Zehnzeiler

Westpark & das eintausendsiebenhundertvierundsechzigste Gedicht

Wurzeln am Pagodensee im Münchner Westpark

Zum Wert der Frage

Mag ick Tragik
Oder magic?
Trag ick Batik
Oder Trash-Chic?
Brat ick oder gar ick‘s mir?
Fraglich, ob ein Kranich hier
Artgerecht noch landen kann.

Immer artig fragen, dann
Harrt manch Entwertung hier antwortenbloß -
Mehr zu erfahr‘n wär verantwortungslos.

Parkdecks & das eintausendsiebenhundertdreiundfünfzigste Gedicht

An der Allianz-Arena in Frötmanning

Ungläubige Zuschauer

Will die Kirche im Dorf sich erneuern
Nach dem dreckigen Kolonialismus,
Muss sie den Wert unsres Kreuzzugs beteuern
Gegen Hexen-Kannibalismus.

Wer in Glaubensfragen Abstand wahrt
Gitscht im Bodensatz unserer Werte!
Die Kluft wird schnell ein schmaler Grat
Und die Gastfreundschaft schwindet in Härte.

Denn jeder, der nicht bei uns mitglaubt, der zahle
Mit dem schwär'nden Verdacht, er sei selbst Kannibale.

Ismaning & das eintausendsiebenhundertvierzigste Gedicht

Schatten im Feld beim Ismaninger Kanal

Haben Se'n Schatten, oder wat?!

Entschuld'jen Se bitte ma, wat soll hier datt 'n?
Se steh'n da jrad feistfüßig uff meenen Schatten!
Mag sein, ditt is da, wo Se herkomm so üblich -
Vom Punkt Kultiviertheit fänd ick's ja betrüblich -
In Kenia, je'nfallz, jilt: Respekt vor die andern!
Bedeutet: Person nebst Silwette umwandern!
Hier bremsen vom Anstand errichtete Ampeln
Den Frevel, auf andrerleuts Seele zu trampeln!

So, lernt ditt jefällichst ma, Fehltrittchaoten:
Im Schatten steht imma "Betreten vaboten"!

Valley II & das eintausendsiebenhundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Maibaum in Valley bei der Schlossbrauerei Graf Arco

Vom Flanieren

Mein Müßiggang macht Einkaufsstraßen
Zu auserwählten Boulevards,
Erst zweckgelöst macht Laufen Spaß, wenn
Im Jenseits aller Zeit-Etats
Auch der Gedanken Gang entspannt.

Und füllbereiten, leichten Schrittes
Gerät jed Weg ins Nichts verziert,
Zieht unbeschwerten Lichtsinn mit, es
Verrät ein Strauch, der mich passiert,
Er sei noch lyrisch unbenannt.

Moon over Mittenwald & das eintausendsiebenhundertelfte Gedicht

Mondaufgang an der Viererspitze des Karwendelgebirges bei Mittenwald

Memento Mori Memento

Denk es in Handschweiß, denk es in Plastik -
Weiß wohl, du denkst: Scheiß Gedankengymnastik!

Das gräuliche Vergilben
Der Computertastatur,
Der Chor der Hausstaubmilben
In Ritzen dort singt, nur
Es hapert an Verständlichkeit:
Auch digital herrscht Endlichkeit.

Denk's in Accounts-, Clouds- und Updates-Verwalten -
Weiß wohl, du denkst: Das bleibt ewig erhalten!

Viererspitzenprimus & das eintausendsiebenhundertneunte Gedicht

Wiedenkätzchen vor der Viererspitze des Karwendelgebirges bei Mittenwald

Frühling in den Bergen

In den Bergen greift der Frühling glatt
Dem Winter zwischen die Beine.
Das Grün raunt: "Wie jefällt uns dat?!"
Jede Blüte postet unter #ichoderkeine

In den Bergen gleißen parallel
Das Schneeige und Kleeige -
Zwei Helligkeiten im Duell.
Schafft's heute der Noch- oder Schon-wieder-Fähige?

In den Bergen ist Frühling ein rüder Verdränger.
Der Winter weicht lästernd: "Ich kann dafür länger!"

In Mühlbach & das eintausendsechshundertachtundneunzigste Gedicht

Vogelhäuschen in Mühlbach an der Guflmühle

Ein weiteres schönes Gedicht zum Preise Heidelbergs (Following Hölderlin)

Heil den Zwerg in Heidelberg!

Die Leud' da sind von Fach und Werk:
Schau, schaukelnde Stühle! Kuck, kuckende Uhren!

Vom Gemüt reinste Lichkeit für Winzkreaturen.

'ne Spur geeisten Banns entsteht,

Wenn man statt weg viel sophisch geht.


Hölderniedlichst wird's Städtchen zur Miniatur –

Hier schicken wir Minni und Manni zur Kur!
Hei, del Berg und ei, der Daus!


Genug gepreist. Gedicht ist aus.

Residenzfassade & das eintausendsechshundertvierundneunzigste Gedicht

Fassade im Residenz-Innenhof

Flügge

Ganz unverwandt steht da ein altes Gedicht,
Das in mir fremder Sprache spricht,
In dem unwiderlegbare Vaterschaft ruht -
Und doch in all der Outputflut
Mir völlig unerfindlich bleibt.

Sei es, dass man jetzt verbindlicher schreibt,
Sei es, dass mich dieser Abstand verstört,
Weil noch nicht daran gewöhnt,
Dass ein Text sich so entwöhnt
Und allein sich selbst gehört.

Wendelstein & das eintausendsechshundertzweiundachtzigste Gedicht

Blick auf den Wendelstein vom Bahnhof Fischbachau

Skisaison-Abschlussvers

Wo zackig Skischuhschnallen schnappen
Da zwingt man zwanglos Füßelein
In die Schmerz-Haft von Salomons Fangeisen-Schlappen
Den herzlosen Klumpen aus Plastikgestein

Und kläglich grüßt das Murmeltier
Denn Schnee-Not wurmt den Schwung der Skier

Erst schabt man rum auf Eis(en)platten
Kratzig ratternd mit Gestöhn
Um dann im Sulz-Schnee zu ermatten
Doch wenn wer fragt, sag: Ist das schön!

Seeshauptufer & das eintausendsechshunderteinundsiebzigste Gedicht

Verschneites Ufer bei Seeshaupt am Starnberger See

Vierte Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Angst vor dem weißen Blatt, Discounter, Kratzbäume, Joggende, Porzellanservices und atomare Endlagerung.

Discounter & Mängel

Du magst sie miesgelaunt gern dissen,
Doch ich würd die Discounter missen,
Durch die manch Kontoeingangsflaute
Ich umstandslos wie satt verdaute.

Mich labten Sonderangebote
Ganz ohne ne besondre Note.
Nur

In die Mangel, der'n "der"-Pendant ich so entkommen,
Werden reziprok die Lieferanten genommen.
Drum nährt sich der Plan, nochmals umzuentscheiden,
Eröffnen sich mir wieder weitere Weiden.

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