Wasser

Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Lebendschachfeld & das eintausenddreihundertsechsundneunzigste Gedicht

Marostica Hauptplatz

Immernächte in Berlin

Für jede Minute der Nacht ist gesorgt,
Das Krakeelen im Schacht hört nie auf.
Berlin hat sich alldies höchst unfair geborgt
Und hält mit dem Selfiestick drauf.
Aber all dies ist da - in den Winkeln vom Echt
Hält es bis kurz vorm Tiefschlaf mich wach!
Hier muss Welt nicht schön sein und auch nicht gerecht -
Sie versorgt uns verlässlich mit Krach.

Unterwasser & das eintausenddreihunderteinundneunzigste Gedicht

Venedig Blick gen San Marco

Holz

Ein Volk von Annodazumal
Rammte hier einst Pfahl um Pfahl
Tief ins sumpf‘ge Erdenreich,
Dass der Stämme harte Leich‘
Stütze eine ganze Stadt,
Im Abgetauchtsein konserviert,
Für Ewigkeiten einplaniert.

Selbst den Mittelpunkt der Welt
Hielt hier, wie es jetzt noch hält:
Holz, dem aller Stolz gebührt,
Nie von Sauerstoff berührt.
Was sich oben abgespielt,
Wer da was mit wem gedealt -
Alles fand und fand nicht statt.
Was oberflächlich int‘ressiert
Ist immer schon recht bald krepiert.
Doch ewig stählt das Meer den Thron
Aus eingepfähltem Immerschon.

Coronaleere & das eintausenddreihundertneunundachtzigste Gedicht

Leere beim Karneval von Venedig 2020 unter Coronaeinfluss

Ein Ripostegedicht auf "Die Made" von Ringelnatz wurde sich gewünscht. Da dieses Gedicht gemeinhin Heinz Erhardt zugeschrieben wird, war mir der gewünschte Autor eine zusätzliche Verpflichtung.

Das Mädchen von Ringelnuts

Aus eines Baumes Li-li-anen
Erklingt Gevatter Natters Warnen:

"Och, Tochter, könnt ich bloß erspar'n
Dir die Gefahr'n vom Größenwahn,
Durch den ich ward zum Single, Schatz!
Mit Kosenamen Ringelnuts -
Denn Angst um dich macht mich verrückt,
Wie's schlingend nahtlos mich bedrückt
Gleich nuts, wie inglish Nüsse heißen,
In die wir Schlangen büßend beißen.

Kind, glaub mir, du als Ringelnatter
Machst halswärts rasch ein Raubtier satter
Drum bleibe in den Li-li-anen
Die unsre Natternleiber tarnen!
Verbring'n wir unsrer beider Zeit
Mit Demut und Bescheidenheit!
Komm, form'n wir eine nette Schlinge,
Und tun halt Ringelnatterdinge
Im Blattwerk, wo auch Mama hing,
Bevor sie einst gen Minga ging.
Wohin sie schied, ihr Glück zu suchen
Und mied, die Fahrt zurück zu buchen.
Sie darbt nun aus vernarrtem Zwange
Am Startup-Tun als Warteschlange!

Auch du wirst bald zur schlanken Schlange,
Drum wird's um dich mir langsam bange,
Wann wohlbeseh'ne Eitelkeit
Dir von den Zeh'n zum Scheitel schreit,
Weil Repperdeppen nach dir stier'n,
Die dich zur Tilie reduzier'n,
Auf Hüfte, Po und ranke Beine!
Nun gut, da hab'n wir Schlangen keine ...
Wir sind der Welt ja eher Strich -
Und auf ebenjenen schickt man dich!
Und wer erst durchs Bordell verdorben,
Ist selbst für RTL gestorben.

Drum, vom Gelege bis zum Grab,
Geh nie vom rechten Wege ab!
Ich spiel uns jetzt 'nen Jingle ein,
Dann tanzen wir hier Ringelreih'n!"

So rattert runter, Satz um Satz,
Der Mund von Vatter Ringelnuts.
Doch
Manch reich geschmückte Schreckenswarnung
Erweckt im Schützling erst die Ahnung,
Dass der Hort, in dem man wohnt,
Rein als Ort so gar nicht lohnt,
Und dass wohl jene Minga-Stadt
Viel mehr an schönen Dingen hat,
Die einem jungen Natterleben
Den nöt'gen Schwung viel satter geben.

Und von dem Rat des Vaters weicht,
Als nachts es aus dem Blattwerk schleicht
's Töchterchen vom Ringelnuts.
Doch prompt verschlingt es ratzefatz
Ein Habicht, der grad rumgegroovt
Und kurz zuvor noch "Hab dich!" ruft.

Und in des Baumes Li-li-anen
Hallt zwar noch fort das alte Warnen ...
Bloß im Bestand an Nattern hat's
Da nur noch Vatter Ringelnuts.

Canale Grande & das eintausenddreihundertachtundachtzigste Gedicht

Auf dem Canale Grande

Venedig, meerfarben

Lagune ist ein schönes Wort - und welch ein Ort für eine Stadt!
Umflüstert von dem Gruß der See, ein Grün beschwappt sie, seidig-matt,

Mit Seichtheit verhehlender Ungründigkeit.

Und welch ein schönes Wort: Lagune (sag ich nicht zum letzten Mal)!
's streicht jeden Stein mit Marmorglanz zum Meerstatuen-Ideal.

In Eselsmilch schwebendes Leben auf Zeit.

Lido di Jesolo & das eintausenddreihundertfünfundachtzigste Gedicht

Lido di Jesolo Mainstreet

Zu Gast in der Off-Season

Der Urlaub hat jetzt Ferien
Und niemand kommt hier her.
Die zieh'n auf Netflix Serien
Und nix zieht wen ans Meer.

Der Nachtportier gießt jeden Sonntag die Pflanzen
Und neigt dazu sich selbst im Spiegel zu grüßen.
Es gibt so viel Raum aus der Reihe zu tanzen
Und bis vor April wird man nicht dafür büßen.

Die Vorhänge schreien: Wir haben geschlossen!
Der Flair vom Entree übt das Barrikadieren,
Besuchende werden mit Argwohn beschossen -
Hier will vor April nichts und niemand passieren!

So säumen den Ort, wo sonst Hunderte wohnen,
Paläste von düsteren Schlüsselpatronen,
Denen Nachsaisonkühle die Flure bereinigt,
Bis dass kein Gebrunst mehr die Einsamkeit peinigt,
Für die - insgeheim - diese Straßen geschaffen
Als der Welt letztes WLAN-Netz-Schutzreservat,

Das in dem Moment Parasiten begaffen
Zur Planung von Kaper- und Brandschatzerfahrt
Auf Buchungsportalen und in Katalogen,
Weil man zur Erholung sich einnisten will.

Derweil sind wir zwei durch die Gassen gezogen
Und war'n im Gealber so unglaublich still.

Italienvorfreude & das eintausenddreihundertsiebenundsechzigste Gedicht

Erinnerung an Mailand im Dez, Vorfreude auf Venedig im Feb

Flaneure im Vorfrühling

Hightech-Jogger, Kickboardrogger
Outdoorblogger, Stubenhogger
Turtelchöre, Amorteure
unterschiedlichster Odeure/Gangartgrazienausgestaltung
hochdruckhörig, upflamörig
und vertieft in Unterhaltung

Im Buggy brüllt die neue Brut
Wetter prächtig, Stimmung juut
Mancher zerrt sein Sonntagshündchen
aus dem Trott der Gassi-Ründchen

Kellner, stell die Tische raus
Ich lass' heut die Jacke aus
Frühling kommt. Na, wunderbar
Duft aus Blütenkelchen
Dies' Jahr schon im Februar
ich weiß nich' mal, welchen

Landesteg & das eintausenddreihundertsechzigste Gedicht

Haukivesi Landesteg

Der DJ sagt die Sonne

Der DJ sagt, die Sonne spieg‘le sich so schön im Meer,
Die Abrüstungsabkommen gniedeln Soli vor sich her,
Fast jeder plärrt im Casual Dress den Chor von bess‘rer Zeit
Und dancet Konsens auf Depeche Mode - oh, neue Herrlichkeit!

Wie auf Befehl schießt alles Pics vom Sonnenuntergang
Und Seligkeit süßt uns‘re Hits, die zieh‘n sich endlos lang ...
Wir hüllen uns ins Badetuch - du niedlich Wesen, du!
Und fragt uns wer, wonach wir suchen, wissen wir‘s im Nu.

Wieviel Klarheit, wieviel Wahrheit lässt sich noch ertragen?
Der DJ mahnt, dies sei auch Arbeit, und posterboyt Entsagen.

Birken & das eintausenddreihundertsiebenundfünfzigste Gedicht

Birken am Saimaasee

Finnen

Ihr werdet die finnische Seele finden,
Fest umhüllt von Birkenrinden.
In der Schroffheit angenehm,
Steigt sie schüchtern,
Ungern nüchtern,
Ohne Sattel aufs Problem.

Jede Lösung schaut hier wie'n Vierkantholz aus:
Wer in das Eis einbricht, schafft's auch wieder raus.
Fast zu kauzigniedlich, um Wahrheit zu sein,
Drum reden sie selber - auf Finnisch! - sich klein.

Husky & das eintausenddreihundertachtundvierzigste Gedicht

Schlittenhund am Saimaasee

Schlittenhund

Gebundene Unbändigkeit -
Die Landschaft lauscht gebannt
Dem Geheule, das aus dem Schlittenhund schreit,
Das Geschirr ist reißleinig gespannt.
Man spürt, es gibt ein Irgendwo,
Das sich vielleicht noch formt.
Der Aufbruch zerrt quirlig und lautstark und roh:
Komm, wir sprinten los, eh ihn wer normt!
Der Lauf allein ist unser Ziel!
Mein Eid aufs "Jetzt geht's los!"!

Das "Weg von hier!", in das ich blauäugig schiel',
Ist nur eisig und weiß - aber groß.

Strada & das eintausenddreihundertsiebenunddreißigste Gedicht

Weihnachtsbummel in Mailand

Mailand im Novembermeer

Mailand im Novembermeer
Schwaden süßer Güte
Perlend sprudelt der Verkehr
Auch: sehr schöne Hüte

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