Erde

Verse für die Melancholiker, denen man Erde, Herbst, Abend, Erwachsenenalter zuordnet.
Die besinnlichen und leisen Gedichte.
Von Aphorismen bis zur Vanitasdichtung.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Ipanema & das zweitausenddreihundertdreiundzwanzigste Gedicht

Am Ipanema Strand

Brasilianisch

Bisher kannte ich Brasilianisch als Sprache,
Die staccatohaft immerzu mündet in "gooooool!".
Schier endlos durchzieht mein Verständnis 'ne Brache,
Aus der ich gehetzt ein paar Wortfetzen hol,

Bis ich irgendwie restwertig glaub' zu verstehen,
Was jener Mann/jene Frau hilfsbereit singt -
Lad' selbst mein Latein ein, um Sinn zu erflehen,
Der bald darauf Mimik und Wortklang durchdringt,

Urplötzlich erschließt sich mir all das Gesagte,
Hab's schließlich beflissen als Wissen erdealt:
Man sagt hier stets - gleich, was vordem ich erfragte,
"Brasilien hat grade ein Tor ("gooooool!") erzielt."

Alle Rechte bei C. Redka für das Vereinsheim München, das das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 erstanden hat.

Einreise & das zweitausenddreihundertzweiundzwanzigste Gedicht

Am Flughafen Rio de Janeiro

Zum Geburtstag

Wenn sich ins frische Heute der Morgen erhebt
Zwischen "alles ist möglich" und "noch nichts erlebt",
Scheint das Licht wie in ewige Fadheit getunkt.

Doch in späterer Chronik
Von neuer Tektonik
Wird just jener Morgen zum "Das war der Punkt, ..."

Alle Rechte bei Kata Tolnay-Knefély, für die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 gekauft wurde.

Schlüsselblume & das zweitausenddreihundertundneunzehnte Gedicht

Im Garten der Schlüsselblume Eschwege - das letzte Jahr!

Entschieden resigniert

Dort schließt was. Und da schließt was ab.
Es neigt, was Fläche war, hinab -
Das zeigt sich nicht dem Sehen!

Man nennt Termine, löscht den Grund,
Zuckt seufzend mit den Schultern und
Ist schon dabei, zu gehen.

Aaltostrom & das zweitausenddreihundertundsiebzehnte Gedicht

Aalto-Theater in Essen mit Nachbarschaft

Unter Essen

Meine alte Hood untergrundbähnlich zu queren
Und ihr irgendwie schändlich den Rücken zu kehren,
Zeigt, wie sehrstens entleert meine Seele schon ist
Und wie wehrlos sich manch eine Ära vergisst.
Da all ihr Wert nährt ein gemeines Verrinnen
Im Zärteln der Mär, es tät Neues beginnen.

Schoch tauch ich hier ab mit der Zeit, die ich habe -
Auch leidlich bereit für den Ausblick im Grabe.

Domig & das zweitausenddreihundertundsechzehnte Gedicht

Fassade vom Kölner Dom Entree

Zum Vierteljahrhundert

Die Fliehkraft früh'rer Ewigkeiten
Zähmt längst 'ne Überschaubarkeit -
Und schon sind 25 Jahre
Ein handlebares Maß an Zeit.

Das scheint im Rückblick sich zu weiten
Zu 25mal ein Jahr -
Doch chillt die stillen Jubiliare,
Wie sehr erfüllend jedes war.

- - -

Mein persönlicher Ratschlag für Johnny und Ciesel:
Seid wie Bonnie und Clyde mit 'nem Tank voller Diesel!

Alle Rechte bei Melanie Rohrbeck, für die das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 gekauft wurde.

Neue Nachbarschaft & das zweitausenddreihundertundvierzehnte Gedicht

Schloss Nymphenburg von der Gerner Brücke/Auffahrtallee

Neunostalgie

Und wieder fällt 'ne Tür ins Schloss
Und öffnet sich nicht mehr.
So stürmt die Zeit, die ich genoss,
Ins "Auch schon sehr lang her!"
Und wird dann als Gedichtbericht
Hier niemand' interessieren.

Ach, Gegenwart, ach, stör mich nicht
Beim Rekapitulieren!

Neueinstieg & das zweitausenddreihundertundelfte Gedicht

Die noch jungfräuliche neue Wohnung

Die erste Heimfahrt

Das erste Mal Heimfahrt zum neuen Daheim -
Und die Frage im Ohr, ob der Weg mich schon kennt.
Ich fäd'le ja stets jede Zeile zum Reim,
Meine Eilfertigkeit spornt die Leeren an: "Rennt!"

Ja, es ist noch zu früh, um ein Mehr zu erahnen -
Werd vorerst kleine Schritte geh'n
Auf um Baugruben weiters zu ziehenden Bahnen
Im Glauben, mich hinauszuleh'n.

Karstadt Dresden & das zweitausenddreihundertundsechste Gedicht

Fassade vom Karstadthaus Dresden

Meer und Horizont

Und im Ozean des Wissens, nicht zu genügen,
Strecke ich meine Haifischflosse empor.
Oh, schon brandet Protest, sich ein wenig zu fügen! -
Im etwas zu einig erscheinenden Chor.

Es entrüstet die Jury mein Raubfischgebahren -
Ja, war denn ihr Votum nicht deutlich genug?!

Gleich wird sich ein Meerjungfraugirl mit mir paaren -
Als all der Unendlichkeit schönster Betrug!

Oberlausitzische Bibliothek & das zweitausenddreihundertundzweite Gedicht

Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz

Der Umzug

Vorm Umzug zieh ich mich noch um -
Schalt dann, ganz ungezogen,
Von schläuetreu auf neulingdumm,
Hab übend überflogen,
Was fortan nun mein Fort angreift,
Begreife, dass der Drive noch reift
Und längst noch nicht perfekt ist,
Doch dass der Keim vom neuen Heim
Winkt von der "Noch versteckt"-List.

Ostro-Tor & das zweitausenddreihundertunderste Gedicht

Sportplatz von Wotrow/Ostro in der Oberlausitz, Kernsiedlungsgebiet der Sorben

Der Vielleicht-Held

Ich wurde wahrlich märchenhaft
Einst ausgesetzt in diesem Wald -
Erlangte zwar nie mehr an Kraft,
Doch weiß: Das Happy End kommt bald!

Wenn ich noch nicht gestorben bin,
Dann lebe ich noch heute.

Vor mir verdorben, immerhin:
Schon sehr viel andre Leute.

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