Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Pantai Dalit Beach & das zweitausendvierhundertvierundfünfzigste Gedicht

Der Strand Pantai Dalit vom Shangri La Hotel Rasa Ria

Sandbürge

Wie kann von Unaufhörlichkeit
Entrartes Gut so wertvoll sein?
Es wellt und schwappt die ganze Zeit,
Doch dämmt's seinen Effekt nie ein,
Dass die knapp-über-Kniehöhe Meeresportion
Nach kürzestem Anlauf berauschet mich schon,
Dass der Wind, der mir andernorts Ärger bereitet,
Hier frisch erfrischt in meine Riechlöcher gleitet.

Wie fix ich dann befruchtet bin!
Und wie ersoffen all das Stressen!
So hoffnungsfroh pflügt mich ein Sinn
Ins ewiggleiche Unermessen!

Und der endlose Sand kitzelt durch meine Zehen -
Schon ist es um mich durch ein Für mich geschehen.

Sungai Sarawak & das zweitausendvierhundertdreiundfünfzigste Gedicht

Der Fluss Sarawak bei der Stadt Kuching

Normromantik

Romantik nimmt Platz auf den günstigsten Plätzen
Per "Man muss mich mögen, so stumpf, wie ich bin!"
Mit Ansprucherheben wird man sie vergrätzen -
Sie gibt sich den gängigsten Strickmustern hin:

Rosen, Sonnenuntergänge,
Dösende Pianoklänge,
Weinglas-Paar (besonders teuer),
Schummrig Light und Lagerfeuer,
Venedig- und Paris-Ausflüge,
Komplimente bis zur Lüge,
Schnell zufrieden, voll empathisch,
Niedrigschwellig, demokratisch.

Romantik ist - einfach - für alle - zu haben -
Die unprätentiöse der wertvollen Gaben.

Oct 20, 1973 & das zweitausendvierhundertsechsundvierzigste Gedicht

Wahrzeichen der "Town of peace" Sri Aman, vormals Simanggang, in Erinnerung an die  "Deklarasi Sri Aman", die hier am 20. Oktober 1973 unterzeichnet wurde.

Sri Aman

Chinesische Shophouses säumen die Straßen
Und alles geleitet zum breitbraunen Fluss.
Ein Blechkrokodil mahnt uns (die's lange vergaßen):
Dem Dschungel dient jedes Motiv als Genuss.

Das Ur- unsrer Wälder gilt scherbenbesiegt -
Doch die Fallzahlen prahlen mit Splittern.
Die Spatzen bezetern, dass niemand mehr fliegt
Im Geblitze von leeren Gewittern.

Zwischen Rückzug und Aufbruch wird so viel gedeutet
Und im Fort lauern greise Kanonen.
Vielleicht wird noch manches Mal Manches erbeutet,
Doch die Stadt, sie beschränkt sich aufs Wohnen.

Und der Rauch der verlegenen Streetmarket-Stände -
Er verfliegt ohne weitere Noten.

Doch der Strom, er verbirgt noch zu schreibende Bände -
Darum bleibt weiters Vorsicht geboten!

Borneo & das zweitausendvierhundertfünfundvierzigste Gedicht

Hafen am Batang Ai Stausee

Sarawak

Vor Jahren ward es fester Plan,
Ist dann Prospekt geblieben.
War damals direkt angetan,
Doch ließ mich stets verschieben.

Ich vagabundierte durchs Vorzügegeben:
Mal nach dort, mal sofort, mal geplant und mal eben.

Den Prospekt letztes Jahr dann ad acta gelegt
Ins Archiv des Recycling-Containers -
Nach dreißig Jahr‘n immer noch sehr gut gepflegt
(Ich hab mir gedacht, ich erwähn das)!

Was hat mich damals fasziniert,
Wie weiß ich, was noch stimmt?
Manchs Traum Buffet an Wert verliert,
Sobald man davon nimmt ...!

Doch ich ließ, prospektlos aufgebrochen,
Mein dreißig Jahr jüngeres Herz wieder pochen
Und erkenne: Was einst meine Neugier gerührt -
Es versteht sie noch immer zu stillen.
Ein sehr langer Weg hat mich hierhin geführt
Aus tief eingefrorenen Willen.

Ex-Heizkraftwerk & das zweitausendvierhundertzweiundvierzigste Gedicht

Das neue Kulturkraftwerk Bergson in Aubing

Heldenfantum

Joi, bald können auch wir wieder Helden gedenken,
Kränze kredenzen und Mitgefühl schenken,
Den Stolz in die trauernden Heulsusen rammen
Und ausweglos heucheln, hier gäb‘s ein Zusammen.

Denn nie sind es die Söhne der Einsatzbefehle,
Die die Schützengräben düngen.
Nie sind es die Söhne der Uni-Hörsäle,
Die Altersdurchschnitte verjüngen.

Doch wir formen das Wording der Einladungs-Cards
Und wir kümmern uns um das Design.
Wir spiel‘n gern die Liftboys des Ranghöhegrads -
Durchaus offen, doch niemals gemein.

Wir bestatten auch Matsche (wir horten ja Würde),
Beklatschen die Opfer als unsres Volks Bürde
Beim Kränzekredenzen und Mitgefühlschenken -
So vollendet durchregt, wenn wir Helden gedenken.


 

Ruhrpottglühen & das zweitausendvierhundertvierzigste Gedicht

Blick von Überruhr auf Essen-City

Marshallpläne

Mit Aus-der-Zeit-Gefallenheit
Respekte einzufordern,
Aus überfühltem Krallenneid
Gleich Bergketten zu ordern,
Den Einbahnstraßenschildern
Der Veränderung zu trotzen,
Nach maßverirrtem Wildern
Mit Trophäen rumzuprotzen
Und der geschenkten Gäule Zahngold
Unverzollt zu horten? -
Hast, Witzbold, lang genug gehowlt
Als Sprössling bess'rer Sorten!

Planst, alle Möbel dieser Stadt
Zurückzurecht zu rücken
Und jedes aufgeschlag'ne Blatt
Mit Post-Its zu bestücken?

Wirst colt-bereit am Einfahrtsgleis
Den Sheriffstern polieren -
Und jeder "You're too old!"-Beweis
Wird dich nicht interessieren.

Küstenlinie & das zweitausendvierhundertachtunddreißigste Gedicht

Varadero Beach

Theoretisch abstürzen

Wie viele juveniler Räusche
Hab ich nach Dammbruch ausgekotzt?
Achtzig (wenn ich mich nicht täusche) -
Wild aus Aug und Maul gerotzt.

Nicht brutal oft, auch nicht wenig,
Und höchst selten gilt: Ich sehn mich
Nach der Zeit zurück - der Non-Stops,
Jägermeisterrunden, Headshots,
Einspritzer im Trinkspielwahn,
Konterbier im Mittagstran ... -
Da ich mich der Sechzig näh're
und mir gruselt jetzt, ich wäre
Nochmals so vom Rausch gepfählt.

Hab drum vieles abgewählt.

Doch ich spür nun, auch ohne ins Tun zu versinken:
Heute ist so ein Tag, hey, zum richtig Betrinken!

Alle Rechte bei Ute Kratzer, die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2024 erstanden hat.

Blick von der Liege & das zweitausendvierhundertzwanzigste Gedicht

Die nutzlose Zeit

Du köstlich verstreichende nutzlose Zeit,
Ich winke dir vom Pool-Rand zu!
Gern wär ich zu reicherem Output bereit,
Doch saug vom Honig deiner Ruh.

Ich lasse meine Blicke schweifen,
Ohne meinen Kopf zu dreh'n.
Reizt's mich Geseh'nes zu begreifen,
Ist eig'ntlich schon zuviel gescheh'n.

Wo immer Schönheiten mich streifen,
Ruf scheu ein Schaudern ich hervor,
Mit Reizes Flut mich einzuseifen -
Das pflegt die Zeit, die ich verlor.

Es zählt kein Tag, wo sonst schon Stunden
Im Zerrbild der Bedeutsamkeit
Sich aufgebläht. Lass dich erkunden,

Du kostbare, streichzarte, nutzlose Zeit!

Alle Rechte bei Markus Berg, der das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2024 erstanden hat.

Hartgestrüpp & das zweitausendvierhundertachtzehnte Gedicht

Anmutungen

Ach, ihr seid noch gar nicht vorbestraft?!
Hat man euch nie erwischt?
Habt ihr per Ausseh‘n mich verarscht,
Verruchtheit aufgetischt?

Rasiert man außerhalb vom Knast sich
Denn derart hart den Schädel?
Blasiertheit war‘s allein, dass fast ich
Evakuiert‘ mein Städel!

Die Tattoowucht entsprang allein
Spätjugendlichen Zwängen?
Gefängnis stünd euch wirklich fein!
Ich will euch da nicht drängen,

Doch optisch passt ihr wunderbar
Auf den Justizvollzugsalltar!
Die Härte, die ihr darstell‘n wollt -
Die ließ sich dort beweisen!
Ihr würdet nur, dort reingetrollt,
Halt weniger verreisen.

Altöttinger & das zweitausenddreihundertachtundneunzigste Gedicht

Süße Auswahl in einem Supermarkt in Altötting

Sommer der Bäuche

Dies wird der Sommer der Bäuche
Und Nabelbeschauung!

Es trennt meinen Blick nur 'ne hautdünne Schicht
Vom Därmegeschläuche
Der Damenverdauung -
Mein lüsternes Schmachten kühlt nun dies Gedicht.

Wie sollt ich den Flaum deiner Unterbauchwölbe
Mich nicht durchwehend wähnen?
Wie mündete nicht ich im Auch-nur-das-sölbe! ?

Beim letzten Sehnendehnen
Dem Triebe-Trubel abzuschwör'n
Entgegen bisheriger Bräuche?

Steht da als Option. Und ich wählte sie görn.
Doch nicht in 'nem Sommer der Bäuche.

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