Achtzeiler

Erg Chebbi & das eintausendachthundertsechzigste Gedicht

Riad Azawad in Erg Chebbi

Verwüstung

Der Tod schleicht heran in kleinen Dünen -
Geschwindigkeit gilt nur Moribunden als Maß.
Schon bemächtigt sich Sand unsrer hocheitlen Bühnen,
Gilt baldigst entschwunden das Rühmen des Narrs.
Im lautlosen Rieseln der nichtigsten Körner
Besiegelt sich all der Schauwert vom Jetzt -
Sie wetzen den wütendsten Stieren die Hörner.

Unaufhörlichkeit, die letztlich alles ersetzt.

St. Maghretz & das eintausendachthundertsiebenundfünfzigste Gedicht

Im Zentrum des marokkanischen Wintersportorts Irfane

Skiing Marocco

In Irfane hofft man schon
Auf eine gute Skisaison.
Die dauert dann, so Allah will,
Von Frühoktober bis April.

Die unerwartbarsten aller Pisten
Wedeln von den Bergen Afrikas.
Sie stehen im Atlas unter Atlas
Und ansonsten auf niemandes Listen.

Rabat & das eintausendachthundertzweiundfünfzigste Gedicht

Am Strand von Rabat

Rabat Beach

Die Welt neigt vom Strand aus sich immer gen Sehnsucht,
Doch in Afrika scheinen die Winkel so steil.
In trotziger Wölbung strecktdehnt sich die Bucht
Und bewahrt die Vermutung vom Heil.

Auch ohne Passagiere besteht ein Fahrplan
Und ein Badetuch lässt sich wohl borgen.
Vom Nirgendwo naht sich schon irgendein Kahn. -
Und den Rest zieht die Ebbe ins Morgen.

Sommerabschied & das eintausendachthundertsiebenundvierzigste Gedicht

Abendversammlung am Isarufer

Läuft!

Im Standgalopp lässt Pegasus
Salopp die Verse quellen.
Der Helikon gebährt 'nen Fluss,
Ich herze dessen Wellen.

Schon flüstert der behufte Held:
"Wir sind genug geritten!"
Die Schwingen auf Empfang gestellt,
Wird in den Flug geglitten.

Ausbeute III & das eintausendachthundertvierunddreißigste Gedicht

Mein Geburtstagsblumenstrauß 2

Rittersporn

Für den Rest unsrer Zeit wird der Ritterbedarf
In der Welt Überschaubarkeit melden:
Es festigt sich ein lose Sitten entlarv-
Endes Zero-Int'resse an Helden.

Nichts rettet uns vom Tugendschwinden. -
Doch kriegt die Rotte etwas Sporn:
Muss Jugend nicht komplett erblinden,
Wird Don Quichotte neu gebor'n!

Geburtstagsflora & das eintausendachthunderteinunddreißigste Gedicht

Maxvorstadt Balkon am 27. August 2021

Der Geburtstag

Heit're Zeit auf Freiterassen,
Eifrig Dichterei verfassen,
Nicht von Haien zerfleischen lassen,
Heilung ohne Eitermassen.
Geilheit wird vor Neid erblassen,
Weil wir eilig weiter prassen,
Uns trotz Pein der Pleitekassen
Ein bis zweimal feiern lassen!

Tageuhr & das eintausendachthundertneunundzwanzigste Gedicht

Uhr im Innenhof des Deutschen Muesums

Sommerversagen

Mit dem lausigsten Knausern schleicht
Die Sonne sich aus diesem Jahr.
Und vom ewigen Kauen durchweicht,
Schält sich schäbig der maue Etat
Von seiner geschmacklosen, pampigen Frucht
Aus nährstoffergrauter wie sparsamer Zucht.
Die werd ich zum Spaß heut genussentwöhnt essen
Und unversöhnt dieses Jahrs Pläne vergessen.

Gartenschau & das eintausendachthundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Auf der Bühne Apfelbaumwiese, Landesgartenschau Ingolstadt

Sundowner

Die Rettungsschwimmer treiben ziellos im Meer,
Ohne sicheren Status der Lage.
Man sei immer bemüht, in der Regel gar sehr,
Doch die Fragwürdigkeit kappt manche Tage.

Dein Blick schweift von mir auf den Horizont zu -
Die See bleibt in dem Punkt verlässlich.
Und niemand knackt Austern gekonnter als du
Und bedient sich des Worts unermesslich.

Zwischennutzungen & das eintausendachthundertzweiundzwanzigste Gedicht

Schöne Ladenlokal-Zwischennutzung in Schwabing

Zum Hundertsten

Wie huldvoll wird deiner man einmal gedenken?
Wird man forsch dein Erbleichen zur Reinheit verklären?
Oder auch deinem Fußgeruch Buchseiten schenken,
Um von deiner Menschlichkeit etwas zu zehren?

Wie duldsam wird sich deine Leiche verbreiten
Als Adoptivopfer von Deutungshoheiten,
Als hätt'st du nie Ambivalenzen besessen? -
So ist das Erinnern verbrämtes Vergessen.

Earthtime 1.26 Munich & das eintausendachthundertneunzehnte Gedicht

Installation "Earthtime 1.26 Munich" an der Feldherrenhalle auf dem Odeonsplatz

Sechste Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Schnitzelbrötchenverleih, Riesenrad, Scheißwetter, Geheimratsecken, Megastau und Ghosting.

De-ghosting

Die Erinn'rung scheint andauernd "Irrtum!" zu schrei'n -
Dabei steht jener Tag in Kalendern.
Die sture Verleugnung erkämpft sich ihr Sein,
Als ließ' sich das nachträglich ändern.

Dein Pech: Beim Gedächtniserlischen
So einen wie mich zu erwischen.
Denn ich bewahr, was mir gefällt,
Gleich doppelt da in dieser Welt!

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