Notorischer Elbstrandspaziergang von Övelgönne zum Jenischpark. Damit habe ich vier Jahre in Hamburg verbracht. Manchmal bin ich bis zur Schiffsbegrüßungsanlage durchspaziert. Etwas autistisch, aber gut fürs Texteschreiben. Apropos: Es war geplant, jeden zehnten Eintrag mit einem neuen Langgedicht zu bestücken - und direkt beim zwanzigsten Gedicht habe ich diese Vorgabe schändlich missachtet. Soll nicht wieder vorkommen, auch wenn das Schreiben von 36 langen Gedichte innerhalb eines Jahres mit Sicherheit ein zu ambitioniertes Ziel ist. Zumal in dieser Zeit auch 330 kurze Gedichte und ein Reiseroman geschrieben werden und 188 Auftritte absolviert werden müssen. Gottseidank gibt es noch ein paar unveröffentlichte Gedichte aus dem letzten Jahr, mit denen ich ein bisschen Boden gut machen kann - und die wie das folgende auch bisweilen während der Tour vorgetragen werden:
Der Paukist
Ja, und dann bin ich eben Paukist geworden ...
Vergiss es, Freund, dafür kriss' hier keene Orden!
Weil du nur der Anderen Schlagschatten bist,
Den man leicht auf Konzerttour am Rastplatz vergisst.
Nun, die anderen form'n Rudel
Mit ihrem Gedudel:
Den Bläser belässt man ihr blasiertes Clübchen -
Die Geiger hingegen ein eigenes Grüppchen.
Und dort gut integriert ist ein jeder Solist -
Da Du meist einfach solo bist!
Und wo andere fesch sich ihr Star-Sein ergeigen,
Sollst Du nur für's Dasein Dich demütig zeigen!
Ich red' das nicht schlecht - man ist halt der Paukist.
Und der weiß, dass das Leben oft ungerecht ist.
Ich steh', von Trommeln eingekesselt,
Vorm Publikum, das, feist hingesesselt,
Schon schwelgt in den Sümpfen symphonischer Welt.
Nur ich verbleib' statisch, bereitgestellt.
So wart' ich hier artig und introvertiert,
Derweil ja in mir purer Rhythmus pulsiert.
Allzu oft drang vom Rang schon der Spruch in den Graben:
"Guck Dir den an! Den Job möcht' ich auch mal gern haben!"
Mitnichten ist's so, dass mir, ehrlich gesagt,
Die Spärlichkeit meines Dazutuns behagt.
Denn so stoisch ich harre, so rauschlos der Schauer
Einer klanglich belanglosen Kurzeinsatzdauer.
Wenn filzkopfgeklöppelt, mit gedämpftesten Ton,
Ich treulich traktiere mein Membranophon,
Um die Wunder, die andere munter servieren,
Mit mumpfdumpfen Wummern zu unterminieren.
Und kaum, dass der Wind meiner Wirbel verraucht -
Kolportiert wer: "Na, dös hätt's nu aa net gebraucht!"
Ich red' hier nichts schlecht, ich bin halt der Paukist.
Und der weiß, dass das Leben oft ungerecht ist.
Aber auch, dass der Ratschlag nicht allzu viel taugt:
"Na, hätt'st vielleicht besser Klavierspiel'n gepaukt!"
Denn nur Perkussion ist mir Lust und Passion,
Ganz ohne Verdruss bin ich Rhythmusstation
Denn betracht' ich den Rest des Ensembles verstohlen,
So erscheint mir ihr Treiben oft wie Kapriolen
Von genügsamen Welpen im verspielten Gewühle -
Das weckt in mir steckende Muttergefühle.
Dieses Rackern der Kleinen - so gelöst wie possierlich -
Da bin doch ein viel, viel, viel größeres Tier ich,
Das drachengleich mit einem Schlag
Mag richten über Nacht und Tag.
Denn versenk' ich die schlägelbeschlagenen Hauer,
So macht dieser Hit nicht nur einmal kurz Aua!
Wenn Schlag auf Schlager die Felle erdröhnen,
Wird dies Euch Versager komplett übertönen!
Ganz ohne Schrei'n ist Oskar dann
Gehörig stör'nder Ballermann!
Schon immer lag's in meinen Händen
Die ganze Euphonie zu schänden!
's scheint selbst die Macht des Dirrigenten
In Schlagkraft deutlich different, denn
Klar, hat der Herr dort ein Stöckchen dabei -
Doch ich habe derer dann immer noch zwei!
Bedarf es Euch Kletten noch weit'rer Betonung?
Es rettet den Abend nur meine Verschonung!
Denn vergäß' ich zu zähm'n die Zerstörungswut,
Bekäm' dies dem Gehör nicht gut!
Nun gut, nur zur Beruhigung:
Glaubt mir, zu derart Übersprung
Verschlägt mich nichts, oh nein, ich glänz'
Mit ausgeprägter Resistenz!
Im Kesselgulag steh' und wart' ich -
Geduldig, duldsam und schlag-artig,
Verkaufe weiter unter Wert mich,
Bleib' im Einklang und konzärtlich.
Nein, ich spiel mich nicht auf hier - ich sag nur, wie es is', denn
's wäre fairer sie achten auch auf den Paukisten.
Dessen Klasse sich am Unterlassen bemisst
Obschon da die Welt doch sehr ungerecht ist.