Zehnzeiler

Föhnblick & das eintausendeinhundertdreiunddreißigste Gedicht

Münchner Hausberge und Frauenkirche

Frühes Frühlingserwachen

Die Luft sinnt klar mit reinem Klang
Vom Baden in der Kälte!
Wie immer ward das Warten lang,
Eh sich das Jahr erhellte.

Es rascheln Flieg- und Gliedertier
Ihr schieres "Wir sind wieder hier!",
Als gäb's 'nen neuen König!

Die Sehnsucht knistert blümerant -
Wie prickelnd plustert sich das Land!

Und dann wird es gewöhnlich ...

Maxvorstadt & das eintausendeinhundertvierundzwanzigste Gedicht

Alter Nordfriedhof München

Über Boten

Es schmiegt sich der tote
Griechische Bote
So schmuck in die Stunde
Nach Nachricht der Kunde
Vom Schicksalsschlagschlick Soundso.

Geschickt hetzte er zum Orte
Seiner letzten Worte
Mit der Loslast vom ungern Gehörten -
Jetzt mimt er den schwungvoll Zerstörten.

Gehört als Brauch ja auch zur Show.

Mainzer Rheinufer & das eintausendeinhundertzwanzigste Gedicht

Mainzer Rheinufer

Zweiter Frühling

Leise rieselt's zu tötender Schicht, die verzäht.
Sie schluckt glatt eine Stadt, die darunter gerät.

Durch die Leisheit des Rieselns zur Andacht gelockt,
Stapft manch Lausbub hinaus und wird untergeflockt.

Doch vor
Zugefror'nen Ohren
Stoppt der Eltern Schelte.

Mancher
Meint sich neugeboren
Als ein Kind der Kälte.

Trockenfisch & das eintausendsiebzigste Gedicht

Fischmarkt in Negombo

Vom Fernreisen

... fliegen Eindruck und Eindruck unprägsam dahin ...
Nur wohin mit dem Neubekannten?
Ich weiß nur noch wo, nicht mehr, wo ich noch bin
Seh ständig Elefanten

Von Geschmäcker Witterungen
Werd ich stetig angesprungen
Notier mir nichts denn Namen

Mein Heim ertrinkt in Souvenirs
Der Überflüssigkeit. Nur mir‘s
Bekannt, weshalb sie kamen

Treptower Park & das eintausendsechsundfünfzigste Gedicht

Das Treptower Ehrenmal

Das Treptower Ehrenmal

Den Treptower Ehrenmalerdhügelmann
schau' ich mir sehr gern und auch häufiger an

Ditt Hakenkreuz noch anne Hacken
rechts Schwert und links das Kindlein packen
wirft er gemächlich seinen Schatten
auf Gras und Grab- wie Gehwegplatten

Dem Dichter: Oase, herrscht allmächtig: Stille
Davon gibt's ja sonst hier nu wirklich nich ville

Und drum beehr' ich's hundertmal
als Versemehrers erste Wahl!

Luitpoldpark & das eintausendsiebenundvierzigste Gedicht

Luitpoldpark in Schwabing

Unherbst (Flammt ein Flämmchen)

Flammt ein Flämmchen alter Wärme
Um dein kaltes Haus
Sein Gemüt voll Wellnesstherme
Schrüht vor Saus und Braus

Dabei war bei uns Lethargie allseits beschlossen
Das Rücktrittsgedudel ward weidlich genossen

Was hadert das Gedärme?

Erst proklamiert sich neue Zeit
Nun schlampt sie mit der Gültigkeit
Und mogelt sich hinaus

Landschaftspark & das eintausendfünfunddreißigste Gedicht

Landschaftspark Nord

Linie 903

Gab's je genügend Traurigkeit
Sie diesem Ort zu spenden?

Caramba, Mutter, es wird Zeit:
Ich supp' schon vor Verenden!

Was an möglicher Schönheit hier degeneriert
Weil jegliches über- und unterdosiert
Kappt jeder Hoffnung Strang

Man säuselt der Besserung Segen entgegen
Vertäut mit nur einem von täusenden Wegen

Es däuert nur so lang

Venlo & das eintausendachtundzwanzigste Gedicht

Venlo Peperstraat

Lo Perfomer

Wenn Venloer Löwen und Buchloer Buchen
Gemeinsam 'n Fan von der J.Lo besuchen
Weil "Hi!" und Lo
Wie So und Though
Sich wörtlich nahe stehen
Fragt mit Verlaub
Und traumberaub
-t vom örtlichen Geschehen
Der Laubbaum bang das Landraubtier:
"Ähm, glaubst du, wir sind lange hier?"

Vent & das eintausendachtzehnte Gedicht

Ewiger Schneerest in der Rofenschlucht

Ripostegedicht auf "Ein alter Tibetteppich" von Else Lasker-Schüler

Der neue Balkanlaminat

Die Paneel'n, auf den'n wir liebend uns bahren,
Sind wilde Laminatbulgaren,

Die polnische Schwarzarbeit emsig verband
Mit der räudigen Note vom Billiglohnland.

Unsre fugenversunkenen Körper saugt auf
Jener holzimitatige Maserverlauf.

Süßer Lamisohn auf Sockelleistenklammerthron,
Ob nun Kunststoff uns federt oder Holz - hey, was soll's?!
Wenn Plank' an Planke ein Bund uns verknüpft?
(Und auch versiegelt ist er schon!)

Neubaugebiet & das eintausenddreizehnte Gedicht

Neubaugebiet am Olympiapark

Der Müllsammler

Dieser Schuh wäre noch zu gebrauchen in anders geordneter Welt
Es schmettert der Sinnöden Fauchen, wenn's feintaktig Ambosse prellt
Die Äcker für schlechtes Gewissen sind unakrobatisch bestellt
In die Böschungen wird nicht gebissen, nur gesinnungsharmonisch gebellt
Hier könnt' sich ein Mögliches spannen über Sterne, Himmel und Zelt
Doch ohne Tat zieht es von dannen - ich bin's, der sich zu ihm gesellt!

Ich hege mein Abseits wie andre ihr Geld
So kann ich in Reichtümern tauchen
Als wäre in anders geordneter Welt
Ein solcher Schuh noch zu gebrauchen

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