Dutzendzeiler

Eshu & das eintausendsiebenhundertzweiunddreißigste Gedicht

Eshu Statue im Museum Fünf Kontinente

A Prayer to Eshu

Oh Eshu, treuer Gott der Schelme,
Es häufen sich Gründe für Interventionen!
Die Spießer tragen wieder Helme,
Die Scheinheiligkeit fragt nach scharfen Patronen.

Man rüstet sich mit klaren Bildern,
Hat den Widerspruch eindeutig kanalisiert -
Dies eitle Wissen zu durchwildern
Scheint erlösend, da Einwandsnot langsam pressiert!

Ach Eshu, setze deine Fragen,
Bügle grautönend Wahrheit in Koexistenz,
Polter Zwang aus frisch zu wagen
Und dräng Engstirnigkeit in die Weite, sonst brennt's!

Ruhpoldinger Kätzchen & das eintausendsiebenhundertachtzehnte Gedicht

Frühlingserwachen in Ruhpolding

Frühlingstöne

Es stülpt sich aus der Starre
Ein beplüschter Gruß hervor,
Zupft an der F-Gitarre,
Spitzt das zart gescheckte Ohr,

„Akkorde, Akkorde!“, fordern da Chöre,
Ihr Echo frohlockt prickelnd: „Sekt, Sekt, Sekt!“,
Es bersten vor Fülle die Bäuche der Störe
Und stracks wird die Tanzwut der Pollen geweckt.

Alles bugwellt ein Leben,
Das sich wiedererhellt -
Mit symphonischem Beben
Enthüllt sich die Welt.

Steigblick & das eintausendsiebenhundertdreizehnte Gedicht

Mittenwald Höhensteigblick

Das Bergdorf (Rückkehr der Kafire)

Sehnsuchtslang senkt sich mein Blick
In das leere Tal -
Ach, Kafire, kehrt zurück,
Segnet unser Mahl
In der verödenden Eintönigkeit!

Dies Dorf durchdröhnt eine Kleingeistigkeit:

Daseinsstumpf stirbt jedes Fest,
Schönheit wird verhöhnt -
Ach, dass ihr mit diesem Nest
Wieder euch versöhnt,
Bin ich von Gott zu erfleh‘n noch bereit.

Wiederersteh‘, Dorf, in Ungläubigkeit!

Isarflößer & das eintausendsiebenhundertzwölfte Gedicht

Mittenwald Flößerstatue

Wider Ornamente

Zu Ich!-ig, zu masse-lig
Sicherlich muss man sich
Nicht entscheiden
Für eines von beiden.

Doch öfter als gelegentlich
Kann ich beides gleich nicht-leiden.

Bald erscheint es mir, ich hasse
Jedes Ornament der Masse,
Drauf bespicke ich mit Tadeln
Sich im Chic des Selbsts zu adeln.

Doch von beiden sich zu trennen,
Kann ich als ein Ziel erkennen.

Walchensee & das eintausendsechshundertvierundachtzigste Gedicht

Walchensee in der Morgensonne von Urfeld aus

Die verdödelten Tage

Das Verdödeln der Tage
Trübt ganz ohne Frage
Wie blöde die Selbstachtung ein.

Gegen Abendrot wären
To-Dos noch zu klären
Und Stundenmüll sich zu verzeih'n.

Das Verdödeln der Tage
Muss ganz ohne Frage
Auf Kosten der Selbstachtung geh'n -

Wie mit Stubengehocke
Ich Restzeit verzocke,
Ist anders ja nicht zu versteh'n.

Erste Knospen & das eintausendsechshundertsiebenundsiebzigste Gedicht

Erste Frühlingsknospen in Bayrischzell

Morgentau

Es wirft ins Spiel der Morgensonne
Sich mein Schatten als Körper der Nacht.
Da pampt die frischgeschlüpfte Wonne:
"Nun, so war das gar nicht gedacht!"

Da sich der neue Tag entpellt,
Verschärfen sich meine Konturen.
Wenn sich die Welt um mich erhellt,
Folg ich den beschatteten Spuren.

Dann unterlauf ich frühe Schwärze,
Von der Kühle als Sorglos erfrischt,
Dass alle Unbill wie zum Scherze
Sich mit Baby-Elanen vermischt.

Aubach & das eintausendsechshundertfünfundsiebzigste Gedicht

Heuballen auf einer Weide bei Bayrischzell

Vierte Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Angst vor dem weißen Blatt, Discounter, Kratzbäume, Joggende, Porzellanservices und atomare Endlagerung.

Atomare Endlagerung

Hier verewigt sich Gefahr,
Ein gefrorenes Drohen wird zellophaniert,
Spätre Welten sind ganz nah,
Da der Altlasten Lohen sich fortpotenziert.

Wir sind unaufhörlich da,
Liegt der Rest vom Vermächtnis auch schwindend in Trümmern,
Verbleibt ein Ist von dem, was war,
Mitsamt der Verpflichtung, sich hierum zu kümmern.

Ein Gewölbe als Altar,
Mit Monstranzen der einenden Kontemplation -
Hier verewigt sich Gefahr
In Granitkathedralen, in Salz oder Ton.

Wendelsteinalm & das eintausendsechshundertvierundsiebzigste Gedicht

Blick von Bayrischzell auf die Wendelsteinkette

Vierte Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Angst vor dem weißen Blatt, Discounter, Kratzbäume, Joggende, Porzellanservices und atomare Endlagerung.

Porzellanservices

Wir repräsentieren beim stolzen Servieren
Die bürgerliche Empathie,
Zieren das Filigrane mit sehr, sehr viel Sahne -
Ein Weiß mit Nachkaufgarantie.

Es trotzt allen Wirren im vornehmen Klirren
Des eingebrannten Standards Pracht.
Die zarte Dekorsschicht ermahnt uns zur Vorsicht -
Hier thront des Tischtuchs letzte Macht.

Noch wahren sich Formen in pfleglichen Normen,
Noch leisten wir uns die Manier.
Wer weiß, was wir wären ganz ohne Saucieren -
Uns nährte das gute Geschirr.

Fähranleger & das eintausendsechshundertzweiundsiebzigste Gedicht

Vereister Fähranleger bei Seeshaupt am Starnberger See

Vierte Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Angst vor dem weißen Blatt, Discounter, Kratzbäume, Joggende, Porzellanservices und atomare Endlagerung.

Kratzbäume

Manch Verzweiflung, mancher Wut
Täte so ein Kratzbaum gut -
Wo man seine Krallen wetzt,
Eh man sich mit allen fetzt.

Ach, dank unsrer Kultiviertheit
Schleift sich manches nicht ins Lot -
Derweil Frauchen "Mehr Geduld!" schreit,
Türmt sich ungemahlnes Schrot.

Manch Erregung bräuchte halt
Einen ganzen Kratzbaumwald -
Bis der letzte Kater ratzt
Seelenruhig, abgekratzt.

Roseninsel & das eintausendsechshundertachtundsechzigste Gedicht

Blick auf die Roseninsel im Starnberger See

Binnenlichtblicke

Aus der Tiefe des Raumes raunt dein Kühlschrank ins Hier:
"Ich will dir ein Freund sein, ich kühl und gefrier,
Werd deine Versorgung von Sorgen entkeimen -
Bin wirklich sehr angetan von deinen Reimen!

Auch der Stuhl juchzt, wie cool es sei dich zu be-untern,
Und mag nun zu neuen Gedichten ermuntern.
Und
Tiriliert nicht die treu isolierende Tür:
"Hätt'st du einen Vorschlag - ich wär schon dafür!"?

Dann

Lass dich nicht zu sehr beschwingen
Von von dir bezahlten Dingen!
Solch Binnenlichtblicke sind nur eine Falle -
Denn draußen, da hassen dich ausnahmslos alle!

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