten – doch leider, Grisette
    Bleibst du heute Nacht wohl allein auf dem Zimmer
    Dessen Miete du selbst begleichst, monatlich, immer!
    Wer könnte von all den dich scheltenden Damen
    Behaupten, für ihr Leben selbst zu bezahlen?
    Es nährt sich ihr Stolz an des Ehemanns Samen!
    So soll’n sie mit schäumenden Leumunde prahlen
    Und sich drei Moralstufen höher einrichten –
    Über keine von den’n würd‘ ich je ein Wort dichten!

    Doch man lädt mich jetzt oft zu Gesellschaften ein
    Die sind sich für deine Gesellschaft zu fein …

    Dass niemand mehr bleibt, um mit dir heut zu tanzen
    Erfüllt dich mit Wehmut im Großen und Ganzen
    Doch kennst ja die Maschen von jederMann:
    Sie schell’n gleich morgen wieder an!

    Drum gräm dich nicht weiter und leg dich ins Bett –
    Denn das gehört dir ganz alleine, Grisette!


  • Englischer Garten & das dreihundertundfünfte Gedicht

    Englischer Garten

    Schlechtwetterblues im Englischen Garten.

    Der Messias

    Es runzeln die bewölkten Tage
    Mit altersschwachem Esprit in die Welt …
    Erfreu uns am Tran dieser gräulichen Lage
    Inszenier dich in Dunstschwaden, strahlender Held!

    Denn wie fahl und apathisch, wie schleierumgarnt
    Die Himmelslast nieder wälzt – jeder hier ahnt:
    Auch größere Düsternis ist schon verflogen!

    Falls nicht, ward man doch mit Behagen betrogen


  • Kreuzberg & das dreihundertundvierte Gedicht

    GSW-Hochhaus in der Rudi-Dutschke-Straße

    Ripostegedicht auf Der römische Brunnen von Conrad Ferdinand Meyer.

    Der römischere Brunnen

    Es prasselt, es pläddert und plätschert und spritzt
    Und sammelt sich erst auf der untersten Stufe
    Sind Stile der Wasser kreativ bis gewitzt
    Sprudelt es über und drüber! Ich rufe:
    Ey, kennt keiner den Herrn Meyer mehr?!
    Den Becken-Eins-bis-Drei-Verkehr?
    Was soll sich hier an Sinn entfalten
    Wenn keine Wasser innehalten
    Und nicht ihr Fluss zur kurzen Rast
    Von Marmorschalen wird gefasst?
    Wenn alles nur strömt und gar nichts mehr ruht
    Ist das für das Image des Brunnens nicht gut!
    Dies hat sich seit Jahr’n als Metapher bewährt …
    Wie schon der Herr Meyer höchst trefflich erklärt


  • Blaue/rosa Bauröhren & das dreihundertundzweite Gedicht

    Baustelle Unter den Linden

    Das Dutzend ist voll: zwölfte Berlin-Reise in diesem Jahr.

    Berlin ist das

    Berlin ist Spatz
    Blaue Baugrubenröhren (oder in rosa)
    Ist „Gab mal viel Platz …“
    Und gluckst: „Nachtruhe stören!“ (als Allzweckbühne für die Poser)
    Ist seit Jahr’n auf der Kippe
    Und immer noch Punk
    Historiengerippe
    Seziert für das Hippe
    Riskiert als Xanthippe die ganz dicke Lippe
    Mit stets einer Brise Kloakengestank

    Wenn du willst, stillst du hier noch den irrigsten Durst
    Wenn du still bist, ist vieles ein Irrtum und Wurst


  • Seebrücke & das dreihundertunderste Gedicht

    Seebrücke Heringsdorf Usedom

    Abschied von der Insel.

    Letztes Mal auf Usedom

    Gebückt und an Krücken auf Seebrücken geh’n
    Sich über die Aussicht entzücken: „Ach, schön …!“
    Entrückt das Bestehen des Glückes erseh’n –
    Die näher gerückte Zurückfahrt bestöh’n

    „Also, nächstes Jahr fahren wir wieder hier her!“
    Und dann bleibt ein Stück auf der Seebrücke leer …


  • Bahnhof Friedrichstraße & das zweihundertachtundneunzigste Gedicht

    Bahnhof Friedrichstraße

    Wo einem Berlin noch wie Berlin vorkommt. Nach einem Schwarzbier mit Bauernfrühstück.

    Unter den S-Bahnbögen

    Unter den wummernden S-Bahnbögen
    Gestanden sie stumm sich einander zu mögen
    Befreit, beseelt sah’n sie sich an
    Derweil die Bahn verschwand und dann
    Enteilten auch sie, ohne weitere Worte
    Doch fortan verbanden die zwei mit dem Orte
    Wie nah man dort einander war
    Obschon ja wirklich nichts geschah

    Nachtrag:

    Nun, wer den beiden zugeschaut
    Schiebt dies auf im Lärm noch gefallene Worte
    Doch dafür war’s dann echt zu laut
    Und wer mehr versteh’n will – der lausche dem Orte!

    Mehr Gedichte über Liebe und Beziehung


  • Blick nach oben & das zweihundertsechsundneunzigste Gedicht

    Blick vom Eibsee

    Laszives Massiv.

    Die Abwesenheit von Wasser

    Es scheut sich der Tag zwar, die Nacht zu berühren
    Doch lässt sich das Nichts schon im Blinddarm verspüren
    Selbst gröbste Selbstverständlichkeiten
    Lümmeln sich auf beiden Seiten

    Man wird’s dir mit berstenden Grenzen erklären
    Mit der Tendenz zum Ungefähren …

    Doch ist’s, dass die Fülle der Schönheit nur blitzt
    Weil in ihrer Hülle ihr Abwesen sitzt


  • Bayern & das zweihundertdreiundneunzigste Gedicht

    Rottach-Egern Tegernsee

    Gott mir dir, du Land, du!

    Weissblau

    Der Herrgott tränkte einst dies Land
    Dass aus den Blumen Butter sprießt
    Und Seligkeit zum Treuepfand
    Als Griebenschmalz durch Kehlen fließt

    Wir sind überall Schinken
    Unser Geld schwimmt im Heu
    Hab’n vor allem Linken
    Natürliche Scheu

    Der Schmack im Fleisch, im Gras der Saft
    Das Pfund im Brot, im Arm die Kraft …
    Dass die Luft hier so klar ist, so sauber die Seen …
    Auch die Schönheit der Berge gibt uns zu versteh’n …

    Und dies ahnen genauso die weniger Frommen:
    Das alles hat Bayern vom Herrgott bekommen


  • Drückfahrt & das zweihundertsiebenundachtzigste Gedicht

    Blumenmeer am Grazer Hauptbahnhof

    Idylle am Grazer Hauptbahnhof. Später wurde es ungemütlicher.

    Der Zuggereiste

    Die von Platznot befohlene Sitzposition
    Lähmt mir alle Glieder von Anbeginn schon
    Verfinstert mir seither das Dasein per Dauer
    Und blinzelt gerissen zum dräuenden Aua!

    Die despotische Herrschaft des Unausgestreckten!
    Der aus Muskelfleisch tränende Drang nach Bewegung …
    Diese fiese Gewalt am in Ketten gesteckten
    Körper in regungslos tauber Erregung
    Der in die Polster rückenschwitzt
    Als Plattgedrückter grollt. Und sitzt.


Die 254 Städte/Länder der Fotos (2016-2025)


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