Frank Klötgen – Post Poetry Slam – immer frische Gedichte & Fotos

Seit 2016. Auf Globetrotter-Slam-Tour durch bislang 36 Länder auf 5 Kontinenten

Wasser

Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!


  • Hochjoch-Hospiz & das eintausendneunzehnte Gedicht

    Auf dem Weg zur Hochjoch-Hospiz

    Im Whiteout

    Nachdem der Himmel beschloss, sich einzuweißen
    Schien der Erdgeschosshorizont in ihn zu gleißen
    Und die Unendlichkeit rückte näher

    Im Unerreichtsein schlief die Welt wie verwunden
    Nur Gesichtsloses ward miteinander verbunden
    Und die Unendlichkeit drückte zäher

    Bis zu dem Punkt, wo alles Weiß / nicht Zustand, sondern Schicksal ist
    Und jedes Ziel zum Gegenschlag / mit ungestümen Willen frisst

    Kein Weg, der sich zur Richtung zieht
    Beregelt dieses Nicht-Gebiet

    Ein eisiger Wind kristallt: „Lebensgefahr!“
    Es entschwebt alle Regung
    So haltlos
    So bar


  • Spurenelemente & das eintausendzwölfte Gedicht

    Im Giardino Giusti

    Im Giardino Giusti

    Im Wuchs
    Der Buchs-
    Baumhecken
    Entdecken sich, verstecken-
    Derweise,
    Sehr, sehr leise -:
    Zwei ungemischte Paare,
    Die je das Andere finden
    Zum zärtlich sich Verbinden
    (Man weiß nun: nicht auf Jahre)

    In mancher Gärten Lauschigkeit
    Verzehrt’s uns nach dem Rausch zu zweit

    Und vieles wird zu Spuren
    Von abgelauf’nen Uhren


  • Giardino Giusti & das eintausendsiebte Gedicht

    Im Giardino Giusti

    Die Kameseilie

    Von der Einsicht, die Welt würde immer vorangeh’n
    Sah ich vier Kadaver versinken
    Man konnte ein Leben ihn’n wirklich nicht anseh’n
    Doch träum‘ ich seither vom Ertrinken
    Meine Sorge um sie
    Führt des Nachts die Regie
    Und obschon auch mein Bett Traulichkeiten umsteh’n
    Seh‘ ich um sie Blaulichter blinken

    Von dem Mantra, der Fortschritt schlüg‘ goldene Routen
    Sah ich drei Metalle verblassen
    Schon wollt‘ ich dem Kelch kein Getränk mehr zumuten
    Erschrocken von gültigen Massen
    So als ging’s Stück um Stück
    Auch schon wieder zurück
    Doch waren nicht wir hier und immer die Guten?
    Wer könnte grad uns ernsthaft hassen?

    Aus dem Glaube, der Drall läs‘ sich aus den Geboten
    Sah ich, wie zwei Seiten sich lösten
    Wie läppisch sprach sich das Gedenken der Toten
    Bevor sie den Schlachtplan entblößten

    Aber eins sah ich noch
    Das verhinderte doch
    Dass wir mit der Anderen Dämm’rung verrohten

    Da wir in die Schlusssequenz dösten


  • Gardasee revisited & das neunhundertneunundneunzigste Gedicht

    Malcesine am Gardasse

    Italienische Reise

    Es stimmt, Johann Wolfgang, es ist diese Flora, die andre Geschichten erzählt
    Die Mitgift ans Dunkel verlorener Tage warnt: Wandrer, Du hast Dich verwählt!
    Hier sumpfen die Täler im Sonnenbenzin, hier lallt alle Landschaft Limone
    Hier prallt sich der Apfel, der Farb-DIN entgrenzt (auch ich fühl‘ mich plötzlich so ohne)

    Küstenwärts flüstert sich Südlichkeit ein, in den Seen plätschert etwas Karibik
    Mein Sächsisch berlinert sich seinsblümerant und pfeift durch die Zähne: Ditt lieb ick!
    Ein ahnender Duft stürzt aus fremden Gewächs, altrömische Gärten zu füllen
    Die Lust wird von Eidechsenzungen gedämmt, zur Brustgröße schwill’n die Papillen …

    Ja, wer sich zu einer Reise entschließt, ist im besten Fall völlig verschwunden
    Sobald dann daheim das Genießen verwaist, soll uns die Erinnerung munden!


  • London revisited & das neunhundertvierundneunzigste Gedicht

    In der Tate Modern

    Todschick

    An der Schwelle zum Alter empfing mich der Tod
    Mit „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
    In der Fremde oft schnell in Erklärungsnot
    Gelang mir zur Antwort ein griffiges „Nein,
    Ich schaue mich vorerst hier nur etwas um.“
    (Und brauch dazu kein Publikum!)

    „Aber gerne!“, entgegnete denkbar devot
    Und von Dienstleistungseifer beseelt
    Der fortan nicht mehr von mir weichende Tod
    „Sie melden sich, wenn Ihnen irgendwas fehlt?
    Wir hab’n jede Krankheit von Krebs bis Katarrh
    Auch noch in andren Größen da!

    Und ich weiß ja, man zögert es gerne heraus
    Auch Ernsthaftes mal zu ertragen
    Doch schlussendlich ist’s ja für viele im Haus
    Die letzte Chance etwas zu wagen!
    Das Leben ist kurz – heißt das elfte Gebot!“
    Bekräftigte nochmals wie freundlich der Tod

    Und obschon ich ihn anfangs mit Argwohn beäugt
    Fühlt‘ ich mich auch etwas geborgen
    Er hat schon Millionen von sich überzeugt
    Und erlöst von der Last aller Sorgen

    Also ging ich zur Probe
    In seine Garderobe
    Nahm mir das nächste Stück und fand
    Dass dieses mir schon prächtig stand
    Wie jedes Stück der Kollektion –
    Das ist vielleicht des Alters Lohn

    An der Schwelle zum Alter empfing mich der Tod
    Und machte mir ein Angebot
    Mir war bis dato gar nicht klar
    Wie nahe ich ihm da schon war


  • Abstieg & das neunhundertfünfundsiebzigste Gedicht

    Sulden

    Am Gipfel

    Es scheitert der Blick am Nebel des Grauens
    Ausgehöhlt scheinen die Pfeiler des Schauens
    Nur wattige Bedeutungsleere, die Konturen ausgesaugt
    Abgestumpfte, dumpfe Schwere, alle Farben ausgelaugt

    Voll ergraut dräut der Ausblick und mir is‘
    Als schaut vom Hirn ich nur zur Iris
    Was noch folgt, ist weiße Wand

    Trüb vom Dunst verschlucktes Land
    Des‘ Goldpanorama mir heute verwehrt

    Was sattsam das Moll dieses Dramas ernährt


  • Oasen & das neunhundertsiebzigste Gedicht

    Bergflora

    Substrat des Überragenden

    Tödlich grau
    Im Nahbeschau
    Ist der Fetisch
    Majestätisch
    In die Höhe rag’nder Gipfel
    Sehr gewöhnlich
    Zeig’n die Höh’n sich
    Als von kleinen
    Schottersteinen
    Üppigst überstreute Wipfel

    Die fanden sich schon auf den Straßen
    Eh unsre Lust auf Höh’n entfacht

    Wie oft hat das, was wir besaßen
    Ein neuer Standpunkt schön gemacht


  • Rundreise & das neunhundertzweiundsechzigste Gedicht

    Sossusvlei

    Füllenlehre 2018

    Das Blau vor den Seychelleninseln
    Das Rot aus Namibwüstensand
    Das Grün von Alpenwiesenpinseln
    Und das Fleischrosa deiner Zunge

    Ich muss schon sagen, Junge, Junge
    Mir ward der Farben Pracht bekannt!


  • Oryx & das neunhundertsechsundfünfzigste Gedicht

    Oryx im Etosha Nationalpark

    In Afrika

    Im gelbenen Güld
    Auf erdlichtem Röten
    Sind allsam befüllt
    Das mäandernde Flöten
    Und Zirpen eines Kontinents

    Ist paradiesnahtig
    Der Überfluss fremd

    Doch nabelschnurartig
    Und ahnungsenthemmt
    Verzock‘ ich den Resthauch von Abers und Wenns


  • Gabelracke & das neunhundertvierundfünfzigste Gedicht

    Gabelracke im Etosha Park

    Bienenfresser et al.

    Ich knie nieder (immer wieder)
    Vor der Zierde der Gefieder
    Es ist der Traum von Wattebauschen
    Mit ihrer Konsistenz zu tauschen

    Normale Feder
    Kann ja jeder
    Doch was sie erst zur Gabe macht
    Ist samtigweiche Farbenpracht


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