Feuer

Verse für die Choleriker, denen man Feuer, Sommer, Mittag und die Adoleszenz zuordnet.
Die appellativen und derben Gedichte.
Vom Schmägedicht bis zur Gossenlyrik. Auch mit einem Gedicht von Julia Engelmann, von mir selbst geschrieben.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Wasser entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Fundbüro Wuppertal & das zweitausenddreihundertundachtzehnte Gedicht

DB-Fundbüro in Wuppertal, von neuen Bewohnern gefunden

Zu lang geschwiegen

Zu lange schweigen
Heißt: Rhythmus vergeigen,
Abseits zu landen vom einstigen Reigen

Zu lang zu schweigen
Bedingt abzusteigen,
Heißt: Weißheit verbeigen,
Zertretene Zehchen,
Heißt: irgendwie sich ohne Nirgends verlier'n,
Dringt letztlich gesetzlich als Leerstand ins Hirn
Und kommt zum Ende nicht zur Ruh.

Trotz Likes zeigt sich dann Blut im Schuh.

Neuer See Tiergarten & das zweitausenddreihundertundfünfzehnte Gedicht

Film auf dem Neuen See im Berliner Tiergarten

Im Widerstreben

Ich werde womöglich mich nie dran gewöhnen,
Dass man sich an alles gewöhnt.
Sollt' ich denn dem Pool der Gewohnheiten höhnen,
Wenn alles in mir klagend stöhnt?

Ausgeflogen & das zweitausenddreihundertunddreizehnte Gedicht

Unsere an die Gentrifizierung verlorene Wohnung in der Tengstraße 4.

Schönen Gruß an den Nachmieter

Normalerweis' bin ich zu Amei-
Sen doch eher gräuslich -
Heut scheiß ich drauf, weil raus. Ja, mei,
Dann macht's euch hier fei häuslich
Und seid dem neuen Herrn am Herd
Sehr gerne eine Plage!

Lang fand ich euch bekämpfenswert -
Nun wünsch ich schöne Tage!

Abflugbereitschaft & das zweitausenddreihundertundzwölfte Gedicht

Unsere an die Gentrifizierung verlorene Wohnung in der Tengstraße 4.

Die Nachmieter

Schon sitzt die Waffenindustrie
Bei mir auf dem Balkon
Ich war so sehr "Mich trifft es nie!" -
Das hat man nun davon!

Die wringt jetzt bald ihr Pimmilein
In den verwaisten Bottich
Und etabliert das Unverzeih'n,
Malt alle Zukunft grottig.

Schon sitzt die Rüstungsindustrie
In meiner schnieken Wanne -
Zwar abgetaucht, doch sicher nie-
Mals eingeschäumt vom Funne,
Denn wir einst lieblich ausgekost'.

Jetzt bürstet sich der Rüstungsrost
An Herrn von Zu'stens Pimmilein.

Ich wärm mich an mein' ärmlich' "Nein!".

Wenn brünftig Euch auch Segen narrt,
Ihr Günstlinge der Gegenwart:
Das, was ihr mir genommen,
Berangt ihr nicht,
Verzwangt ihr nicht -
Ihr werdet's nie bekommen!

Telux & das zweitausenddreihundertundachte Gedicht

Am Soziokulturelles Zentrum Telux / Hafenstube auf dem Gelände der Glasfabrik in Weißwasser

Gentrifiziert

Und mit knisterndem Knackser knuspert zu dir
Der Taubenabwehrdraht.
Er nimmt deine Taubheit in spe ins Visier
Und bringt sich schon in Fahrt.

Ganz leise sirrt's: Die Stadt wird nie
Dich voll willkommen heißen.
Misstraue allen Lächeln, die
Vollkommen auf dich scheißen!

Du bist hier fremd und wirst's, verdammt,
Kein Leben lang hier bleiben!

Und aller Strom droht insgesamt,
Per Stoß dich zu vertreiben ...

Wiederaufbauversuch & das zweitausenddreihundertundsiebte Gedicht

Frauenkirche Dresden

Heiße Speise (was uns Kosten kosten kann)

Muss meinen tauben Zungenrücken
Geschmacksblind an den Gaumen drücken.
Wünsch mir den Horizont zurück
Und des Empfindens Weite Glück.

Die Heiterkeiten der Papillen
Sind abgebrüht, verdampft im Stillen.

Ich teste nur neutrale Enge -
Esst ihr schon mal die ersten Gänge!

Muschelminna & das zweitausenddreihundertundvierte Gedicht

Muschelminna / Toberentzbrunnen, ein 1887 erbauter Brunnen auf dem Postplatz in der Stadt Görlitz

Zittau

Auch Zeit wird's, dass du Zausel liest,
Dass Zittau in der Lausitz ist,
Wohin du aus Prinzip nicht ziehst,
Weil du Wicht zu autistisch bist!

Schlossmühle & das zweitausendzweihundertachtundneunzigste Gedicht

Im ersten Stock der denkmalgeschützten Schlossmühle von Lauchhamer, ehemals Mückenberg

Rüden haben kurze Beine

Zwischen Dobermännerbeinen,
Die ganz oben sich vereinen
In giganter Körpermasse,
Magst du zwar sehr klein erscheinen -
Wie von weit entfernter Rasse.
Doch du weißt ob deiner Klasse,
Fleckst umher mit Niedlichkeiten,
Die putzmunter unterschreiten
Limits, die ein Reißzahn setzt.
Grobe Dobermännlichkeiten
(Bild des Hundseins bis zuletzt) -
Nun ist's Putzigkeit, die fetzt!

Alle Rechte bei Susanne Digel, die das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 gekauft hat.

Isarlibelle & das zweitausendzweihundertsechsundneunzigste Gedicht

Libelle am Isarufer bei Oberföhring

AG Hochzeit, versilbert

Dem, der über den Rücken blickt,
Bedrückt oft, dass das Ührchen tickt -
Ihr deklamiert aus toller Brust:
"Das Wandeln ist des Knüllers Lust!"
Und steht Modell für'n Bronzeguss
Vom "Ende nicht in Sicht!"-Entschluss,

Pflegt silberne Haare für goldene Jahre -
Was euch eure Hochzeit als Bestzeit bewahre!
Denn Heirat und -tat heißt: Man entspannt sich
Und sagt Ja zum Jahr als das Paar Fünfundzwanzig!

Alle Rechte bei C. von Schelling, die das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 - eigentlich für den 8. Juni, pardon! - von mir für A & G gekauft hat.

Paketposthalle & das zweitausendzweihundertfünfundneunzigste Gedicht

Die ehemalige Paketposthalle nordöstlich der Friedenheimer Brücke

Die Ansprache (Etappe 2: Unausgesprochenes)

Teil des Großgedichts "Hier ruht unsre viel zu früh von uns geschiedene Dorothee-Cosima")

Ein Balsam von Wörtern ergießt sich in Worte
Und hinter uns schließt sich Elysiums Pforte.
Oh, könnte ich sie bloß versteh'n -
Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
Jedoch die Wucht der Sehnsucht raubt
Mir alle Sprache aus dem Haupt -
Und den Versuch, sich auszutauschen
Umwuchert rasch ein Sinnesrauschen.

Jener warme Wind Ihrer Wortproduktion
Ist All wie -gegenwärtig -
Er strahlt auf mich Vasallenlohn -,
Dies Adressat-Sein ehrt mich!

Doch nun, da Ihr mich angesprochen,
Hab' ich doch nicht grundlos hier Lunte gerochen?!
Schon kann mein Begehr'n alten Träumen nicht gleichen -
Vordem Unerreichbares will nicht mehr reichen!
Der Traum muss Exzess sein – er koste, was wolle!

Im steten Erheben beim Streben nach mehr
Entreißt's alle Rösslein vom Zaum der Kontrolle -
Was stillt ihren Willen und wo nehm' ich's her?!
Ermächtigt sich Unflat des weit'ren Betragens? -
Das ist im Behagen die Frage des Fragens!

Die Räudigkeit solcher Gedanken bereuend,
Doch weitere Hürden und Schranken nicht scheuend,
Kann ich nach Geneigtheit verheißenden Zeichen
Nicht unversuchend von Euch weichen!

Will nicht ein schaurig-schwüler Duft
Grad Eurem Kleid entsteigen?!
Ist's nicht, dass süß das Schößlein ruft,
In Blöße sich zu zeigen?!

Vielleicht lenkt mich ein Missversteh'n -
Ganz sicher ist's mir anzuseh'n,
Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
Der Bindestrich entwindet sich
Und nennt sich fortan Trennungsstrich.
Er bricht unser Gesprächlein ab,
Stößt jäh mich Elenden ins Grab!

Zwei edlen Namen galt mein Sehnen -
Und jeder wähnt mich abzulehnen!
So endet alles offenbar,
Oh, Dorothee! Oh, Cosima!
Ein Mehr an Verkehr werdet Ihr mir nicht schenken -
So bleibt nur, dies selbst mir zusammenzudenken!

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