Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Trinkfestigkeit & das eintausendzweihundertachtzigste Gedicht

Bayerntower auf dem Oktoberfest München 2019

Britta frei'n & Ritter sein (Reprise auf "Ritter sein", Gedicht Nr. 116)

Ach, litte ich am schweren Sein,
So tränke ich zwei Liter Wein
Bloß um im nächsten Schritt zu schrei'n:
"Hier passt auch noch ein dritter rein!"
Würd dann - um wieder fit zu sein -
Kurz in den Pool von Britta spei'n.

Auf meine Bitt' dies zu verzeih'n,
Guckt' Britta leicht verbittert drein.
"Mir muss da was entglitten sein!
So'n Shit ist nicht der Sitte mein!
Hab schließlich stets getwittert, ein
Ganz großer Fan von Britt' zu sein!"

So leicht lässt sich ein It-Girl frei'n:
Geschmeichelt lud mich Brittalein
Zum Ritt in ihre Mitte ein -
Da darf man auch mal Durchschnitt sein!

Heut' braucht es für des Ritters Weih'n:
Den Mut zur dritten Pulle Wein,
'nen Tweet im Zwitscherei-Verein
Und einen Pool um reinzuspei'n.

Nun ruft ein Witzbold mittendrein:
"Ich fänd's für meinen Eintritt fein -
Und denk, im Vers mit Brittalein
Passt gut ein Reim mit Titten rein!"

Das möcht' ich mir verbitten, nein.

Eibseetotale & das eintausendzweihundertfünfundsiebzigste Gedicht

Blick von der Zugspitze auf den Eibsee

Vier Zeilen Neid, vier Zeilen Skepsis

Als schützten dich milde Barrieren,
Staut das Grauen sich vor deiner Welt.
Noch lässt sich ein Zutritt verwehren,
Noch stützt, was entgegen gestellt.
Doch die Unbändigkeit der Bedrohung
Spürt, dass Kraft sich bald lautstark entlädt.
Und du alterst in jene Verrohung,
Die ungerührt schon nach dir späht.
Auch ich fühlte einstmals mich sicher,
Auch mir hielt ein kindlicher Deich
Mein niedlich geblümtes Gekicher.
Nun bin ich von Unglück so reich.

Nun, als zahmer Täter schlüpft dein Los
In kleidsame Versprechen.
Doch hält es all die Zügel bloß,
Um später auszubrechen.

Chinesischer Pavillon & das eintausendzweihundertdreiundsechzigste Gedicht

Chinesischer Pavillon im Park Sanssouci

Neocollognia (da simmer dabei, dat is prima)

Du Fritte im Gourmet-Verdauen
Du "Gib die Handy, sonst verhauen!"
Du G-Rap-Deppen-Resterampe
Du Speckgurt einer Dönerwampe
Von Billigshops durchsetzte Pampe
Mit alles Mütter, außer Schlampe
Da simmer dabei, dat is Prima-tenniveau
Doch alles nur Tarnung, hey, alles nur Show!
Wir lümmeln uns im Off so gerne
Mit offensivster Bildungsferne
Dass keine Zitty-Tip(p)sen schreiben
"Trendkiez Neukölln – die komm'n um zu bleiben."
Fürs Parabolier-Paradies
Schein'n selbst Studenten sich zu fies
So'n Sonn'nallee-Flat – na, das will doch keiner?
Mein So'n, Allah schuf auch den Mediendesigner!

Keine Grenzallee stoppt Galeristen
Trotz Allahgien sich einzunisten
Und wer vermiest den Werbe-Miezen
Ihr Siedeln in den Sudelkiezen?
Die fallen via Kreuzberg ein
Als besserzahl'nde Mietpartei'n
Spür wie der Mond ins Ghetto kracht
Wenn John uns hier Ristretto macht!

Zwischen Volcan und Volkern, zwischen Alis und Marlies
Un' selbs' die Tourischte han letztens ers' da gwis
"Na, sag ma', von wo kommscht denn du her, mein Schatz?"
"Was fragst du komm' ich her, Mann?! Platz
Ej, ich bin noch alte Assi-Garde!"

Die werd'n jetzt selten.
Jammerschade.

Westufer & das eintausendzweihundertzweiundsechzigste Gedicht

Schliersee Westufer

Zwischen den Frieden

Zum Gelingen des Lebens fehlt dir jeder Einwand
Meinen Wunschzettel scheltest du Gier
Weil den förmlichen Frieden ich etwas zu klein fand
Für die Partyausstattung vom Hier

All der Streit ward mir nicht in die Wiege gelegt
Ich nannte mich einstmals bescheiden
Was des Ärgers nicht würdig, hat mich nie zerregt
Was sollte man unnötig leiden

Dein Gezwäng aber spitzt sich aufs Kommende zu
Das mag ich dir nicht überlassen
In dem Bannkreis vom allüberstrahlenden Du
Will ich nicht noch weiter erblassen

Man muss sich nicht auf anderer Kosten verstärken
Doch hier geht es schlussendlich um Stil
Den Triumph werd' vermutlich ich nicht mal bemerken
Nur es scheint, er bedeute noch viel

Schlossturm & das eintausendzweihundertzweiundfünfzigste Gedicht

Turm vom Schloß Krumau

Born to be wild

Pneumatisch seufzen die S-Bahntüren
und irgendwer klagt über Studiengebühren
'ne andre mault heulend ins Handy: "Ja, toll!
Kannst du mir mal verraten, was das hier jetzt soll?!"

Mit dem Hier & Jetzt fremdeln doch alle im Grunde
und die Tür seufzt schon wieder und öffnet die Wunde
löscht das Windlicht frühkindlicher Jobperspektive
hier Pfiff-Moderator, da Yps-Detektive
Zum Diskodance ins Jugendheim
dann asozialisiert mit Slime
überall Krawall, yippieyeah, Remmi-Demmi
und niemand war uns je so motör wie Lemmy
Und wie hieß noch der Film? Easy Rider, genau!
Tja, da lieg'n halt die Grenzen vom ÖPNV ...

Born to be wild
aber jetzt geht's ans Sterben
und wer sich da nicht beeilt
wird den ganzen Scheiß erben
Letztlich war alles zu sehr ein Versuch
letztlich sagt immer wer: "Komm, is' genug!"

Und dann ab in die Clubs! Und die Clubs – das war'n wir!
Und die, die das sagten, sind immer noch hier
haben kapriziös sich am Einlass verpfändet
für den Schein einer Jugend, die nie wieder endet
hetzten Jobs, Trends und Bands nach, suchten – Herrgott, was weiß ich!?
Auch wir drängten uns hechelnd, viel zu schnell durch die Dreißig
und müde ob der x-ten geopferten Nacht
seufzen wir fast pneumatisch – wie's die S-Bahntür macht:

Born to be wild
aber jetzt geht's ans Sterben
und wer sich da nicht beeilt
wird den ganzen Scheiß erben
Letztlich war alles zu sehr ein Versuch
letztlich ruft immer wer: "Komm, is' ..."

Moldauschleife & das eintausendzweihundertfünfzigste Gedicht

Blick auf Krumau an der Moldau

Im letzten Sommer

Die Wespen schwärmen hungrig aus
Und stehlen den Motten ihr Licht.
Selbst der kundigste Waidmann trägt nichts mehr nach Haus,
Er sieht sich nicht mal in der Pflicht.

Der Sommer schwenkt das Hungertuch,
Doch schon längst wird an Zähnen genagt.
Treuer Unmissverstand ziert des Jahreslaufs Fluch,
Der hatte im Schatten geparkt.

Du predigst stoisch Zuversicht,
Aber irgendein Jahr gilt zuletzt.
Wie der Frühling uns einwebt im einstfernen Licht,
Verschanzt sich der Zauber vorm Jetzt.

Du traust dem Kreislauf alles zu,
Doch ein Blatt fällt, das scheint überreizt.
All das Wespengeschwirr billigt mir keine Ruh.
Vor Herbst wird der Stammbaum verheizt.

Krumau & das eintausendzweihundertzweiundvierzigste Gedicht

Blick auf Krumau an der Moldau

Reim & Insta

Ich glaube, du könntest auf Insta sehr schön sein!
Es gibt dort entsprechende Filter,
Dass all die ergriffenen Follower stöhn'n ein:
"So sweet, escht! Sin' vollschöne Bilter!"

Die reale Welt bietet nur Ungünstigkeit
Von Winkeln, Momenten und Licht.
Sie zerrt deine Aura zur Unkenntlichkeit -
Ein prosagedrucktes Gedicht.

Aber kundig posiert vor der Linse vom Smartphone
Verwäscht sich die Unförmigkeit der Figur -
Dank Portraitautomatik beglänzet dir zart schon
Feinster Glamsternenstaub deine Hilflosfrisur.

Und glaub' mir, du ließest dich sehr schön bereimen!
Denn gleich Filtern obliegt's mir als Dichter,
Die Grobporigkeit deiner Haut zu entkeimen,
Weichschönend als Wirklichkeitsrichter.

Du siehst, man hat dich falsch geboren -
Du bist zur Schönheit auserkoren!

(Gleichwohl entwertet bald das Bild,
Dass dieses halt für alle gilt.)

Isar & das eintausendzweihundertdreiunddreißigste Gedicht

Am Isarufer bei Thalkirchen

Der alte Fluss

Nun, mir scheint, du bist noch einmal träger geworden
Und ich denke, ich kann das versteh'n.
Nach oben ist Süden und unten ist Norden,
So lang sie die Karte nicht dreh'n.

Aber neuerdings schreit es, man müsse entscheiden,
Ob dein Süden sich richtig verhält.
Für irgendwen nimmst du klammheimlich Partei, wenn
Du sagst, das sei nicht deine Welt.

Du kannst nicht einfach durch zwischen Osten und Westen,
Weil du meinst, das seist du so gewohnt.
Die halten sich nicht nur zum Spaß für die Besten.
Man hat dich sehr lang schon geschont.

Und nun hast du den Drive für die Ufer verloren
Und du hoffst, man wird dich überseh'n,
Wenn Irrtumsimmune nach neuem Plan bohren.
Ich denke, ich kann das versteh'n.

Rochuskapelle & das eintausendzweihundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Rochuskapelle bei Bingen

Wegen, wegen, Wegen! (Die Goethe-Ruh am Rochusberg)

Nur wegen Goethe flöte ich,
Der Klötgen Frank (auch: Klöterich),
Auf dem allerletzten Loch -
Und doch die Roch-
Uskapelle hat der Mühen gelohnt
(ich bin nur solch Fußwege nicht mehr gewohnt)!

Mit dem Kirchlein an sich hat es gar nichts zu tun (ich
Find's weder verwegen, noch richtig ruinig),
Denn es hat ja seit meiner schöngeistigen Häutung
Das Geistliche (meist) für mich keine Bedeutung.

Doch durch des Kreuzwegs Schatten schleich ich
Mich lichtungswärts ins wahre Reich, ich
Hocke müd mich hin im Schauen
Auf die Rüdesheimer Auen.
Und in des Rheins und Weines Weiten ...
Da stapeln sich Erhabenheiten.

In solcher Natur wähne ich meinen Segen.

Und bleib' auf der Spur von mir ähnlichen Wegen.

42 Kilometer & das eintausendzweihundertsiebzehnte Gedicht

Arkaden von Bologna

Unter Arkaden

Den Stau der von Marmor geglätteten Kühle
Flattert kühn eine Schwalbe aus Warmluft entzwei,
Ein Wind drängt die schwerfällig dreharme Mühle
Zum Durchwirbeln der zeitlosen Aircraft-Kartei.
Mancher Hauch ist hier auch schon vorm Zeitmaß gewesen,
Riecht kellerdunstschmauchig, jahrhundertbelesen,
Ist vom Blitztakt des Lichtspiels nur passiventzückt,
In platzhirschgebührende Langmut entrückt.

Wie verlahmt schlurft mein Dasein mit latschigem Schritt -
Der gewinnt erst im Nachhall der Architektur!
Die bewahrt ihren Wert und veredelt mich mit -
Ich fühl mich beheimischt trotz Sightseeing pur.

Und geschmeidig befächelt von Grade-Kaskaden,
Ein Lächeln vom Bad in den alten Arkaden,
Bestürmt frühe Anmut die Sehnsucht der Haut -
Ich bin von der Straßen Zug gleichsam erbaut.

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