Wörthsee

- 02.04.2017 Flanieren

Langmut & das fünfhundertsechsundvierzigste Gedicht

Der Langmütige und der Scheißtag

Dieser Tag verhält sich übel
Und leert seine Abfallkübel
Über deinem Langmut aus

Ihm gefällt es, dich zu schwächen
Deine Stelzen zu zerbrechen
Mit der Ahnung eines GAUs

Trotzdem denkst du unverwandt
Alles läg in deiner Hand

Du verdammst nicht mal 'nen Tag
Wie ihn wirklich niemand mag

Wörthsee & das fünfhundertfünfundvierzigste Gedicht

Wörthsee

Dem Abendroten

Ich steh
Am See
Dem abendroten
Und denke an die lieben Toten
An Minuten, verschwendet im Tran meiner Kindheit

Denn skandalös endlich und rar war'n und sind Zeit
Und Aufmerksamkeit, die im Damals geboten

Wär'n sie jetzt hier, am Abendroten
So berichtete ich den verschwundenen Leuten
Wie viel ihrer Wunden mir heute bedeuten
Dass manch ihrer Witze ich heut erst versteh

Und in dem Moment scheint es, als lächle der See

- Mehr Gedichte zum Alter, Sterben und Tod -

Rückert & das fünfhundertdreiundvierzigste Gedicht

Wörthsee Erholungsgelände Oberndorf

Ripostegedicht zu Friedrich Rückerts "Du bist die Ruh" - ein formaler Zwilling.

Du bist die Uhr

Du bist die Uhr
Hältst niemals still
Die Sucht, die stur
Nach vorne will

Ich eil zu dir
Du bist zu schnell
Schon fern vom Hier
An andrer Stell'

Stockt der Verkehr
So schiebst du an
Vom Hinterher
Kommt nichts voran

Treibst an den Schmerz
In deiner Brust
Spamst voll dein Herz
Bis dein Bewusst-

sein, angezählt
Ins Nichts gelangt
Von Zeit gepfählt
Der Hülle bangt

Blüte & das fünfhundertzweiundvierzigste Gedicht

In voller Blüte

Unauslöschlich. Ein Frühlingsgedicht

Nun, natürlich hatte ich Frühling geordert
Doch irgendwie bin ich grad voll überfordert
Denn mit der Flut der Lebensjahre
Verstummt der Mut der Ausschussware
Und Jämmerliches klagt sich ein
Als Dauergast im Kämmerlein

Wie maßlos und wie ungestüm
Prasst nun manch Knospen-Ungetüm
Vorm abgeklung'nen Lebensschwung
Bin sehr, sehr lang schon nicht mehr jung

Ich neide ihm, wie viel an Kraft
Er aus dem Nichts beisammen schafft
Als wüchse jedes Jahr die Mast
Des Frühlings oder der Kontrast
Zu mir, in dem sich nichts mehr regt
Der sorgsam seinen Garten pflegt

Man muss für das Preisen vom heiligen Schein
Ja gar nicht selbst beteiligt sein
Und manche Pracht zeigt sich erst gerne
Aus unauslöschlich weiter Ferne

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