Gebäude & Urbanes

Gedichte, in denen Gebäude und Bauwerke oder städtische Areale die Hauptrolle spielen.

42 Kilometer & das eintausendzweihundertsiebzehnte Gedicht

Arkaden von Bologna

Unter Arkaden

Den Stau der von Marmor geglätteten Kühle
Flattert kühn eine Schwalbe aus Warmluft entzwei,
Ein Wind drängt die schwerfällig dreharme Mühle
Zum Durchwirbeln der zeitlosen Aircraft-Kartei.
Mancher Hauch ist hier auch schon vorm Zeitmaß gewesen,
Riecht kellerdunstschmauchig, jahrhundertbelesen,
Ist vom Blitztakt des Lichtspiels nur passiventzückt,
In platzhirschgebührende Langmut entrückt.

Wie verlahmt schlurft mein Dasein mit latschigem Schritt -
Der gewinnt erst im Nachhall der Architektur!
Die bewahrt ihren Wert und veredelt mich mit -
Ich fühl mich beheimischt trotz Sightseeing pur.

Und geschmeidig befächelt von Grade-Kaskaden,
Ein Lächeln vom Bad in den alten Arkaden,
Bestürmt frühe Anmut die Sehnsucht der Haut -
Ich bin von der Straßen Zug gleichsam erbaut.

Piazza Maggiore & das eintausendzweihundertundsiebte Gedicht

Freilichtkino am Piazza Maggiore

Bologna

Wo so viel Altes türmt und arkt,
Bleibt Gegenwart nur Gast,
Der sich flanierend unterhakt
Und nachgerad' verblasst

In nachtgeneigte Gassen rie-
Selt Ausgelassenheit.

Schon schluckt die schwere Nostalgie
Dies kleine Etwas Zeit.

1.200 & das eintausendzweihundertste Gedicht

Frühlingspracht in Weimar City

Dorfstraßen

Und doch können solch Dorfstraßen todbringend sein,
Man möchte es gar nicht vermuten.

Kaum lullt dich der Leerstand der Läden hier ein,
Schon musst du in einer Tour bluten.

Wer wäre da nicht unentwegt schwer gefährdet?
Doch du willst Gelassenheit strahlen!

Vielleicht hat dich grad eine Ahnung geerdet.
Ein Irgendwer muss heute zahlen.

Botanischer Garten & das eintausendeinhundertneunundachtzigste Gedicht

Im Botanischen Garten am Münsteraner Schloss

Pista und Patzer

Pizzaboten liefern halt
Nicht in dichten Kiefernwald,
Lassen lieber ihre Pfoten
Von dem Platz, wo Kitze koten,
Die von roten Rickenzitzen
Gierig Rohmilch-Shots stibitzen.

Die Pizzaboten liefern stattdessen
Lieber in Städte die Delikatessen,
Wo bekiffte Showbiz-Spitzen
Schon als Kids sich Botox spritzen -
Zotenreich und witzig motzend
Vor die City-Bauten kotzend -
Wohlumworben von devoten
Pizzabotenidioten.

Waldbewohner wie -besitzer
Warten wie gewohnt auf Pizza.
Deren Boten liefern halt
Nicht in dichten Kiefernwald.

Taubensee & das eintausendeinhundertzweiundsiebzigste Gedicht

Taubensee am Rauschberg bei Ruhpolding

Die Ruhe an ruhigen Orten

Völlig unverdient sonnt der Verkehr sich in Sanftheit,
Wenn sein Lärm sich einwellig im Strandkies verliert.
Hier, wo Lautlosigkeit alles Abendlicht anschreit,
Weil sich zweihellig festigt, dass nichts mehr passiert.

Die Allmacht der Stille als handwarmer Schoß
Schließt den Sicherheitsbügel der Sorglosigkeit.
Sie bezähmt die Erkenntnis, dieser Ort sei nicht groß,
Mit der Irrelevanz deiner Kleingeistigkeit.

Als wäre die Ruhe an ruhigen Orten
Der letztforsche Hauch einer fremden Essenz,
Der klärende Vers aus verschwundenen Worten,
Das fehlende Album verschollener Bands.

Der Verkehr mault sich kurzatmig wieder ins Gähnen,
Als hätt' sich ein Zähnchen im Zimmer geirrt.
Und der Salzrand von nicht mehr erinnerten Tränen
Ist das Siegel vom Wissen, dass nichts mehr passiert.

Ritter Sport & das eintausendeinhundertsechsundzwanzigste Gedicht

Ritter Sport Museum in Waldenbuch

Enge

Überm Kerkerverkehr einer Schwabenhausstadt
Schwebt der Wunsch nach Schokolade.
Jemand furzt in die Häuserschlucht maultaschensatt,
Eine Fee flüstert resigniert: "Schade!"

Max-Joseph-Platz & das eintausendeinhunderteinundzwanzigste Gedicht

Max-Joseph-Platz vorm Residenztheater München

Nächtliche Busfahrt zum Theater

Sternschnuppenhuschend verblitzen die Lichter
Auf beschlagnen Fensterscheiben
Das Vage in ihnen appelliert an die Dichter
Bei diesem Thema dran zu bleiben

Was wäre es, gäb es hier etwas zu sehen?
Was gäbe es, wär es für uns zu verstehen?

Gelbliches Weltlicht wirft mähliche Schatten,
Die vom Tage verblasst sich im Rinnstein begatten.
Die lernen noch die Dunkelheit,
Kleben uns an den Hacken wie fehlende Zeit.

Was würde es, könnt hier noch etwas entstehen?
Was könnte es, würd es nicht einfach vergehen?

Die Schaufenster strahlen wie Suchscheinwerfer
Über treues Kopfsteinpflaster.
Keine Frage in mir stellt mein Augenlicht schärfer,
Kein Vers ist ein zum Plan Gefasster.

Doch manches scheint im Werden.

Lange Nacht & das eintausendeinhundertsiebzehnte Gedicht

Im Skygarden München bei  der Langen Nacht der Architektur

Laiesein

Deine Architektur bremst mich aus zum Betrachter,
Einem mal dies und mal das, mal alles Missachter.
Wie ich mich auch bewege, scheint untalentiert -
Und ich habe, weiß Gott, ein paar Jahre trainiert!

Deine Architektur stempelt mich zum Verlierer,
Einem Über-Gebühr-in-der-Lobby-rum-Stierer.
Und mein Stil scheint alleine für mich nicht zu klein -
Nun, ich könnte wohl nirgends verlorener sein!

Deine Architektur drängt mich ständig zum Ausgang
Mit unverblümt säuselndem "Eindringling raus!"-Sang.
Doch ich habe - wohlwissend, dass es so nicht gedacht -
Mich sattsam in ihr breit gemacht!

Alte Brücke & das eintausendeinhundertfünfzehnte Gedicht

Alte Aarebrücke von Olten

Brücken bei Nacht

Es ist nicht zu erkennen,
Was wir grad überwinden,
Wo sich die Ufer trennen
Und wo wir uns befinden.

Wir sind im Darüberstrom kanalisiert,
Erhöht vom massiven Vertrauen.

So wundre dich nicht, dass dein Wunsch irritiert,
Mal einmal nach unten zu schauen ...!

Davos & das eintausendeinhundertneunte Gedicht

Ausblick auf Davos Platz

Weltwirtschaftsgipfel

Man rüstet sich zum Legoland,
Dem Fetisch der Fassaden.
Das Mägdlein wird vom Herd verbannt
Und man fleht um die eigene Gnade.

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