Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.
Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!
Gäste im Abseits beim Poetry Slam im Landpark Lauenbrück.
Unter Tieren
Die Tiere sind immer in ihren Verstecken
Was sich unbedacht zeigt, wird schnell niedergestreckt
Der Wald wird Gewehrlauf und Fangzähne blecken
Wo ein Schnäuzchen zu weit sich in Lichtungen reckt
Die Tiere sind immer in ihren Verstecken
Sie sind nicht zu sehen und doch sind sie da
In blickdichten Dickichten nicht zu entdecken
Ihr’n Fluchtinstinkt zügelnd bei nah’nder Gefahr
Doch Angstschweiß verrät die Gedanken der Tiere
Ein spähender Blick streift die Fährte zum Bau
Die knurrenden Mägen markieren Reviere
Und Anwesenheit spürt ein Jäger genau
Dann schnellt eine Kralle ins Herz einer Höhle
Gellt ein Schuss, kläfft die siegreiche Jägersmann-Töle
Werden Kobel und Nester von Glut überfallen
Und Blutrunst durchstöbert die heim’ligen Hallen …
Doch die Tiere sind immer in ihren Verstecken
Es werden Verluste und Wunden beleckt
Kurz ohne ein Heim und ermattet vom Schrecken
Besteht eine Welt, die ist bestens versteckt
Moselschwimmer, vom Schönfärber verwöhnt. Und ein Rheingedicht. Mit Gruß aus Koblenz.
Treibgut (darum ist es am Rhein so schön)
Dass ein alter und schmutzigschauriger Fluss
Im Tal der Romantik sehr traurig sein muss
Mag jeder nach Stimmigkeit Dürstende glauben
(Und niemand soll hier ihm die Zuversicht rauben)
Auch zur Schmach der Dramaturgen
Schauen Fachwerk, Wein und Burgen
Auf die brackigbraunste Brühe
Die als Fahrtweg nur beliebt
Weil es all das andre gibt
Ach, leidige Idyllen-Mühe!
Da am stärksten dich genießen
Die sich dreist und mit Genuss
Ins gemachte Flussbett gießen
Nivelliert vom Überfluss
Da schwingt wohl eine kleine Fremdsprachensehnsucht mit … kaum, dass man fünf Tage nur in Deutschland war.
Karwenzig blasst de Avenhumm
Karwenzig blasst de Avenhumm uwer Pickwikkastell
Da einsamst klamm ehn Petersmann im Blottschreif durg de Astel
Sei Wündspalts purgelt furchtersicht, un krähwärts zirrt sei Nassen
Da hebbet sig de Mann un richt: „No kommet Darsteen Kassen!
No kommet he, no kommet he!“ – un all da Spritzback bämmst in’n sne‘
De Zarm kühn’ns nimmer fassen …
Verländert geift an letzt Gerück‘
Herdorch de Heen von Peters
Da spanend außig alsen Drück
Hinnach flächt dess Gezeters
Larendebt locht de Avenhumm un ab de Lurgen Beime
Von stillerst ward, niet angepelcht – vorkorst de lichten Eime
Un wenzig blasst de Avenhumm uwer Pickwikkastell
Klamm einerter de Petersmann. Im Blottschreif foh’sen Astel!
Beinahe Urlaub: drei freie Tage in München. Im, aber ohne Sommer
Moose und Mosern
Da atmen die keuchenden Bäume den Staub
Den der sonnendurchdrungene Boden nicht hält
Es senkt sich verzagend vom Zweige das Laub
Dem gilbenden Grase als Frage gestellt:
„Weißt du, ob des Regens belebender Guss
Ist schon auf dem Wege zu uns? Denn sonst muss
Das vom Frühling Erworbene wieder verderben
Und noch als Gedeihendes frühzeitig sterben!“
Da, wie auf ein Zeichen, verfinstern sich Wolken
Werd’n Wasser auf Wasser aus Watte gemolken
Den Pflanzen ist’s fraglos erlösender Segen
Nur ich moser‘ böse: „Den ganzen Tag Regen!“
Drei Tage Görlitz, Straßentheaterfestival. Über Grenzverläufe innerhalb der Stadt.
Stadtkernaufwertung
Da ist der Geruch aus den Kellern der Vorstadt
Der lässt sich nicht globalisieren
Dort liegt noch Terrain, mit dem keiner was vorhat
Sind Flecken und Flecke, die nicht int’ressieren
Bald sind es nur sie, die dich an die Stadt binden
Doch kennst du die Pfade fürs Weiterempfinden
Lässt sich dieser Ort nicht hinfortinvestieren
Ach, was war das für eine entspannende Zeit: zehn Tage Tourpause. Und jetzt weiter im Text.
Das Leseband
Es hängt das Lesebändchen stur
Sinnlos baumend, scheinbar munter
Zweckverwaist als Buchmontur
Sich nicht rein, nur rücklings runter
Wie ist noch dieses Buch gewesen
Das ich scheinbar hab gelesen?
Sagt das Band, ich wollt dran denken
Es schnellstmöglich zu verschenken?
Oder meint es: „Gib dem Buch
Einen weiteren Versuch!“
Ist’s ein Signal, es sei so schlecht geschrieben
Dass nicht mal sein Bändchen drin hängen geblieben?
Nun war ja des Bändchens ureigener Sinn
Zu zeigen, wie weit ich gekommen bin
Doch mitleidsbefreit sagt das Band jetzt: „Du Tor!
Bist so weit als wie zuvor …“
Letzter Tag in München (bzw. nähere Nachbarschaft), bevor es wieder auf Tour geht.
Eibsee
Du bist flüssiger Berg, ein Gedächtnis von Masse
Zu Klarsichtfolie geleetiert
Erstrahlst in opalen-karibischer Klasse
Dass alle Gestelztheit des Lebens gefriert
Ich tu in Demut meine Züge
Und lass mich durch die Felsen treiben
Ich schlucke Kiesel zu Genüge
Und sink gen Gipfel, dortzubleiben
Noch zwei Tage Freizeit, bevor es wieder auf Tour geht.
Die Linden im Juli
Mit süßer Schwere benebeln die Nacht
Die sich spät in den Blütenduft mischenden Linden
Deren Fertilität mit der üppigsten Macht
Dampft vor honigem Willen ins Frühlingsentschwinden
Schon scheint sich ihr Ruch mit der Nacht zu vereinen
Als Bündnis für die Ewigkeit
Solch stolzer Duft muss doch was Bleibendes meinen
Und sich isolieren vom Feldzug der Zeit …?
Als Wunsch besteht dies, keine Frage
Im Lindenduft der Juli-Tage
Doch spürst du in ihm auch das bittere Wissen:
Du wirst ihn alsbald schon sehr lange vermissen