Kunst & Inbrunst

Gedichte zur Kunst und der künstlerischen Inbrunst nebst dem entsprechenden Leiden.

Wanderer & das eintausendneunhundertvierundsechzigste Gedicht

In der Steinwüste bei Erg Chebbi

Lavendelfeld

Nenn dir eine Farbe, riskiere,
Dich vollends in ihr zu verlieren,
Brüll alles raus und randaliere -
Unendlichkeit wird es kaschieren!

Für diesen einen, deinen Platz
Zahlst du mit Einsamkeit -
Doch strahlst hervor mit jedem Satz!
Der Markt bestimmt, wie weit.

Fischplatte & das eintausendneunhundertdreiundsechzigste Gedicht

Fischstand in der Medina von Essaouira

Als Humorist

Die Möglichkeit des Tanzes
Drückt mich massig ins Polster auf meinem Balkon.
Hass ich nicht die Welt - so als Großes und Ganzes
Und dichte zu selten davon?

Ich will mich an bitterer Süße erregen,
Dazu auch ein bisschen die Füße bewegen:
Taptap - Tadapp, Tadapp - Tap, Tap ... -
Schon fällt etwas Wahrheit vom Himmel hinab.

Tonangeber & das eintausendneunhundertvierundvierzigste Gedicht

Weihnachstmarkt auf dem piazza dei signori

Einsackbarer Reis

Ich streb nach der Neutralität des Reis' -
Muss gar nicht so viel sein, nur verlässlicher Grund.
Meine Unaufgeregtheit verlangt diesen Preis -
Ich entfalte die Stärke durchs Sein im Verbund.

Ich streb nach der Leistungsbereitschaft des Reis' -
Will vielerlei Soßen Geschmacksträger sein -
Leg eigene Krönungen vorerst auf Eis -
Verschreib mich qua Körnung dem Drall vom Verein.

Ich streb aber auch nach der Vielfalt vom Reis,
Von dem Toprating-Augenmerk blind unterschätzt.
Die Wirkmacht der Milde sucht keinen Beweis
Und wird selten in fremde Jargons übersetzt.

Paolo Veronese & das eintausendneunhundertzweiundvierzigste Gedicht

Paolo Veronese Statue am Piazza Frà Giovanni in Verona

Lean back

Zum Absprung bereit an die Klippe getreten,
Hab ich in den Hass ihres Abgrunds geseh'n -
Mir noch eine Stunde Bedenkzeit erbeten.
Da fand ich zum Glück, mich zurück aufzulehn'n.

Kulissen & das eintausendneunhundertsiebenunddreißigste Gedicht

Raum im Kunstlabor 2

Unter Zeitgenoss

Du drängst auf Bedeutung, so viel kann ich seh'n:
Fast flehentlich dräut der Befehl zu versteh'n
Ums Relevante, Importante.

Und das Nur-noch-nicht-Erkannte
Schiebt den Leichtsinn an den Rand.
Kerl, was bist du unentspannt!

Hier ist so viel Text!, Text!, Text! zwischen den Zeilen
Und fordert! Spaziergänger auf! zu verweilen.

Du nimmst statt der Dinge dich selber genau
Und salbaderst um alles Gewicht, gute Frau!

Doch der Dichtung Magie ist nicht berstender Wille,
Sondern hinter dem Zeilenschluss nistende Stille.

Teichanrainer 2 & das eintausendneunhundertvierunddreißigste Gedicht

Am Gänseteich vom Waldseiter Hof Bad Bentheim

Gänseklein zwei: Gans schön schlagfertig

Grad im Regen scheint die graue Gans
Ganz asphalten beim Guck in die Luft.
Dann quatscht das Grün watschend von Nicht-Relevanz
Und die Leiter des Himmels verpufft.

Teichanrainer 1 & das eintausendneunhundertdreiunddreißigste Gedicht

Am Gänseteich vom Waldseiter Hof Bad Bentheim

Gänseklein eins: Gans schön beliebt

Sobald Schnee fällt, wird die weiße Gans
Ganz stolz auf den Schnabel wie Füße.
Kürt dich erst des Gleichtons Dominanz,
Verliert das Erreichte an Süße!

Islas Purpurinas & das eintausendneunhundertneunundzwanzigste Gedicht

Blick auf die Islas Purpurinas von der Festungsmauer von Essaouira

Erdal Rex

Ist die Richtung auch falsch, in die ich mich bewege -
Am Ende kommt immer das Meer.

Aber wirkt sich das aus auf die Wanderschuhpflege?
Nun ja, ich befürchte wohl: sehr.

Chefchaouengasse & das eintausendneunhundertneunzehnte Gedicht

In der Medina von Chefchaouen

Späte Parade

Unabwendbares zu schlucken, hat Gewohnheit mich gelehrt,
Bevor ich mich verweigerte, fand ich's auch nicht verkehrt.
Die Enden jeder Möglichkeit will ich hier nicht bestreiten -
Und doch erlischt die Erntechance nach eignen Jahreszeiten.

Im Immerforten horten sie Standarderträge und -güten.
Es rottet im Verworfenen die Sehnsucht rarer Blüten.

Indigo & das eintausendneunhundertachtzehnte Gedicht

In der Medina von Chefchaouen

Indigo

Blau ist eine stille Farbe,
wie ein klarer Höhlensee.
Violett ihr zarter Knabe,
Doch voll Ungestüm in spe.

Indigo will im Vermitteln
Weiter in die Tiefe geh'n -
Mit der Kraft von je zwei Dritteln
Sich ins letzte endlos dehn'.

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