Weltwirtschaftsgipfel
Man rüstet sich zum Legoland,
Dem Fetisch der Fassaden.
Das Mägdlein wird vom Herd verbannt
Und man fleht um die eigene Gnade.
Frank Klötgen – Post Poetry Slam – immer frische Gedichte & Fotos
Seit 2016. Auf Globetrotter-Slam-Tour durch bislang 36 Länder auf 5 Kontinenten
Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.
Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Weltwirtschaftsgipfel
Man rüstet sich zum Legoland,
Dem Fetisch der Fassaden.
Das Mägdlein wird vom Herd verbannt
Und man fleht um die eigene Gnade.

Stille Weihnacht
Ich entdecke
In der hinterste Ecke
Der Wohnstube, wohin sonst niemand gerät
(Wo höchstens mal drohend ein Einbrecher steht),
Einen mächtigen
Prächtigen
Leuchtenden Baum,
Und Festlichkeit durchströmt den Raum,
Spiegelungen potenzieren
Warmes Licht wie Grippeviren,
Ärmlichkeit scheint überwunden
In der Herrlichkeit für Stunden.
Doch dahinter sehe ich
Zwischen den Zweigen,
Die Einbrecher wieder in Vorfreude schweigen.

Wägenmut
Das Quarren alter U-Bahnwägen
In den angekurvten Schrägen –
Wie aus aufgewühlten Mägen.
Geradezu, als ob den Trägen
Unzumutbar schmerzend Last
Aufgeladen.
Nun diesen Schaden
Auszubaden,
Geht hart in die Wagenwaden.
Doch ’ne Waage
Checkt die Lage:
Unzumutbar? Nicht mal fast!

Weihnacht
Als wär’n wir noch nicht eingeschult,
Dackeln wir durch der Tage Schablone –
Im schönsten Sinn von abgespult.
An jedem Klimbim prangt ein „Geht halt nicht ohne!“.
Und überall
Liegen Babys im Stall.
Als wär’n wir wissensresistent,
Umarmen wir warmherzig uralte Lieder.
Wenn erst die vierte Kerze brennt,
Kehrt auch jeder Brauch völlig unbrauchbar wieder.
Und überall
Liegen Babys im Stall.
Als wär’n wir vor Vergessen blind,
Erscheint uns der Trott in perfekt schnurr’nden Gleisen.
Und jährlich grüßt das Christuskind
Auf den unsere Wagenburg schmückenden Weisen
Und überm Stall
Beginnt fast schon das All.
– Mehr Gedichte zu Weihnachten & Ostern –

Vom Duften
Heiße Luft bläht die Blüten der Chipstütenrispen
Und die Tuk Tuks hupen wie Grillenkonzerte
Wie viel kann der Duft aus den Straßenbaumknospen
An Süße und Orient noch für Nüsse verschenken?
Als gelte sein Zauber alleine dem Strömen
Im Mantel verwandelter Mädchenbrustknospen
Feiert seinen Bestand als das bald schon Verzehrte:
Die Luft in den Blüten der Chipstütenrispen

Ripostegedicht auf Rilkes „Das Karussell“
Das nächste Karussell
Gib Acht, mein Kind, wenn der Schatten dreht!
Dann hat hier im Weiler fast nichts mehr Bestand
Denn ein Bund von Gefährten erschafft sich sein Land
Und Umtrieb spricht ein Hetzgebet
Sie alle haben Wut in ihren Mienen
Und große Böen weh’n mit ihnen
Und dann und wann auch ein toter Elefant
So gart das Hier in noch stiller Gewalt
Schnurrt vor Sattheit so träge wie drückend
Maues Gebläh scheint wie in sie gekrallt
Und jedem liegt stets ein Beweis auf der Zunge
Man erhebt wie zum Schwur seine rechteste Hand
Da bölkt’s wie von Zähheit gezeichnetem Schwunge
Und dann und wann auch ein toter Elefant
Wer will sich noch in Verkommenheit üben?
Wer tätschelt Gebelle mit werbenden Zungen?
Wer eint alle wachsam zerstrittenen Jungen?
Schauder und Aufstand gerier’n sich in Schüben
Und dann und wann auch ein toter Elefant
Und Volk geht hin und weiß nicht, was es wendet
Und kräht nur dreist und hat kein Ziel
Ist roh und zürnt wie vom Grauen geblendet
Und teilt sich den Traum vom gewonnenen Spiel
Ein Mahnmal wird leicht übersehen
Wenn’s Wissen erblindet und verschwindet
Weshalb so ein Dickhäuter fiel

Ripostegedicht zu Goethes „Zauberlehrling“
Der Laubbaumsperling
Hat im alten Zweiggeäste
Äsend Rehlein nachts gewütet?
Aufgewellt häng’n welk die Reste
Die ein Jahr lang ich behütet!
Siechen gelb und gräulich
Manche sind fast braun
Krümmen sich abscheulich
Grässlich anzuschau’n
Wackle, wackle
An dem Aste
Lös‘ die Last der
Toten Blätter
Da ich nicht mehr länger fackle
All das Laub zu Boden splätter‘!
Seht, schon gehen die danieder
Die dem Grün ihr Kontra boten
Gänzlich frisch strahlt alles wieder
Niemand trauert um die Toten
Und in neuem Leuchten
Glänzt mein heim’lig Baum
Wie in einem feuchten
Sperlingmärchentraum!
Wackle, wackle
An dem Aste
Lös‘ die Last der
Toten Blätter
Da ich nicht mehr länger fackle
All das Laub zu Boden splätter‘!
Kaum, dass ich mein Werk vollbracht hab‘
Gilbt es schon am nächsten Zweige …
Noch halt‘ ich hier eisern Wacht ab!
Was ich rasch dem Rott’nden zeige
Und mit frischem Mute
Tu ich, wie’s erprobt!
Spür den Stolz im Blute
Mein Erfolg mich lobt
Rüttle, rüttle
An den Stellen
Wo die hellen
Blätter kleben!
S’soll am Ast, an dem ich rüttle
Nichts als grüne Blätter geben!
Aber wehe, noch bevor der
Nächste Tatort ist bereinigt
Dringt zu mir die höchste Order
Dass die Krone Welkung peinigt!
Und im Wipfel seh‘ ich
Gelb und Braun und Rot!
Denk‘ noch, ich sei fähig
Herr zu werd’n der Not …
Doch dann birgt der
Ganze Himmel
Farbgewimmel
Sondergleichen!
Schon ist mein Plan ein Verwirkter!
Keine Kraft kann hierfür reichen!
Rasend schnell erbleicht das Grünen!
Mir bleibt, hilflos zuzuschauen …
Soll wohl für den Hochmut sühnen
Dass ich Herrscher ward dem Grauen?!
Und es schwebt von selber
Nieder Blatt um Blatt!
Alle Welt wird gelber
Alle Welt wird matt
Wie ist jener
Anblick schmerzlich
Da nun leert sich
Ganz die Krone!
Baum, der einst belaubt wie keener
Zeigt sich plötzlich gänzlich ohne!
Ach, hätt‘ ich doch nie gerüttelt
Nie die Grenze übertreten
Nicht das Laub selbst abgeschüttelt!
Muss jetzt brav zum Meister beten:
Herr, der du verwaltest
Jedes Blatt der Welt
Gut, dass du mich schaltest!
Weil mir nun erhellt:
Sperlingschnäbel
Soll’n sich hüten
Rumzuwüten
Im Geäste!
Spüre nun der Demut Säbel …
Danke, Meister, bist der Beste!
„Dennoch sollst du bitter büßen
Spatzenhirn, für deine Taten!
Blätter lass ich wieder sprießen
Aber du kannst lang drauf warten:
Bis es wieder grünt, sollst
Du erfroren sein!
Doch nachdem du blutzollst
Schwebt mir vor, dass dein
Reuig Sühnen
Fortan stünde
Für der Sünde
Früherkennen!
Drum soll man das Neu-Ergrünen
Dir zur Ehre Frühling nennen!“

Das Treptower Ehrenmal
Den Treptower Ehrenmalerdhügelmann
schau‘ ich mir sehr gern und auch häufiger an
Ditt Hakenkreuz noch anne Hacken
rechts Schwert und links das Kindlein packen
wirft er gemächlich seinen Schatten
auf Gras und Grab- wie Gehwegplatten
Dem Dichter: Oase, herrscht allmächtig: Stille
Davon gibt’s ja sonst hier nu wirklich nich ville
Und drum beehr‘ ich’s hundertmal
als Versemehrers erste Wahl!

Die zwei Jahreszeiten
Die Sonne schwalbt durchs Schattgeäst
Und Laub wie Laub krönt Welten farben
Wie wallt sich auf zum Schatz der Rest!
Als würde noch geheim: Es starben
Die Prachten solcher Königtümer
Im angestammten Jahrestakt
Und üblich reisst’s von ungestümer
Glorie Herzhaut, falben nackt
Für dich regt sich schon Auferstehung
Mit mir schimpft Herr St. Nimmerlein
Schwenkt längstens in die Unumgehung
Des baldigst Ganz-Gewesens ein

Linie 903
Gab’s je genügend Traurigkeit
Sie diesem Ort zu spenden?
Caramba, Mutter, es wird Zeit:
Ich supp‘ schon vor Verenden!
Was an möglicher Schönheit hier degeneriert
Weil jegliches über- und unterdosiert
Kappt jeder Hoffnung Strang
Man säuselt der Besserung Segen entgegen
Vertäut mit nur einem von täusenden Wegen
Es däuert nur so lang
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