Linz

08.-10.12.2017 Ausflug nach Linz

Aussichten & das siebenhunderteinundvierzigste Gedicht

Aussicht auf Linz

Die Bänke

Doch steh'n wir hier an, um bald einsam zu sein
Alle Leichtigkeit wird uns gestohlen
Und ständig grölt uns jetzt ein Post-It an "NEIN"
Viel mehr wird sich nicht wiederholen

Tor 22 & das siebenhundertsechsunddreißigste Gedicht

Märchenwelt der Linzer Grottenbahn

Im Friedrichshainer Märchenbrunnen, restauriert

Hier, zu Hufen von vier Hirschen
im Rondell mit andren Tierschen
küssen sich d' Liebespärschen
und erzähl'n sich wieder Märschen
Turteln sich was zwischen niedlischen Putten
glauben sich das, zwitschern friedlisch vom gutten
Gefühl, das zwischen ihnen herrscht
Ob davon auch der Hirsch was merscht?

Da steht der drüber, liegend zwar
links, rechts – als je entzweites Paar
das keines Blickes würdigt sich
im Abgewandtsein brüderlich

Doch wer sieht auch die Hirsche? Man kommt ja hierher
um d' Putten zu gucken, zu rätseln, welch Mär-
chen sich hinter jedweder sandsteingefestigt
verbirgt und verbürgt, dass das Happy End mächtig
ist und techtelmechtig bleibt
Egal, was sie und ihn noch treibt

Nur: panta rhei – hier in Kaskaden
Wer alles will, der nimmt auch Schaden
Die Hirsche wird's nicht interessier'n
die musst' man auch nicht restaurier'n

Tor 21 & das siebenhundertfünfunddreißigste Gedicht

Märchenwelt der Linzer Grottenbahn

Ripostegedicht zu Loriots "Advent"

Abitus

Ja, ist es denn verwündowlich
Dass der Herr von Bülow sich
Mit denen derer vom Forst überwarf?
Ihr Sinnen für Humor nicht traf?

Wer lässt sich schon gerne per Spottvers ermorden?
So sind die Herrn vorsorglich tätig geworden
Aus Notwehr mit dem Schrotgewehr -
Nun lebt der Loriot nicht mehr!

Die Förster in Firststrikemanier
Beförderten das Vögeltier
Ins Jenseits und ölten die Waidmannspistole
Die fortan die Spötter vom Stamm der Pirole
Von Stämmen und höheren Rossrücken hole
Sollten diese die Grenzen der Ethik missachten
Und Förster ob ihrer Filetstücke schlachten

Doch was im Geäst da an lästernder Last
Beim Förstermännchen so verhasst
Wird weiters umhegt von den Damen der Herrn
Die die garstigen, drastisch bestraften Strophen
Von umgelegten Förstern mit Freude verzehr'n

Und nichts auf der Welt beschützt ewig die Doofen

Tor 20 & das siebenhundertvierunddreißigste Gedicht

Linz Donaubrücke

Meisterschalen und Schales meistern

Wenn die blauweißen Knappen ganz knapp unterliegen
Die Borussia in Russia versäumt hat zu siegen
Ringt der Ruhrpott mit der Fassung
Und tränenreich geht’s gleich zur Trainerentlassung

Doch wie kling'n erst derer Klagen
Die durch stete Niederlagen
Strandeten in Unterligen
Während andre munter siegen

Ach, wat leiden all die treu'n
Fans von Wattenscheid 09!
Fehlt dem VfL die Spannkraft
Zum Comeback als Fahrstuhlmannschaft?
Ist für Zebras kein Zaub'rer der Ballkunst zu kriegen
So ein Kleeblatt ja eh wat für untere Ligen?
Werd'n irgendwann wohl die Rot-Weissen
Auch mal wieder etwas reißen?

Tradition schießt keine Tore
Ohne Kohle in der Lore
Setzt du keine Fußballtrends!
(Dat erklär mal deine Fans …)

Tor 19 & das siebenhundertdreiunddreißigste Gedicht

Märchenwelt der Linzer Grottenbahn featuring Frank Klötgen

Dem König

Das Königreich einer entgrenzt grellen Schönheit ward ausgeraubt von der Dezenz
Längst schwappt durch Gemächer der einstigen Höh'n eitler Wankelmut der Prominenz
Gehässig macht sich Lässigkeit
Mit grässlich vermessener Aneignung breit

Wohl bleibt die Verstörung dir weiters erhalten, der Stolz beim Durchschreiten der Flure
Doch insgeheim heißt es: "Der hat doch 'n Knall!", wenn die Ehrlichkeit klafft ins Gehure
Niemand kann sich wie die Zaren
Das schale Verständnis des Fußvolks ersparen

Es ist dein forschplump Für-nicht-möglich-Gehalt'ne nur das Für-nicht-nötig-Befund'ne
Dem üppig belipglossten Mündchen entschallt es: "Du hässliche Dreckswelt, gesunde!"
Doch diese Wiesen gibt's nicht mehr
Und die Prärien sind waidlos leer

Wer wär ich, mich hinterrücks hier zu verbrüdern - mit dir, du mondänster Mandant!?
Du schwelgst deine Zepterlast durch das Kopfübern, Regent vom verlorenen Land!
Ich schmücke nur das letzte Wort
Im absolutistisch verbliebenen Hort

Versteht meine Verse nicht als ein Verneigen
Dem Dichter gilt nur, das Entschwund'ne zu zeigen

Und über den Wert dieser Dinge zu schweigen

Tor 18 & das siebenhundertzweiunddreißigste Gedicht

Linz Hauptplatz

Eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass ich mit meiner Band Marilyn's Army immer am 23. Dezember im Grend in Essen auftrete. Und dabei voraussichtlich auch dieses Lied singe:

Der Mann im roten Anzug

Der Mann im roten Anzug
die Telefonkarte hält er in der Hand
die Zelle ist frei und der Mann ist bereit
hinter ihm die Frau in einem schrecklichen Kleid

Der Mann weiß genau, was zu tun ist
die Nummer im Kopf, die Bewegung einstudiert
ein bisschen Routine im beschissenen Leben
der Mann kriegt die Verbindung und die Frau steht daneben

An ihrer Seite steht ein plärrendes Kind
das die Niedlichkeit nicht für sich gepachtet hat
Passanten passieren, es ist nicht zu verstehn
Warum hier niemand sagt: Es müsste endlich was geschehn

Der Mann - er beendet das Gespräch
sein Restguthaben beträgt zwei Mark und sechzig
die Frau rückt ihr Kopftuch zurecht
und denkt sich nur: Mein Gott, was die Welt doch schlecht ist

Was die Welt doch schlecht ist!
Naja: obwohl mir das recht ist ...

Tor 17 & das siebenhunderteinunddreißigste Gedicht

Märchenwelt der Linzer Grottenbahn

Ruhr im Magen

Wohin mit Essen?
Dort, Mund! Hamm.
Was ich mir in mein Mäulchen ramm'
Ist mitunter richtig viel
Und erfordert wenig Stil

Wird abgeschmackt mit Pommes Schranke
Drum vorab ein frommes Danke
An den Schwerverdauungstrakt
Dass er auch die Frikka packt
Dann ist mir der Hauptgang Wurst
Pilsken löscht den Pennerdurst

Manna vom Friteusengott
Kommt gut an bei uns im Pott!
Denn das rutscht gut durch den Magen
Grad, wenn man sich's pur reinzieht
Spürt man Fettes Unbehagen
Und sein inn'res Ruhrgebiet

Tor 15 & das siebenhundertneunundzwanzigste Gedicht

Linz Donaubrücke

Ein Tief überm Hochofen Duisburg­Nord

Ein Tief überm Hochofen Duisburg-Nord.
Sieht aus, als geschieht hier heut Nacht noch ein Mord ...
Fauchend stiebt Glut sich durch Eisen und Schlacke,
Ein Schummel-Schimanski seufzt planlos: "Attacke!"
Und das Tief schaufelt Wolken aus Finsternis.

Schummrig erzählen erwählte Relikte,
Von Marxloh schrillt willig ein türkisches Fest,
Am Straßenrand lungern nach Hochfeld Geschickte,
Und stets flüstert einer: "Das ist nur ein Test!"
Ständig bleckt der Überbiss.

Und dann ist auch das wieder alles Geschichte.
Als Tatort verdorrt – nur noch Hort der Gedichte
Von Arbeit, Arbeit, Migration,
Vom Strandurlaub im Ungewiss –
Wer länger bleibt, der kennt es schon.

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