Kunst & Inbrunst

Gedichte zur Kunst und der künstlerischen Inbrunst nebst dem entsprechenden Leiden.

El Cubano Nationalpark & das zweitausendsechsundsiebzigste Gedicht

Lichtspiel im El Cubano Nationalpark

Ripostegedicht auf das Gedicht "Zusammenkunft. Ostasiatischer Zirkel" von Ai Qing

Zusammenkunft in Reimen

Hier ein Grüppchen, da 'ne Gruppe,
Hier Gelaber, dort 'ne Fluppe,
Erst'res um sich selbst rotierend,
Letztere ward selbst gedreht,
Multilingual parlierend,
Da man sich auch stumm versteht.
Da Dispute sich erhitzen -
Wütend aufsteh'n ... wieder sitzen.

Und wie von Sehnsucht angefacht,
Entflammen Wut und Glut die Reden
Und jed' Wort, das miterwacht
Schürt; erzürnt und rührt hier jeden.
Um diesen vibrierenden Brutkasten schließt
Jene leblose Stadt ihren Rahmen
Im Regen, der kühl sich ans Fenster ergießt -
Sie bemüßigt sich nicht fremder Dramen,
Die heiß zu verfechten, ein Grüppchen erfrecht sich
In Paris, rue Saint-Jaques, in dem Haus 61.

Tabakernte & das zweitausendvierundsechzigste Gedicht

Tabakfeld und Trockenscheune bei Viñales mit Mogotes Bergen

Garten und Feld

Kein Feld vermag die Blütenmacht
Der Vorgärten zu brechen.
Und ebenso kann kein Ertrag
Der Anmut widersprechen.

Nur du verlangst die Relevanz
Allüberall zu ähren,
Zertrampelst stur wie ignorant
Die Geltung andrer Sphären.

Trinidad & das zweitausendeinundsechzigste Gedicht

In den Gassen der Stadt Trinidad

Memento mori cubano

Wo der Ruhm ab Geburt zum Verfall übergeht,
Ist die Oldtimerpflege ein Hobby aus Not.
Man umfleht manch Ruine, dass sie‘s übersteht,
Nutzt die Spielraumausdehnung zum Dino-Verbot ...

Jede blendende Idee besticht
Der Stachel der Verblendung,
Und jede Sensation macht dicht
Just nach ihrer Vollendung.

Doch hernach wird im Drumherum improvisiert,
Man besänftigt das Ar vor dem Mut,
Mixt sich Hoffnung an, obzwar man offenbar irrt.
Vielleicht geht, vielleicht wird: alles gut.

Alle Rechte bei Wolfgang Ramadan, der das Gedicht im Rahmen der Kubafestival-Spendenaktion von mir gekauft hat.

Loipe & das zweitausendzweiundfünfzigste Gedicht

Die Langlaufloipen um den Barmsee bei Mittenwald am Abend

Ausgemachte Spinnerei

Beweg dich nicht im Vorstellbaren -
Geh darüber hinaus!
Was willst du noch im Grundriss garen
Vom abbruchreifen Haus?

Lass uns die Pläne weiter spinnen,
Als es dem Sinn gebührt -
Und auf der Flucht ein Land gewinnen,
Noch köstlich unberührt!

Sternrad Heuwender & das zweitausendsiebenundvierzigste Gedicht

Sternrad Heuwender im Schnee

Aufbruchsdepression

Wir werden so unglaublich fernzeitig sein,
Dass uns niemand auf Bildern erkennt.
Wir machten uns freilich nie freiwillig klein -
Denn wir schrieben die Hits einer Band,
Die stetig tourt und tourt, da wir
Schon unter ferner liefen laufen.

Doch noch passt jenes prächtige Brustblattgeschirr
Zu der Treue zum Plan uns zusammenzuraufen.
Eine Kutschpartie soll was Vergnügliches sein
Und bemüht den, der vorneweg rennt.
Wir tanzten so stur in die Ferne hinein,
Dass uns niemand auf Bildern erkennt.

Piazza Bodoni & das zweitausendachtunddreißigste Gedicht

Die Piazza Bodoni in Turin

Plätze für Größe

Nun über die ganz großen Plätze zu geh'n
Nahe Statuen bedeutender Leute,
Mag ich als mein Chäncechen auf Einsicht versteh'n -
Da ich Demut aus Dümmlichkeit scheute.

Schon schärf ich geschätzten rebellischen Sinn
Unterm Schein von bewährteren Schätzen.
Dem Straßenlärm nicht mehr gewahr, denn ich bin
Auf dem Weg zu noch größeren Plätzen.

Verödeter Arm & das zweitausendelfte Gedicht

Auf einer Isarinsel am Flauchersteg

Pfützenpoem

Es ist so, dass die Pfütze von Wolken erzählt -
Bloß in 'ner recht schmutzigen Sprache.
Euch geht's darum, welche Vokabeln man wählt,
Um die Durchsichtigkeit jeder Lache.

Es mag sein, dass so manches den Himmel verfehlt,
Aber stört's die Beschreibung von Wasser?
Wie lang man nun umständlich Umlaute zählt -
Das Ergebnis ist auch nicht viel nasser.

Steinbockfelsen & das eintausendneunhundertdreiundsiebzigste Gedicht

Steinbockfelsen im Berliner Zoo mit der Zuchtgruppe Sibirischer Steinböcke

Rat for the Ratless (Dem Franz B.)

Nach seligem Versuch, mal besser als die Welt zu sein,
Stach, stetig wie ein Fluch, das Messer auf den Helden ein.

Versteifst du dich in Absichten, so schütz erst deinen Bauch!
Du reifst ja eh gen Grablicht - überhitz nicht beim Verbrauch!

Hyazinth-Ara & das eintausendneunhundertsiebzigste Gedicht

Blaupapagei in der "Welt der Vögel"-Vogelhaus im Zoo Berlin

Die märtyrische Lücke

Dass du unverwundet aus all'dem entkamst -
Dafür muss ich dir jetzt eine scheuern!

Ja, dass du im Stillen an Schmerzen verarmst -
Das magst du gern weiter beteuern,

Nur ein Leiden aus zweiter Hand ist nicht real -
Auch wenn das deine Talkshows befeuern!

Du littst keine Marter, doch bunkerst den Pfahl -
Um die Ferienhaus-Porch zu erneuern.

Flammenkopf & das eintausendneunhundertneunundsechzigste Gedicht

Flammenkopf-Bartvogel in der "Welt der Vögel"-Vogelhaus im Zoo Berlin

Ein Patzer

Ein seltsam trüber Abstand schiebt sich
Zwischen mich und meine Pläne.
Ein Hauptziel färbt sich unbeliebt, ich
Neig zum Reißaus meiner Zähne.

Die Wichtigkeiten sind nun kindlich,
Gebarten sich lang als Reflex -
Ihr Leumund wird mir unerfindlich,
Sie degenerieren zu Gags.

Ein seltsam trüber Abstand schiebt sich
Zwischen mich und meine Pläne.
Er klärt sich auf, wenn man sich letzte Unrast vergibt.
Ich schüttle den Kopf und gähne.

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