Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Ehre, wem Ehre gebührt & das zweitausendachtzehnte Gedicht

Das Goudron-Denkmal für Ernest Guglielminetti bei der Saltinabrücke in Brig

Briger Denkmäler (wider die Lebenswerkbürde)

Der Erfinderin des Cordon Bleu, dem Schöpfer der Straßenbeteerung
Und einem Piloten vom fernen Peru - die Stätten der Heldenverehrung
Sind in Brig
Auf einem Blick
Zwar spartig, doch sehr ausgewogen!

Nicht Päpste und Feldherr'n
Je nochmals als Held ehr'n
(die oftmals noch falsch abgebogen)!

Für den schmalen, genialen Moment statt fürs Leben
Den passenden Namen aufs Denkmal zu heben,
Ist von unumstößlicher Zeitlosigkeit,
Die vorm Größenwahn wendiger Trends scheint gefeit!

Jed Dasein benötigt Asphalt für die Raser,
Das Cordon Bleu, El cóndor pasa!

Massenevent & das eintausendneunhundertneunundneunzigste Gedicht

Badende Saatkrähen im Eiskanal

"Hast du eigentlich zugenommen?" (Mein Fett)

Ich habe mir so manches Pfund
Aus Faulheit angefressen
Und doch noch nie - aus gutem Grund -
Den Bauchumfang gemessen.
Längst bläht mein Körper, schwartenreich,
Sich feist aus seinem Rahmen,
Schlaff schwabbelt er sich, butterweich,
Zum Schauplatz welker Dramen.
Die Unform grölt manch Garstigkeit
Zwäng ich die Plumpheit in mein Kleid -
So resigniert an mir auch die
Kühnste Positivity,
Denn dieser Body flockt grad aus
Mit prallbrutalem Optikgraus!
Da wölbt die Wampe sich hervor
Als Walleibinselschmer,
Presst schmatzend sich durch jedes Tor
Aus schmalzdurchduns'nem Meer.
Es speckt der Wanst sein Zellulied,
Die Fleischigkeit zu gerben -
Die ratlose Ästhetik zieht
Als letzten Vorschlag: "Sterben!?"

Das scheint weise, denk ich leise,
Als ein Ziel von meiner Reise -
Kann doch grad ich fettes Schwein
Dann der Welt Entlastung sein!

Zugvogel? & das eintausendneunhundertsechsundneunzigste Gedicht

Überwinternde Gans am Flauchersteg

Pure Chance (Die Überwinterer)

Wenn ihr die
Hiesigen Breitengrade
Grad Unbehagen bereiten
Und ihr der Biss des Winters stinkt,
Tragen sie alsbald die Weiten
Ihrer Flügel und beschwingt
Gleitet sie gen Afrika
Für ein gutes Vierteljahr.

Dort gilt's bloß, Hyänenzähnen
Forsch die Stinkefeder zeigen!
Und beim Anblick größ'rer Mähnen
Hoch in heiße Höh'n zu steigen,
Um auf flirr'nder Luft zu segeln
Und der Rest wird sich schon regeln
Im besagten Vierteljahr.

Heute klagt man: Afrika
Sei noch so ein Sinnbild vom Voll-Übertreiben -
Man müsse doch gar nicht so weit!
Denn die, die im Froste vor Orte hier bleiben
Wärmt Flucht als pure Möglichkeit.

Absageüberbleibsel & das eintausendneunhundertfünfundneunzigste Gedicht

Der nach der Winter-Tollwood-Absage verbliebene Zauberwald mit glitzerndem Pegasus von Torsten Mühlbach

Lass mal an uns selber glauben

Scheint, dass ich mich beim Zwiebelnschneiden
Von Jahr zu Jahr verbesser!
Natürlich müssen da andre entscheiden -
Im besten Fall, freilich, die Messer!

Ich denk ja, dass für mich das Jahr
Zweitausend sehr entscheidend war.
Vermutung nur zwar, die durch wenig zu stützen
(wem sollten Details hierzu letztendlich nützen?) -
Doch setzt das Ergebnis ein ganz klares Zeichen:
Es lässt, was man wirklich will, sich auch erreichen!

Und das Schneiden von Zwiebeln ist fürs Kochen soo wichtig!
Wer echt an sich glaubt, kann's von selber bald richtig!
Im Jahre Zweitausend hat's bei mir dann gefunkt,
Rein kochtechnisch ein Wendepunkt.

Diesen Rat mag zur Weihnacht ich Mutlosen schenken:
Auch tränenden Auges stur positiv denken!

Brauner Lemur & das eintausendneunhunderteinundneunzigste Gedicht

Rückblick auf frühere Reisen: Brauner Lemur auf Madagaskar

Grund zu grunzen, Brauner Lemur!

Plumper, munt'rer Brauner Lemur
immer kregel, stets "Juchhe!" - nur
nennt zu selten jemand schön dich
weil dein Anblick zu gewöhnlich

Hockst halt rum auf allen Zweigen
tust auch ungesucht dich zeigen
Kaum zuckt wer 'ne Kamera
hockt die ganze Horde da!

Ein als Star hier Geltender
macht sich rar. Und seltener
kriegt ihn jemand zu Gesicht

Dir, du Racker, liegt das nicht

Tegernseeufer & das eintausendneunhundertfünfundachtzigste Gedicht

Seepromenade Tegernsee

Jesses, jetzt ist Weihnachtszeit!

Wenn die Blagenmeute schreit:
"Wir woll'n mehr Behaglichkeit!" -
Jesses, dann ist Weihnachtszeit!

Fachet an der Kerzen Lichter!
Wärme strahlt als Erbstreitschlichter
Und das Wachs glänzt golden.

Ruhe liegt im sanften Flackern -
Uns soll nach dem trüben Ackern
Sinnlichkeit besolden!

Brennt das Haus dann lichterloh,
Ist das auch sehr sinnenfroh.

Wenn ob der Geborgenheit
Sorgen sich die Rettungsleit' -
Jesses, dann ist Weihnachtszeit!

Winterabend & das eintausendneunhundertvierundachtzigste Gedicht

Abendstimmung am Tegernsee bei St. Quirin

Land der Karren

So ein wenig werd immer dies Bayern ich hassen
Als Letztbastion der Automassen!
Hier bullert die "packmascho!"-Selbstherrlichkeit
Und überall, Kerl, steht ein Traktor bereit!

Letztlich wird uns der Seppi nie hinreichend Mann,
Weil er viel zu oft nicht mit der Axt schlägt. Und dann
Ist sein Triumphgeheul hernach so leise -
Wir johlen und jodeln auf kernige Weise!

Herr, schütze uns Bayern vor Weicheigebrechen,
Vor ungenutzten Ladeflächen!
Gib uns einen Grund zum Besorgungenmachen
Und mag deine Huld unser Brennholz bewachen!
Lass unseren Lieben kein Unbill passieren
Und mich meinen Führerschein niemals verlieren!

So ein wenig werd immer dies Bayern ich hassen
Als Letztbastion der Automassen!
Hier bullert die "packmascho!"-Selbstherrlichkeit
Und überall, Kerl, steht ein Traktor bereit!

Weihnachtsstern & das eintausendneunhundertzweiundachtzigste Gedicht

Laternenbespannung am Univiertel in der Luisenstraße

Pizza Diavolo

Was haben wir denn hier ...? Oha, insgesamt
Siebenundzwanzig Pizzamodelle!
Ich denk: 'Inspirierend.' Zugleich auch: 'Verdammt,
Wie nun wählen auf die Schnelle?'
Es gibt ja die Dinger mit jedem Belag -
Seit neulich auch ohne Tomatensoß! -
Hier reiht sich einand', was ich grundsätzlich mag
Und tummelt die Auswahl erst groß.
Doch Schinken, Sardellen und Kapern? Heut nicht.
Auch andere Meeresfrucht: Muss nicht sein.
Ich mag etwas Übersicht auf höchster Schicht -
Schon schrumpft jener Pool wieder ein.
Ja, wenn ich mal Pizza ess, dann gerne scharf!
Artischocken find ich sehr oft fade,
Bei Ei und Spinat gibt's kein'n Nachholbedarf ...
Findet noch was meine Gnade?
Es drängt die Entscheidung, der Kellner ist da!
Was sich bewährt hat, bleibt abermals gut.
Ihr scheint meine Wahl etwas langweilig zwar -
Doch sagt wer, es gänge um Mut?

Okaygesättigt fragt's dich, ob du
Zufriedener wärst, griffst du einfach daneben.
Nun, es kommt schon irgendwann dazu!
Vermutlich erst in einem späteren Leben.

Seinesgleichen & das eintausendneunhundertneunundsiebzigste Gedicht

Flamingos im Zoo Berlin

Das letzte Blatt (Herbst im Salon)

Die ausgeteilten Karten
Hat sie nicht mehr aufgenommen.
Daneben, längst verkommen:
Die mit Ehrfurcht aufbewahrten
Pralinés (und nicht Pralinen
Sagt - wer preisbewusst - zu ihnen)
Von der Firma mit dem Namen
Und dem Flair vergang'ner Zeit,
Da ein Bridgetisch steht bereit
Für Partien von großen Damen
(Die sich niemals Frauen nennen
Und an Pralinés erkennen)

Und stoisch wirbt dieses verdeckte Blatt,
Da die Fotos von ihr längst verblichen.
Nichts von einst gepflegtem Trott findet noch statt
Und der Glanz der Callets ist gewichen.

Außerirdische & das eintausendneunhundertfünfundsiebzigste Gedicht

Elefanten vor der Hochhausnachbarschaft vom Zoo Berlin

Man on Mars

Die Kühle flüstert mir zu,
Ich sei der Erste auf dem Mars.
Minus 63 Grad und du
Sprachst: "Guten Flug, monsieur - das war's!"

Noch verspricht ein Schwerkraftgruß:
"Du wirst dich leichter fühlen!".
Doch am Olympus Monsens Fuß
Wird sich jed Hoffnung verkühlen.

Die Berge werden immer fremder,
Kälter, höher, steiler.
Wer glaubt da an östliches Morgengedämm? Er
Setze mich auf den Verteiler!

Ich errechne noch, wie lang die Jahre nun sind,
Aber mag das Ergebnis nicht seh'n.
Es war ja der Plan, dass ich tunlichst verschwind,
Und nicht, den Planeten,
Den frostwindumwehten,
Mit Forscherelan zu versteh'n.

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