Frank Klötgen – Post Poetry Slam – immer frische Gedichte & Fotos

Seit 2016. Auf Globetrotter-Slam-Tour durch bislang 36 Länder auf 5 Kontinenten

Wasser

Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!


  • Osterspaziergang & das hundertundneunte Gedicht

    Osterseen

    Über Ostern Pause gemacht. Auch hier im Blog. Und dennoch an Euch gedacht:

    Ostersuche

    Tradiert durch Gottes Kind und Sohn
    Drapier ich meinen Finderlohn
    Mit aus Ritzen stibitzten Eier-Color
    Das der Hase, der nächtens im Weiher erfror
    Dort sorgsam für seine Würfe gehortet
    ‚S ward von mir gierig mit Spürsinn geortet
    Und auch der Kakaomassenhohlraumfigur
    Kam ich schlussendlich auf die Spur
    Steckt da, in des Leichnams Backentaschen
    Noch lecker süßer Kram zum Naschen?
    Ist das, was zuletzt seinen Magen gefüllt
    Eventuell von Schokolade umhüllt?
    Ich geb‘ keine Ruh, bis ich jedes entdecke
    Der Schleckerei’n trächtigen Hasenverstecke!

    Doch den Beutezug werd‘ zum Dekors ich drapieren
    Und klug schaff‘ ich in meinem Nest
    Ein Plätzchen, um drinnen den Sinn zu zentrieren
    Von dem ich träume, treu und fest
    Denn
    Jede Suche macht nur Sinn, wenn
    Wir in ihr was andres finden


  • Amsterdam & das hundertundfünfte Gedicht

    Amsterdam

    Blütenglück

    Was kümmert die Blüte die fehl’nde Idylle?
    Zur Not ist sie durchaus sich selbst schon genug
    Auf kleinstem Terrain die größtmögliche Fülle
    Schmückt sie sich ihr Stück zum geglückten Versuch

    Übers Andere sollen die Andren entscheiden
    Das wird sie nicht sehen, das muss sie nicht leiden


  • Amsterdam & das hundertunddritte Gedicht

    Grachtenhäuser

    Weiterhin mit gewogenen Grüßen aus Amsterdam.

    Die Schweigenden

    Diese Häuser, sie hecken wahrscheinlich was aus
    Wie sie konspirativ aneinander sich schmiegen
    Zärtlich beneigt, als sei Plan ihres Baus
    Zum Zweck der Gemeinschaft die Balken zu biegen

    Wir sollten jetzt nicht mehr von Zufällen sprechen
    Wenn etwas herabfällt, wenn Dächer zerbrechen
    Es gibt diese Pläne, sie breiten sich aus …
    Von Giebel zu Giebel, von Haus zu Haus


  • Leipziger Buchmesse & das hundertste Gedicht

    Leipziger Buchmesse

    Jubiläum. 100 Gedichte. Mit Gruß von der Leipziger Buchmesse. Und weil ich nie so recht weiß, was ich dort machen soll, kein Leipziger Gedicht, sondern Teil 2 der Oscar-Balladen. Ebenfalls – wie Black Swan im Teil 1, Gedicht 85 – aus der Unterrubrik „Weibliche Hauptrolle“:

    Margaret Thatcher (Die eiserne Lady, Meryl Streep)

    Misses Thatcher wird unerlaubt Milch kaufen gehen
    Das von ihr stramm gestaltete Königreich sehen
    Wie’s sich ohne Respekt vor die Boss-Lady drängelt
    Die resignativ weder aufbraust noch quengelt
    Sondern altersmild – weil schon bedeutungslos – aufweicht
    Und erkennt, dass am Ende ihr Ehrgeiz nicht ausreicht

    Denn wer nur stur den eignen Weg geht
    Wird am Ziel alleine sein
    Niemand kann, da sich die Welt dreht
    Wirklich ewig Sieger sein

    „Mom, du kannst nicht mehr allein hinaus!
    Das war doch längst so abgemacht?“
    Der Taumel der Erinn’rungsstaus
    Hat den Rest ihrer Welt durcheinander gebracht
    Sie reißt sich zusammen, „shall we dance?“ fragt ihr Mann
    Und dann reist sie zu Stätten, wo all dies begann

    Schier unbeschämt trug sie das Joch der
    Provinziellen Krämerstochter
    Und stampft die vor Kampfeslust brennenden Zähne
    In die träge, morastige Männerdomäne
    Der törichten Tories Parteipolitik
    Die ihr wackeres Gretchen viel zu lange belächelt
    Als ein Dienstmädchen, das sich im Tonfall verstieg
    Dessen Bärbeißigkeit bald geschlechtsbedingt schwächelt

    Doch Miss Thatcher wird zielstrebig Milch kaufen gehen
    Sich des Parlaiments Houses von innen besehen
    Sie ministriert vom Frau’ngebiet
    Sich schnurstracks in die Downing Street
    Und überstrahlt im blauen Kleid
    Der grauen Herren Herrlichkeit
    Mit stählern onduliertem Haar
    Die Perlen – nicht verhandelbar!

    Als ein handtaschentätschelndes Teatime-Klischee
    Steht sie unumstößlich zu dem, was sie will
    All das Tantige ist nur ein Grantig-in-spe
    Da ihr hastiges Stimmchen, so schneidend wie schrill
    Tönt sich jäh in die Höh bis zum Absprung vorm Kreischen
    Um den letzten Cretin das Gehör zu zerfleischen

    Denn irgendwer muss das Unsagbare sagen
    Und wer nicht rentabel ist, soll auch nicht klagen
    Sondern arschtrittbewegt seinen Lebenslauf würzen
    Misses Thatcher wird drastisch die Milchration kürzen
    Und mit provokantem Prinzipismus
    Zügelt sie vom hohen Rosse
    Den Malocher-Chauvinismus
    Alternder Gewerkschaftsbosse
    „Nennt mich, ihr Brüder, bittesehr
    Ruhig Bitch of England – i don’t care
    Werd‘ mit cooler Mine eure Coalminen schließen
    All das Labour-Gelaber soll mich nicht verdrießen!“
    Selbst in Bürgerkriegsnähe bleibt Maggie dabei
    Dass die Medizin bitter, doch notwendig sei

    Auch kein Zornstreich der IRA kann sie so treffen
    Nicht bereits aus den Trümmern die Losung zu kläffen:
    „Wir werden den Schurken um keinen Zoll weichen!“
    Kurz Flaggen auf Halbmast – das soll dann auch reichen
    Denn dass jeglich Unrecht ungerächt bleibt
    „Das ist, wo uns Schwäche hintreibt!“
    Schon zimmert sie Vergeltungsschläge
    Zum Geschnurr der Sargholzsäge
    Und, ja, niemand wird die Falklandinseln
    Je von Englands Falkplan pinseln
    Alles bleibt britisch und zermürbt stoppt der Streik
    Und Mag kassiert ein Doppel-Like

    Doch wer immer nur stur den eignen Weg geht
    Wird am Ziel alleine sein
    Niemand kann, da sich die Welt dreht
    Scheinbar ewig Sieger sein

    Zwischen Oxford-Stress und Ochsentour
    Kann den Kreis ihrer Lieben sie nur halbwegs umrunden
    Den Mann, die Kinder sieht sie nur
    In den nicht an den Ehrgeiz verfütterten Stunden

    Also, Maggie, shall we dance?
    Sprich dein Mantra, letzte Chance!
    Es wird einsam um dich und um deine Prinzipien
    Das Verständnis wendet sich ab von dir
    Doch du setzt auf Konfrontation statt „Vergib ihn’n!“
    Kompromisslosigkeit als privates Plaisier
    Du wirst nicht gewinnen, Mag, diesmal nicht
    Die Triumphe verrinnen, auf die du erpicht
    Werden grau mit der Zeit und umarmt vom Vergessen
    Trotz der Standhaftigkeit, auf die du so versessen

    Wer kennt in einst loyaler Runde
    Noch das Wörtchen „obstinat“?
    Die Opportunen plan’n im Grunde
    Lange schon den Hochverrat
    Du kannst weiter dem Pöbel die Milch vorenthalten
    Und als sinkendes Schiff deinen Standpunkt verwalten
    Bloss im großen Britanien ist für sowas kein Platz mehr
    Und ein Rücktritt erspart dir noch größere Patzer

    Du lehrtest ein Heer dich zu fürchten und hassen
    Nun hat selbst dein Dennis dich letztlich verlassen
    „Du kannst doch nicht ohne Schuhe geh’n!?“
    Dein Protest kommt zu spät, es ist längst schon gescheh’n

    Irgendwann verwebt sich die Welt in das Gestern
    Nivelliert sich jed Aufruhr in ebene Flächen
    Wo brühwarm und ungesühnt Schwächlinge lästern
    Und Eisen sich windet im mählichen Brechen

    Gardinengedämpft irrt ein Blick durch die Welt
    Mit ’ner Ahnung vom Draußen, die Miss Thatcher missfällt
    Diese Sturheit – von keinem Arzt niederzuringen
    Und zu Unbeugsamkeit will sie sich wieder zwingen

    Misses Thatcher wird unbeirrt Milch kaufen gehen
    Die Welt, sie mag sich weiter drehen
    Und trägt hart am Gepäck ihrer ruhmreichen Taten
    Lässt auch deren Sinn sich nun kaum mehr erraten
    Ein aalglatter Brutus tritt statt ihrer ans Steuer
    Und die Milch scheint wie jedes Jahr doppelt so teuer


  • Leaving Potsdam & das achtundneunzigste Gedicht

    Potsdams Park Sanssouci

    Und noch ein letztes lyrisches Mitbringsel aus Potsdam.

    Im Garten

    Das alles hier hatte mal einen Namen
    Fest verstrebt pferchten Lettern den Grundbesitz ein
    War’n dem Platz in der Welt jener nötige Rahmen
    Um zeitlich befristet ein Ich-Reich zu sein

    Nun nistet ein Schwalbenpaar in diesem Bogen
    Der war vielleicht mal ein O, war vielleicht Konsonant
    Wohl zig mal bebrütet, noch öfter durchflogen
    Stand hier mal ein Name, den jemand gekannt


  • Koblenz & das zweiundneunzigste Gedicht

    Koblenz Rhein

    Stadt vs. Jahreszeit Crossover.

    Kobenlenz

    Wenn’s Lenz wird und im Schweinekoben
    Frisch abgenabelt Ferkel toben
    Weil, immer wenn sich’s Leben mehrt
    Der Start gelingt ganz unbeschwert
    Da ringelschwänzt die Leichtigkeit
    Wo ich als Bauer ein nich‘ schreit‘
    Ich weiß ja, wie die Aktien steh’n
    Die bald haarlos überm Rost sich dreh’n
    Doch für diesen Moment
    Und zu hundert Prozent
    Besinn‘ ich mich innig, all dieses zu loben
    Das Leben, die Ferkel, den Lenz und den Koben


  • Substanz & das neunzigste Gedicht

    Substanz Poetry Slam

    Zurück in München. Zurück im Substanz. Mein zwanzigster Auftritt dort. Damit mein am zweithäufigsten besuchter Slam. Und ein Auftritt steht dieses Jahr gar noch an.

    Slam und Substanz

    Schau, die Macher schöner Worte
    Locken wieder an zum Orte,
    Wo in langen Warteschlangen
    Hintenan harrt hart am bangen:
    Wer da zum Durchquer’n der Pforte
    Eine Bahn zu spät gewählt –
    Wird wohl nicht nicht mehr ‚reingelangen,
    Weil beim Slam das Timing zählt.

    Dort drinnen durchdringt das Gedränge im Raum
    Ein Ohrenmuschelkuschelflaum,
    Dass bald im Strahl der Wortkaskaden
    Nackige Gedanken baden.
    Schön berauscht von Show und Schaum
    Krönt man einen Slam-Nomaden.

    Mal gewinnt was haltlos Grelles,
    Manchmal auch was Substanz-ielles –
    Slam-Ruhm ehrt den Star nie lange
    Und verweht auch allzu schnell. Es

    … ist um eins nur keinem bange:
    Ewig währt die Warteschlange.


  • Ulm & das neunundachtzigste Gedicht

    Münster Ulm

    Ich weiß, der Titel „Größter regelmäßiger Slam der Welt“ ist hart umkämpft. Offiziell gar nicht mit im Rennen, aber mit 670 Zuschauern verdächtig: Ulm. Anscheinend unwidersprochen hat das Münster der Stadt aber mit dem 161,53 Meter hohen Turm den höchsten Kirchturm der Welt. Ist ja auch was.

    Das Schiff

    Gestrandet ruht das Kirchenschiff
    Eingepfercht im Häuserriff
    Wartend auf ’ne Sintflut

    Denn, steht dann der Wind gut
    Geht es los auf große Fahrt!

    Doch, weil Regen unterbleibt
    Jenes Schiff nach nirgends treibt

    Steht nur stumm
    Herum
    Und harrt


  • Bodenseerückquere & das achtundachtzigste Gedicht

    Bodenseefähre

    Auch auf dem Rückweg: Fähre bevorzugt. Scheiß auf Umwege & Fahrtkosten.

    Auf See

    Das Bugwellenmantra zum Wummern
    Der Dieselmotoren – wir schlummern
    Wie tief auf dem Grund der beschifften Kanäle
    Im Tiefdruck der Walgesang covernden Stähle
    Und dämmern und dämmern und dämmern dahin

    Grüß mir die Genossen vom Sonnendeck
    Erklär ihn’n den Haken am Kreuzfahrtgewinn
    Und sag ihn’n: Beschwerden hab’n eh keinen Zweck!

    Das Bugwellenmantra pfropft in unsre Ohren
    Begleitet vom Wummern der Dieselmotoren


  • Olten & das siebenundachtzigste Gedicht

    Olten Schützi Poetry Slam

    Eine Bühne wie gemacht für …

    Tage, da wir

    Tage, da wir unbescholten
    Wohlgemut durch Olten tollten
    Bis uns die Äbtissin’n grollten
    Dass wir uns verpissen sollten

    Jahre später Schreibtischtäter
    Schunkelnde Familienväter
    Trunken unter grau’n Girlanden
    Tauchschein letztes Jahr bestanden
    Krass gut drauf und Maske auf
    Dinge nehmen ihren Lauf

    Längst ist versunken, was wir wollten
    Sagen: Rosebud, meinen: Olten


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